Politisches Maßnahmenpaket könnte 35 Milliarden Euro bis 2030 generieren

Eine in Zusammenarbeit mit dem Senat der Kreislaufwirtschaft durchgeführte aktuelle PwC-Studie prognostiziert Österreich durch die Kreislaufwirtschaft enorme wirtschaftliche Wachstumschancen. Bürokratische Prozesse blockieren jedoch das Wachstum. Der von der ARA initiierte Senat der Kreislaufwirtschaft will dem entgegenwirken und das Potenzial nutzen und ausbauen.

Aktuell weist die Kreislaufwirtschaft in der Alpenrepublik eine Bruttowertschöpfung von mehr als vier Milliarden Euro auf; diese könnte bis 2030 auf jährlich mehr als fünf Milliarden anwachsen. So wären bis dahin insgesamt 35 Milliarden Euro heimische Bruttowertschöpfung möglich. Unter der Koordination der Altstoff Recycling Austria AG (ARA) haben sich daher sieben Leitbetriebe in Österreich zum Senat der Kreislaufwirtschaft zusammengeschlossen – mit dem Ziel, dieses gewaltige ökonomische Potenzial auszuschöpfen. Dafür richten die ARA und der Senat vier konkrete Forderungen an die nächste Bundesregierung: Eine umfassende Kunststoffstrategie, die Einrichtung einer starken und permanenten interministeriellen Koordination, die Schaffung eines „Schengenraums“ für Abfallwirtschaft sowie die zukünftige von der EU geforderte Textilsammlung im Rahmen einer erweiterten Herstellerverantwortung zu organisieren.

Enorme Wertschöpfung
Das Wachstumspotenzial der Kreislaufwirtschaft ist enorm. Laut PwC-Studie beträgt die direkte Wertschöpfung aus Kreislaufwirtschaft in Österreich bereits mehr als vier Milliarden Euro, generiert von 13.000 Unternehmen und insgesamt rund 48.600 Beschäftigten – das ist eine Milliarde Euro mehr als beispielweise jene der Stahlindustrie. Um Klimaneutralität bis 2040 zu erreichen, prognostiziert das österreichische Umweltbundesamt einen zusätzlichen Investitionsbedarf von 145 Milliarden Euro bis 2030; ein Teil davon dürfte auch in Maßnahmen zur Circular Economy fließen. „Wenn sich zukünftig die rechtlichen Rahmenbedingungen zu Gunsten der Kreislaufwirtschaft verbessern, kann Österreichs Circular Economy das Wirtschaftswachstum ankurbeln, die Abhängigkeit aus Primärrohstoffen reduzieren und die CO2- und Ressourcenbilanz deutlich verbessern“, erklärt Agatha Kalandra, Vorstandsmitglied und ESG-Lead bei PwC Österreich.

Mit einer Zirkularitätsrate von 12,8 Prozent liegt Österreich zwar über dem EU-Durchschnitt, doch es besteht noch erheblicher Handlungsbedarf, um das heimische Ziel von 18 Prozent bis 2030 zu erreichen. Die Nachfrage der Industrie nach Recyclingrohstoffen wächst damit in den kommenden fünf Jahren enorm. In Österreich kommen nur etwa 24 Millionen Tonnen oder 9,5 Prozent des gesamten verarbeiteten Materials aus Recycling. Diese Menge muss bis 2030 deutlich anwachsen. „Damit sorgen wir für Rohstoffsicherheit und verlagern immer mehr Wertschöpfung nach Österreich“, stellt Harald Hauke, Vorstandssprecher der ARA AG und Gründer des Senats, in Aussicht.

Nicht ungenutzt lassen
Doch die Entwicklung wird derzeit in Österreich von einigen politischen Faktoren bedroht. Der österreichische Senat der Kreislaufwirtschaft appelliert daher an die zukünftige Bundesregierung, diese große industriepolitische Chance für Österreich nicht ungenutzt zu lassen, und fordert die rasche Umsetzung eines Deregulierungs- und Entbürokratisierungs-Pakets. Wenn weiterhin der Wachstumskurs der Kreislaufwirtschaft gesichert werden soll, müssen von der neuen Bundesregierung rasch bürokratische und technisch-regulatorische Hürden abgebaut und Impulse in Richtung Nutzung von Recycling gesetzt werden.

Um diesen Paradigmenwechsel schneller in die Tat umzusetzen, hat die ARA den Senat der Kreislaufwirtschaft ins Leben gerufen – mit dem Ziel, Österreich im EU-Spitzenfeld der Circular Economy zu etablieren und heimischen Betrieben einen Wettbewerbsvorteil zu sichern. Getragen vom ARA Verein – einem Zusammenschluss von 142 österreichischen Unternehmen mit 140.000 Beschäftigten und rund 50 Milliarden Euro Umsatz – versteht sich der Senat der Kreislaufwirtschaft als entschlossener Partner und Vertreter der Wirtschaft, der die Circular Economy in Österreich mitgestaltet und vorantreibt.

