Schrottmarktbericht Dezember 2024: Hoffnung auf einen Gamechanger im neuen Jahr
Die Lage der deutschen Industrie bleibt alarmierend. Durch hohe Arbeitskosten und umfangreiche Bürokratieaufwendungen können Industrieunternehmen immer weniger mit den Preisen ausländischer Konkurrenz mithalten. Erzeugerpreise sind für gewerbliche Produkte seit 2020 um 40 Prozent gestiegen, deutsche Exportpreise im gleichen Zeitraum um etwa 20 Prozent. Vier von zehn Unternehmen wollen 2025 weniger investieren.
Die Ausfälle der Bruttoanlageninvestitionen belaufen sich seit 2020 auf rund 210 Mrd. EUR, so berichten Experten. Wachsender Protektionismus, geopolitische und -wirtschaftliche Blockbildungen sowie das aktuelle Regierungsvakuum in Berlin tragen ihren Teil dazu bei. IW-Konjunkturchef Michael Grömling spricht in diesem Zusammenhang nicht mehr von einer konjunkturellen Verstimmung, sondern von einer schwerwiegenden Strukturkrise. Hier bedarf es einer schnellen Kehrtwende, einem Gamechanger, der der Wirtschaft wieder Sicherheit und Zuversicht verschafft.
Auf dem Schrottmarkt zeigt sich immer mehr eine differenziertere Einkaufspolitik der Verbraucher. Je nach Auftragslage, nach Kostensituation – insbesondere in Anbetracht hoher Stromkosten – werden Schrottzukäufe zunehmend der aktuellen Marktlage und dem Produktionsprogramm angepasst. In Deutschland sind Schrottpreise im Dezember durchschnittlich um 5-10 €/t heruntergegangen. Einige Werke hatten im vergangenen Monat übergreifend für den Dezember miteingekauft, andere Werke passten ihre Einkäufe der aktuellen Marktsituation an. Im Südwesten konzentrierte sich ein Abnehmer, bei reduzierten Zukaufbedarf, auf preislich niedriger liegende Schrottqualitäten, wie auf Späne E5 und Scherenschrotte E1. Im Norden und im Süden schien die Abnahmesituation angesichts von Produktionskürzungen etwas schwieriger gewesen zu sein als in anderen deutschen Regionen. Nichtdestrotz konnte der Schrotthandel seine angebotenen Schrottmengen verkaufen und zum Jahresende eingehende Aufträge der Entfallstellen bearbeiten. Seit Juli, wo der Schrottmarkt mit einem festen, unveränderten Preisniveau abschloss, sanken die Schrottpreise in dem Zeitraum August bis Dezember kontinuierlich ab. Dieser untypische Verlauf ließ den Schrottmarkt ohne große Dynamik dahinlaufen. Schrotthändler haben mit dem kontinuierlichen Preisverfall zu kämpfen, was sich aus der Ergebnislage am Ende des Jahres ablesen lässt.
Schrott in den Regionen
Das Marktbild im Norden Deutschlands war sehr uneinheitlich. Allgemein kam es zu Preiszugeständnissen von bis zu -10 €/t bei niedrigeren Bedarfen. Ein Verbraucher kaufte im November monatsübergreifend ein, ein anderes Werk soll zu unveränderten Preisen Schrotte gekauft haben, so berichteten Marktteilnehmer. Ein weiteres Werk reduzierte, bei geringem Zukaufbedarf, seine Schrottpreise über die eigentlich üblichen Abschläge hinaus. Im Osten lagen Preisabschläge zwischen 5-10 €/t. Ein großes Stahlwerk kündigte Kurzarbeit an und verlängert voraussichtlich die geplante Stillstandzeit. Ein weiterer Verbraucher reduzierte aufgrund eines höheren Aufkommens die Sorte E3 um 9 €/t, andere Schrottsorten um 5 €/t. Im Westen kam es zu unveränderten Preisen bis hin zu leichten Preisreduzierungen von -5 €/t, bei geringen bis keinen Zukaufbedarfen. Ein Verbraucher soll mit unveränderten Produktionsmengen in das neue Jahr gehen. Im Südwesten soll ein Abnehmer mit geringem Zukaufbedarf in die Dezemberverhandlung gegangen sein und sich dabei überwiegend auf die Sorten E1 und E5 beschränkt haben. Hier wurden je nach Region und Sorte Preisabschläge von 5-10 €/t vereinbart. An der Saar gab es verhältnismäßig gute Abnahmemöglichkeiten. Im Süden war ein Verbraucher bereits seit Ende November aus dem Markt und hatte daher keinen Zukaufbedarf. Als Preisindikator galt ein Abschlag von -10 €/t.
