Damit niemand zurückbleibt: EU-Investitionen für Kreislaufwirtschaft offengelegt
Die Einführung einer europaweiten Kreislaufwirtschaft ist eine Mammutaufgabe. Welche Investitionen die Europäische Union dafür vorsieht, zeigen jüngste Veröffentlichungen.
In einem Papier über „Europas Kreislaufwirtschaft in Fakten und Zahlen“ vom 5. Dezember 2024 unterstreicht die internationale Umweltagentur die zentralen Merkmale der EU-Politik: Als eine der Kernbotschaften gilt die Zirkularitätsrate von 11,8 Prozent, die trotz begrenzter Fortschritte in den vergangenen Jahren zu einem höheren Prozentsatz Recyclingmaterialien als irgendeine andere Region auf der Welt verbraucht. Die Überwachung der Kreislaufwirtschaft umfasst nicht nur die Verfolgung der Materialströme, sondern auch die Überwachung der Umweltschädigung, da sie mit Ressourcenabbau, -verarbeitung und -verbrauch zusammenhängt. Starke Rahmenbedingungen für Strategien, Wissen und Finanzen wurden auf EU-Niveau entwickelt, um die Kreislaufwirtschaft zu fördern und zu unterstützen. Unternehmen und Konsumenten zeigen erste Anzeichen, neue Geschäftsmodelle und Konsumsverhalten anzunehmen.
Jährlich verbraucht jeder Europäer rund 14 Tonnen Material und generiert fünf Tonnen Abfall – und bewegt sich damit inmitten den höchsten globalen Niveaus und jenseits nachhaltiger Grenzen. Andererseits wirtschaftet die EU mit einem stabilen Aufkommen an Ressourcen und Abfall und erreicht dadurch ein einfaches Niveau der Entkopplung. Europa ist ausgesprochen effizient in der Wertschöpfung aus Reststoffen – bei einer Ressourcenproduktivität, die seit 2015 zwei Euro pro Kilogramm übertrifft und 2,5 Prozent über dem globalen Durchschnitt liegt. Auf ähnliche Weise recycelt Europa fast die Hälfte des produzierten Abfalls und würde von der Förderung von hochwertigem Recycling und der Unterstützung eines effektiv funktionierenden Marktes für Sekundärmaterialien profitieren. Die Material-Zirkulation in der EU ist niedrig und stabil, da Recyclingmengen und Materialeinsatz seit 2014 stagnieren. Zudem steigt der Umwelteinfluss durch europäische Verbräuche, und noch sind Umweltvorteile der Zirkularität nicht erkennbar.
Kosten von 55 Milliarden Euro jährlich
Europas Antwort auf den Mißbrauch natürlicher Ressourcen besteht darin, Maßnahmen zum Übergang zur Kreislaufwirtschaft zu ergreifen, was die Verlagerung von linearen Produktionsmodellen und Verbrauchsmustern zu zirkulären Modellen bedeutet. Dieser Übergang ist in einem eigenen Actionsplan ausgeführt. Seit dem ersten Circular Economy Action Plan im Jahr 2015 haben 20 der 27 europäischen Mitgliedstaaten nationale Richtlinien zur Kreislaufwirtschaft angenommen. Aktuellen Schätzungen der Europäischen Umweltbehörde zufolge soll die Kreislaufwirtschaft die EU 55 Milliarden Euro jährlich kosten. Die Kredite der Europäischen Investment-Bank für entsprechende Projekte sind stetig gestiegen und beliefen sich zwischen 2019 und 2023 auf 3,8 Milliarden Euro. Die Zertifizierung durch das europäische Ecolabel hat seit 2010 um das Vierfache zugenommen, während 32 Prozent der europäischen klein- und mittelständischen Unternehmen grüne Produkte oder Leistungen anbieten – Trend steigend. Die Beschäftigtenzahl liegt mittlerweile bei 4,3 Millionen.
Rund fünf Milliarden Tonnen brauchbar
Ein Report der Bundesumweltagentur über „Zustand und Ausblick 2024“ zeigt ein Massenfluss-Schema, das über die Ressourcennutzung in der EU-Wirtschaft Auskunft gibt. Der direkte Material-Input von 7,14 Milliarden Tonnen (Gt) setzt sich aus Importen (1,6 Gt) und abgebauten natürlichen Ressourcen (5,54 Gt) zusammen. Unter Zusatz von rückgefüllten (0,25 Gt) und Recyclingmengen (0,77 Gt) steht in der EU somit eine Materialmenge in Höhe von 8,16 Gt zur Verfügung. Davon sind Exporte (0,169 Gt), Verluste (0,25 Gt) und Emissionen (2,36 Gt) abzuziehen. Das tatsächlich brauchbare Material beläuft sich auf 4,98 Gt, wovon 3,21 Gt stofflich genutzt werden und 1,76 Gt in der Abfallverwertung landen, wovon 0,63 Gt auf Deponien wandern und der Rest rückgefüllt oder recycelt wird.
Die Autoren der Studie kommen zu folgenden Schlüssen:
- Angesicht der innewohnenden Auswirkungen von Ressourcenabbau und -behandlung sowie der Unmöglichkeit einer hundertprozentigen Zirkularität ist es notwenig, der Verringerung der Ressourcennutzung den Vorrang zu geben und sich hin zu einer weniger materialintensiven EU-Wirtschaft zu bewegen.
