Schweiz: Getrenntsammlungen auf hohem Niveau

„Die Schweiz ist ein Trendsetter bei Umweltmaßnahmen: Sie hat ihren Stromsektor decarbonisiert und rangiert unter den weltweit besten Recyclern von Kommunalabfällen“, lobt der Circularity Gap Report. Und kritisiert, dass jeder Bewohner der Schweiz 19 Tonnen Neumaterial pro Jahr verbraucht – was deutlich über dem EU- und weit über dem weltweiten Durchschnitt liegt. Wie weit ist das Land auf dem Weg zu einer Kreislaufwirtschaft gekommen?

Die Schweiz hat 2022 eine gesamte Recyclingquote von 52 Prozent erreicht – im europäischen Vergleich gehören wir damit zu den Spitzenreitern, meldet Swiss Recycling, der Dachverband der Schweizer Recycling-Organisationen, auf seiner Homepage. Allerdings haben in den letzten Jahren die stetige Zunahme der Bevölkerung und der steigende Wohlstand immer mehr Abfälle verursacht, die verbrannt oder wiederverwertet werden müssen. Den Zustand der Abfallverbrennung stufte das Schweizer Bundesamt für Umwelt BAFU als „mittelmäßig“, ihre Entwicklung gar als „unbefriedigend“ ein. Doch steigerte sich während der letzten 20 Jahre auch die Menge der getrennt gesammelten Kommunalabfälle von etwa 400.000 auf über drei Millionen Tonnen, während sich die Bauabfälle auf etwa 500.000 Tonnen verdoppelten und die Industrie- und Sonderabfälle von 60.000 auf 210.000 Tonnen anstiegen.

Mehr Verwertung gefordert
Die Schweizer Gesetzgebung hat der Entwicklung Rechnung getragen. Das Umweltschutzgesetz aus dem Jahr 1983 schrieb fest, dass Abfälle soweit möglich verwertet und umweltverträglich – sowie wenn möglich und sinnvoll – im Inland entsorgt werden müssen. Und die jahrzehntelang gültige Technische Verordnung über Abfälle wurde Anfang 2016 vollständig novelliert. Die jetzige „Verordnung über die Vermeidung und die Entsorgung von Abfällen“ (kurz VVEA) fordert mehr Vermeidung, Verminderung und gezielte Verwertung von Abfällen. Danach sollen die verwertbaren Anteile von Siedlungsabfällen wie Glas, Papier, Karton, Metalle, Grünabfälle und Textilien nach Möglichkeit getrennt gesammelt und stofflich verwertet werden. Momentan produziert die Schweiz pro Jahr insgesamt 87 Millionen Tonnen Abfälle, davon 62 Prozent aus Aushub und Ausbrucharbeiten, 20,5 Prozent Rückbaumaterial, 6,6 Prozent biogene Abfälle, 2,1 Prozent Sonderabfälle und 1,8 Prozent Eisen- und Stahlschrott. Die Siedlungsabfälle beliefen sich 2020 laut BAFU auf 6,1 Millionen Tonnen beziehungsweise sieben Prozent.

Spezialisierte Recyclingsysteme
Nach Angaben von Swiss Recycling – nach eigener Darstellung „ein privatwirtschaftliches Kompetenzzentrum für optimierte Separatsammlung, Recycling und ganzheitliche Kreislaufwirtschaft in der Schweiz“ – engagieren sich 70 Organisationen und Unternehmen der gesamten Wertschöpfungskette für eine funktionierende Kreislaufwirtschaft.

Zur Behandlung von separat gesammelten, rezyklierbaren Siedlungsabfällen aus Haushalten und Kleingewerbe stehen in der Alpenrepublik mehrere Recyclingsysteme zur Verfügung. Auf Stahl- und Weißblech sowie Aluminium haben sich Ferro-Recycling Schweiz und IGORA spezialisiert, die 2021 nach eigenen Angaben mit einer Sammelquote von 80 Prozent für Tiernahrungsschalen und 60 Prozent für Aluminiumtuben eine Menge von 14.339 Tonnen sowie einer Verwertungsquote von 91 Prozent bei Getränkedosen eine Menge von 12.600 Tonnen an Aluminium erreichten. Hinzu kamen mit einer Recyclingquote von 86 Prozent 13.100 Tonnen an Stahlblech aus Konservendosen. INOBAT kümmert sich um gebrauchte Batterien: Die Rücklaufquote stieg zwischen 2002 und 2009 kontinuierlich von 60 auf über 70 Prozent, stagniert seitdem aber aufgrund zunehmender Lithium-Ionen-Akkus mit längerer Nutzungsdauer; die Verwertungsquote betrug 2021 noch 53 Prozent.