Schrott in den Nachbarländern
Französische Verbraucher setzten höhere Preisreduzierungen durch als auf dem deutschen Markt erzielbar waren. Hier lagen die durchschnittlichen Preisabschläge bei -20 €/t. In Luxemburg lagen Preisabschläge etwas höher bei -20 bis -25 €/t, bei reduzierten Bedarfsmengen. In Österreich kauften Verbraucher Schrotte mit unterschiedlichen Preisveränderungen ein. Ein Verbraucher ließ Altschrotte auf dem Vormonatsniveau und reduzierte lediglich Neuschrotte um -10 €/t, ein anderer Verbraucher reduzierte die Einkaufspreise über alle Sorten um -10 €/t, bei Importschrotten forderten sie sogar deutlich höhere Abschlagspreise. In der Schweiz standen die wirtschaftlichen Schwierigkeiten eines Verbrauchers im Vordergrund, der keinen nennenswerten Zukaufbedarf für sich vereinnahmte. Das Marktbild in Italien war sehr uneinheitlich. Verschiedene Verbraucher zielten je nach individueller Marktlage auf verschiedene Preisabschläge ab. Allgemein lagen die Preisabschläge zwischen -10 €/t bis -20 €/t. In Polen kam es zu Preisreduzierungen von -7 €/t. Durch die Übernahme von Liberty Steel durch das staatliche polnische Unternehmen Weglokoks (vgl. Schrottmarktinfo Nr. 128) gestalten sich die Erwartungen gegenüber der Abnahmesituation für den kommenden Monat Januar optimistischer.
Schrottmarkt international
Nach einer Woche preislicher Abwärtskorrekturen erreichte die Argus-Preiseinschätzung Anfang Dezember für die HMS 1/2 (80:20) die Marke von 340 $/t CFR Türkei und stagnierte zunächst auf diesem Niveau. In den darauffolgenden Tagen kam es zu preislichen Abwärtstendenzen, die den Markt zunehmend aufweichten. Europäische Verkäufe der HMS 1/2 (80/20) sanken auf ein Niveau von 325 $/t CFR Türkei, abgeschlossen von einem niederländischen Exporteur. Zunehmende Knüppellieferungen, aus bereits getätigten türkischen Käufen, drückten Schrottbedarfe und setzten Preise zusätzlich unter Druck.
Verstärkter Widerstand der Verkäufer formierte sich, die besonders in der Ablehnung eines europäischen Schrottlieferantens mündete, der für seine HMS 1/2 (80:20) ein Gebot von 336 $/t CFR Türkei erhielt. Zusätzlich beteuerten bulgarische Exporteure aus dem Kurzstreckenverkehr, dass sie im Dezember nicht mehr auf den Handelsmarkt zurückkehren. Allgemein hielten sich US-Exporteure vom internationalen Schrottmarkt fern und warteten ihre inländischen Abschlüsse ab. Als jedoch der Verkauf eines US-Verkäufers für die HMS 1/2 (90:10) zu 348,50 $/t sowie Shredder- und Bonusmaterial zu 368,5 $/t CFR Türkei ihren Weg in die Türkei fanden, drehte sich der Markt. Teilnehmer leiteten aus diesem Verkauf einen HMS 1/2 (80:20) Preis von 345,50 $/t CFR Türkei ab. Ein niederländischer Exporteur schloss sich diesem Aufwärtstrend an und verkaufte Mitte Dezember eine Ladung HMS 1/2 (80:20) zu 333 $/t CFR Türkei und unterstrich damit die steigende Tendenz.