Gebildet wird der Senat unter Koordination der ARA AG aus sieben Vertretern der namhaften Unternehmen Alpla Werke, Billa AG, Brau Union, Holcim Österreich, Mayr-Melnhof Karton AG, NÖM AG und Spar Österreich.

Vier-Punkte-Plan für eine zukunftsorientierte Kreislaufwirtschaft
Umfassende Kunststoff-Strategie: Um die EU-Ziele zur Einführung verbindlicher Quoten für recyclingfähige Verpackungen sowie den Einsatz von Rezyklaten termingerecht zu erreichen und die Vorreiterrolle Österreichs in der europäischen Kreislaufwirtschaft weiter auszubauen, ist die Entwicklung einer zielgerichteten Kunststoffstrategie und eine proaktive Einführung einer Ökomodulation unerlässlich. „Ein zusätzlicher Bestandteil sollte dabei chemisches Recycling als Ergänzung zum mechanischen Recycling sein. Dadurch wird sichergestellt, dass Restabfallströme nicht länger durch Verbrennung verlorengehen und auch der mechanisch nicht rezyklierbare Abfall verwertet wird“, betont Alfred Berger, Vorstand der NÖM AG.

„Schengenraum“ für Kreislaufwirtschaft: Zur Förderung des grenzüberschreitenden Handels mit recycelbaren Materialien innerhalb der EU sollte ein „Kreislaufwirtschafts-Schengenraum“ geschaffen werden. „Das heißt: Abschaffung der aufwändigen und langwierigen Notifizierungsverfahren sowie der Begleitdokumente bei der grenzüberschreitenden Abfallverbringung. Im Gegensatz zu Primärrohstoffen, die aufgrund der EU-Warenverkehrsfreiheit von solchen Auflagen befreit sind, stellt dies derzeit eine erhebliche Handelsbarriere dar. Durch deren Beseitigung lassen sich Effizienz und Wettbewerbsfähigkeit des Recyclings in der EU deutlich steigern“, erläutert Robert Nagele, Vorstand der Billa AG.

Interministerielle Koordinierungsstelle für Kreislaufwirtschaft: Die Kreislaufwirtschaft umfasst als komplexes Querschnittsvorhaben verschiedene Sektoren wie Wirtschaft, Mobilität, Landwirtschaft, Bauwirtschaft, Gesundheit, Umwelt und Finanzen. Um eine erfolgreiche Umsetzung sicherzustellen, ist eine enge Abstimmung und Zusammenarbeit zwischen den relevanten Ministerien unerlässlich. „Auf Regierungsebene sollte daher eine interministerielle Koordinierungsstelle eingerichtet werden, die in enger Abstimmung mit den europäischen Institutionen arbeitet. Dies gewährleistet eine sektor-, wertschöpfungs- und lieferketten-übergreifende Umsetzung der Kreislaufwirtschaft, die nicht an nationalen Grenzen haltmacht“, führt Nagele weiter aus.

Erweiterte Herstellerverantwortung für Textilien: Analog zur Verpackungsentpflichtung sollte auch im Bereich der Textilien eine Erweiterte Herstellerverantwortung eingeführt werden. Harald Hauke: „Wir wollen das Textilrecycling wirtschaftlich kompetitiv gestalten und so die Recyclingquote in diesem Sektor signifikant erhöhen. Die Wirtschaft ist der zentrale Akteur, der die Kreislaufwirtschaft vorantreibt. Wir sind bereits im Austausch mit Politikern, um eine zentrale Stelle auf Regierungsebene für die Kreislaufwirtschaft zu etablieren. Diese soll als Brücke zwischen Politik und Wirtschaft sowie zwischen Österreich und Europa fungieren. Die Kreislaufwirtschaft ist nur mit aktiver Beteiligung der Wirtschaft umsetzbar, die bereits heute erheblich zur Bruttowertschöpfung Österreichs beiträgt. Die Wettbewerbsfähigkeit Österreichs und Europas muss weiter gestärkt werden. Die Kreislaufwirtschaft muss daher marktfähig werden, und wir müssen sie messbar machen und stärker die politische sowie gesellschaftliche Bewusstseinsbildung integrieren. Unser Ziel ist es, die Kreislaufwirtschaft im nächsten Regierungsprogramm zu verankern.“

Die PwC-Studie „Von linear zu zirkulär: Status quo der österreichischen Kreislaufwirtschaft“ (Februar 2024, Datenbasis: 2021) kann unter direkt.pwc.at/klw kostenlos heruntergeladen werden.

(Erschienen im EU-Recycling Magazin 11/2024, Seite 17, Foto: ARA AG/APA-Fotoservice/Tanzer)