Getrenntsammlung großgeschrieben
PET-Recycling Schweiz gelingt zurzeit eine Verwertungsquote von 82 Prozent; dem Verein sind als Branchenorganisation rund 98 Prozent der Schweizer Getränkeproduzenten, Importeure, Abfüller und Detaillisten als Mitglied angeschlossen. In die Wiederverwertung von Elektrogeräten teilen sich die nicht gewinnorientierte Stiftung SENS eRecycling und Swico.

SENS eRecycling betreut die Sammlung von Haushaltsgeräten und errechnete eine Sammelmenge von rund 95.800 Tonnen; Swico kam 2021 auf 43.235 Tonnen an E-Geräten aus Büro und Unterhaltung. Die Stiftung Licht Recycling Schweiz (SLRS), die sich auf die Rückführung von Leuchtmitteln spezialisiert hatte, fusionierte 2021 mit SENS. Die Verwertungsquote von Glasflaschen, die in der Schweiz – nach Farben getrennt – in 22.000 Glascontainern entsorgt werden können, beträgt laut Vetro-Swiss 97 Prozent. Dabei ist Vetrorecycling mit einem Anteil von 45 Prozent am gesammelten Altglas der größte Glasrecycler der Schweiz. Separat gesammelt werden auch Altpapier und -Karton, die nach Angaben von Swiss Recycling 2021 eine Menge von 1,17 Millionen Tonnen und damit eine Quote von 81 Prozent erreichten. In Sammelcontainern wurden 55.438 Tonnen an Textilien und Schuhen erfasst und recycelt.

IGSU: Gemeinsames Interesse
Unterstützt werden die Bemühungen um eine wirksame Abfallbewirtschaftung durch die Interessengemeinschaft für eine saubere Umwelt, kurz IGSU. Sie versteht sich als „Kompetenzzentrum gegen Littering“, das sich seit 2007 national mit präventiven Sensibilisierungsmaßnahmen für eine saubere Schweiz einsetzt. Zu ihrer Trägerschaft zählen die IGORA-Genossenschaft, PET-Recycling Schweiz, VetroSwiss, 20Minuten, Swiss Cigarette, McDonald’s Schweiz, Migros, Coop, Valora, Feldschlösschen und die International Chewing Gum Association, und sie brachte 2023 am nationalen IGSU Clean-Up-Day 60.000 Helferinnen und Helfer auf die Beine.

„Auf einem sehr hohen Niveau“
Alle diese Recyclingmaßnahmen konnten aber nicht verhindern, dass sich die Menge der behandelten Siedlungsabfälle in der Schweiz in den letzten 50 Jahren verdreifacht hat. Doch die Zunahme an Recycling schlug sich im Laufe der Jahre in der Nutzung der Behandlungsmethoden nieder.

1970 landeten in der Schweiz rund 1,6 Millionen Tonnen an Siedlungsabfällen auf Deponien oder in Verbrennungsanlagen; 2022 waren es bereits 2,8 Millionen Tonnen. Das BAFU beurteilte den Zustand als schlecht. In der gleichen Zeit nahm die Menge der separat gesammelten Siedlungsabfälle von 298.000 Tonnen auf über drei Millionen zu – eine Verzehnfachung. Immerhin werde dadurch mehr als die Hälften der Siedlungsabfälle separat gesammelt, lobte das BAFU. Und obwohl in einigen Bereichen wie den biogenen Abfällen, den Kunststoffen oder den Batterien die separate Erfassung noch optimiert werden könnte, befinde sich das Potenzial der Separatsammlungen „auf einem sehr hohen Niveau“. Zustand und Entwicklung würden als gut beziehungsweise positiv bewertet.