Die Abbildung zeigt den Verlauf der Preisentwicklungen auf dem türkischen Stahlschrott-Importmarkt im Zeitraum Januar bis Anfang Dezember 2024. Die europäischen und US-Schrottpreise der HMS 1/2 (80:20) sind zusammen mit den A3 Schrottpreisen aus den GUS-Ländern – mit einigen Ausnahmen im Frühjahr, in den Sommermonaten und einem Anstieg im Oktober – kontinuierlich gefallen. Die europäischen Preise fielen von 418 $/t am 12. Januar 2024 auf 332 $/t CFR Türkei am 6. Dezember 2024, eine Abnahme um 20,6 Prozent. In ähnlicher Weise fielen die US-Schrottpreise der HMS 1/2 (80:20) von 424,50 $/t auf 337,50 $/t CFR Türkei und die A3 Preise aus den GUS-Ländern von 414 $/t auf 323 $/t CFR Türkei. Zu deutlichen Niveauverschiebungen kam es insbesondere im März 2024, im August und im November, wo alle drei Preisindices deutlich sanken. Der europäische Schrottindex fiel im Jahresverlauf um 86 $/t.
Gießereien
Gießereien versuchten in den vergangenen Wochen und Monaten Preisaufschläge auf Schrottindizes zu reduzieren, um Preissenkungen für das nächste Jahr durchzusetzen. Bei einigen Materialien waren Preisabschläge durchsetzbar. Aktuell machen sich jedoch vermehrt reduzierte Materialzuläufe bemerkbar, die aus überzogenen Preisabschlägen resultieren oder aus geringerer Beschäftigungslage der Entfallstellen.
Die vollzogene Verkehrswende in der Mobilität übt erhebliche Auswirkungen auf die Gießereiindustrie aus. Viele Produkte für die Verbrennertechnologie fallen weg oder besitzen andere Eigenschaften, und verändern damit massiv den Schrottentfall und die Legierung von Einsatzstoffen. Einsatzstoffe, die in der Vergangenheit zeitweise Begehrlichkeiten weckten, sind plötzlich angesichts höherer Legierungsbestandteile nicht mehr so gefragt. Die angeschobene Transformation wirft ihren Schatten auch auf die Gießereien und ihre Einsatzstoffe. Viele Gießereien nutzen die angekündigten Stillstandzeiten, um – neben den eigentlich üblichen Wartungs- und Reparaturarbeiten – auch Produktionskürzungen vorzunehmen.
Ausblick
Ein neues Jahr bricht an, aber die wirtschaftspolitischen Probleme und Lasten scheinen dieselben zu bleiben. Nach der neuen IW-Konjunkturprognose wächst die deutsche Wirtschaft im kommenden Jahr um magere 0,1 Prozent, nach zwei Jahren der Rezession. Fast drei Jahre nach den Energiepreisschocks stehen hohe Bau- und Finanzierungskosten noch immer den Neubauten im Wege. Bauinvestitionen sind 2024 um fast vier Prozent gefallen, 2025 werden es immer noch zwei Prozent sein. Das zunehmend schlechter werdende Stimmungsgefühl hat sich mehr und mehr entleert. Es ist an der Zeit, diese negative Stimmungslage in Aufbruchsstimmung zu überführen. Geopolitische Veränderungen lassen Hoffnungserwartungen aufkeimen, die aber eng begleitet werden müssen, damit sie nicht ins Gegenteil abdriften.
Die letzten Monate zeigten eine Aneinanderreihung von sinkenden Preisniveaus in der Schrottwirtschaft. Das Preisniveau hat sich seit Anfang des Jahres deutlich nach unten korrigiert. Der europäische Schrottindex der HMS 1/2 (80:20) fiel um 86 $/t seit Jahresbeginn. Auch auf dem deutschen Schrottmarkt hat seit den Sommermonaten eine Niveauverschiebung stattgefunden. Für den Januar äußerten sich Marktteilnehmer mit mäßiger Stimmung, allerdings nicht mehr so pessimistisch wie noch vor Wochen. Wichtig ist, dass der Turnaround geschafft wird und die Wirtschaft im neuen Jahr gleichmäßiger und ohne großes Stottern Fahrt aufnehmt. Wie so oft wird dafür aber Zeit benötigt. Vielleicht vernehmen wir im Frühjahr vermehrt positive Signale oder erfahren sogar einen Gamechanger, der unsere Arbeit zumindest an der einen oder anderen Stelle erleichtert und uns wieder Aufwind bringt.
Redaktionsschluss 13.12.2024, Johannes Hanke, bvse (Alle Zahlen ohne Gewähr), Foto: O. Kürth