Breiter Entsorgungspark

Im Entsorgungssystem der Schweiz machten 2020 Aushub- und Ausbruchmaterial mit 54 Millionen Tonnen den größten Anteil aus; sie wurden zu rund drei Vierteln (77,8 Prozent) verwertet und zu einem knappen Viertel (22,2 Prozent) deponiert. Hinzu kommen Rückbaumaterial, Siedlungsabfälle, biogene Abfälle, Sonderabfälle sowie Eisen- und Stahlschrotte. Verwertet wurden davon 11,7 Millionen Tonnen (Mio. t.) Rückbaumaterial, 3,2 Mio. t Siedlungsabfälle, 1,6 Mio. t Eisen- und Stahlschrotte, 1,5 Mio. t biogene Abfälle und 0,87 Mio. t Sonderabfälle. In die Verbrennung gingen 4,2 Mio. t biogene Abfälle, 2,9 Mio. t Siedlungsabfälle und 0,9 Mio. t Sonderabfälle. Auf Deponien landeten 6,1 Mio. t Rückbaumaterial, 0,2 Mio. t Sonderabfälle und 0,7 Mio. t Eisen- und Stahlschrotte.

Zur Entsorgung stehen in der Schweiz 345 Deponien in fünf Deponietypen zur Verfügung. Hinzu kommen rund 300 chemisch-physikalische Anlagen, die insbesondere für Sonderabfälle genutzt werden, wenn diese nicht in einer der 30 Kehrrichtverbrennungsanlagen oder der sechs Sonderabfallverbrennungsanlagen behandelt werden. Um den Umgang mit insbesondere Rückbaumaterial und Siedlungsabfällen kümmern sich in der Schweiz rund 100 Recyclingbetriebe. 4,2 Millionen Tonnen biogene Abfälle sind für die 60 Industriefeuerungen vorgesehen und 1,5 Millionen Tonnen für die insgesamt 368 Biogas- und Kompostanlagen. Zu den Abnehmern bestimmter Abfälle zählen schließlich sechs Zementwerke.

Gemeinsame Zielsetzung
Zu den wichtigsten Branchenverbänden der Abfall- und Rohstoffwirtschaft der Schweiz gehören arv Baustoffrecycling Schweiz, Biomass Suisse, Fachverband Schweizerische Kies- und Betonindustrie, Fachverband VREG-Entsorgung (FVG), Recycling Ausbildung Schweiz (R-Suisse), asphaltsuisse, Schweizerischer Schredderverband (SSV), Schweizerischer Verband für Umwelttechnik (SVUT), Swiss Recycle, Verband der Betreiber Schweizer Abfallverbrennungsanlagen (VBSA), Verband der Schweizerischen Cementindustrie (cemsuisse) sowie der Verband Stahl-, Metall- und Papier-Recycling Schweiz (VSMR). Sie haben sich mit Cercle déchets, der Vereinigung der Fachleute für Abfall und Ressourcen beim BAFU und bei den Kantonen sowie des Fürstentum Liechtensteins, zusammengetan und sich zum Ziel gesetzt, „die bestehenden Aus- und Weiterbildungsangebote für die zahlreichen Anspruchsgruppen transparent darzustellen und die bestehenden Angebote zu koordinieren, um Synergien auszunutzen, sowie soweit nötig zu ergänzen“.

Großes Investoreninteresse
Diverse Investitionen unterstützen die Schweizer Bemühungen zur Förderung der Recyclingwirtschaft. Die Züricher Kantonalbank beispielsweise investierte 2020 nach Aussage von Switzerland Global Enterprise 30 Millionen US-Dollar in ein Projekt von Climeworks, um eine kommerziell nutzbare Technologie zum Carbon Capture aus der Atmosphäre zu entwickeln. 2022 legten nach eigenen Angaben Lombard Odier Investment Managers (Schweiz) und die Alliance to End Plastic Waste (Singapur) einen Circular Plastic Fonds zur Förderung der Kunststoff-Kreislaufwirtschaft auf, der auf großes Investoreninteresse stieß. Und im April 2024 erhielt Medusoil SA vom Amt für Innovation und Wirtschaftsförderung des Kantons Waadt die Zusage eines Kooperationsprojekts zur Förderung von regionalen Abbruch- und Aushubabfällen.

(Erschienen im EU-Recycling Magazin 11/2024, Seite 19, Foto: sezerozger / stock.adobe.com)