- Die Maximierung der Nutzung existierender Produkte benötigt eine signifikant höhere Intensität der Nutzung je Produkt und wesentlich längere Nutzungsdauern.
- Groß angelegte Erfolge einer Kreislaufwirtschaft sind stark von den substanziellen Mengen an hochwertigem Material aus Sekundärrohstoffen für die Produktion abhängig.
- Europa kann die nicht nachhaltige Ressourcennutzung auf globaler Ebene nicht alleine bremsen; stattdessen sind solide globale Verwaltungsrichtlinien für Ressourcennutzung und Kreislaufwirtschaft unabdingbar.
2,5 Millionen Jobs nötig
In jedem Fall wird die Transformation von einer linearen zu einer zirkulären Wirtschaft hohe Investitionen notwendig machen. Das legt eine Studie nahe, die die Fondazione Centro Studi Enel im August 2020 unter dem Titel „Circular Europe“ veröffenlichte. Die Autoren der Studie schätzen – Zahlen für das Jahr 2018 hochgerechnet –, dass die Kreislaufwirtschaft in der EU und im Vereinigtem Königreich auf annäherungsweise 300 bis 350 Milliarden Euro zu veranschlagen ist, was zwei bis drei Prozent deren Bruttoinlandsprodukt entspricht. Außerdem seien für den Wechsel von einer linearen zu einer zirkulären Wirtschaft rund 2,5 Millionen Jobs nötig. An Investment veranschlagt die Studie 90 bis 110 Milliarden Euro, für die die Europäische Union aufkommen sollte.
Alle Regionen sollen vom Übergang profitieren
Die EU-Kommission nahm im Jahr 2015 den ersten Circular Economy Action Plan (kurz: CEAP) an. 2020 folgte ein neuer Kreislaufwirtschafts-Aktionsplan, der unter anderem das Produktdesign bestimmt, zirkuläre Wirtschaftsprozesse begünstigt, zu nachhaltigem Verbrauch ermutigt und auf die möglichst lange Verwendung von Ressourcen in der EU-Wirtschaft abzielt. Der Aktionsplan streicht die Rolle der Kohäsionspolitik heraus und stellt sicher, „dass alle Regionen vom Übergang profitieren“. Im Februar 2024 legte die Europäische Union mit einem Papier über Investments im Zeitraum 2021 bis 2027 offen, dass auf Grundlage des Circular Economy Action Plans von 2020 die Fonds der Kohäsionspolitik den Übergang in eine Kreislaufwirtschaft sichern sollen. Die Rede ist von 12,5 Milliarden Euro (Stand November 2023), zu denen die EU-Fonds rund 8,6 Milliarden beitragen: Dabei stellt der European Regional Development Fond (ERDF) mit 5,4 Milliarden Euro den größten Anteil zur Verfügung; der Cohesion Fond (CF) trägt 1,7 Millarden bei. Für 813 Millionen sorgt der Just Transition Fond (JTF), und für 435 Millionen stehen die Interreg Fonds.
Unterschiedliche Kontingente
Was das jeweilige Kontingent für die einzelnen EU-Mitgliedstaaten anbelangt, so unterscheidet es sich je nach Größe der EU-Zuwendungen gemäß Kohäsionspolitik und nach nationaler Prioritätensetzung. Italien führt die Tabelle mit rund einer Milliarde Euro aus EU-Fonds und insgesamt knapp 1,9 Milliarden Euro an, gefolgt von Griechenland mit rund 1,2 Milliarden Euro aus Fonds und einem Gesamtaufwand von circa 1,45 Milliarden Euro.
Polen liegt mit EU-Zuschüssen in Höhe von von 948 Millionen Euro und einem Gesamtaufkommen von 1,1 Milliarden Euro auf Platz 3, gefolgt von Frankreich mit einem Zuschuss aus Fonds von rund einer halben Milliarde Euro und einem Volumen von 932 Millionen Euro. Deutschland rangiert mit einem Gesamtaufkommen von etwas über einer halben Milliarde Euro noch im oberen Drittel der Ausgabenliste, während Slowenien (gesamt 88 Millionen Euro), Cypern (gesamt 47 Millionen Euro) und Malta (insgesamt 45 Millionen Euro) das Schlusslicht bilden.
Je spezifische Zusammensetzung
Was den Überblick über die unterschiedlichen Zuschüsse und Aufwendungen erschwert, ist der Umstand, dass sie in acht verschiedene Kategorien unterteilt werden, die wiederum jeweils Zuschüsse aus EU-Fonds erhalten. Denn die je spezifische Zusammensetzung der nationalen Zuteilungen richtet sich nach dem aktuellen Entwicklungsstand der dortigen Kreislaufwirtschaft und den daraus erwachsenden Notwendigkeiten. In vielen Mitgliedstaaten sollen 2021 bis 2027 die höchsten Zuwendungen der EU in die häusliche Abfallbewirtschaftung (insgesamt 2,9 Milliarden) fließen und fast ebenso viel zur Verbesserung umweltfreundlicher Produktionsprozesse in kleinen und mittleren Unternehmen (2,6 Milliarden) beitragen. Unterstützt werden des Weiteren Maßnahmen zur gewerblichen und industriellen Abfallwirtschaft (rund 839 Millionen Euro) und die häusliche Restmüll-Behandlung (634 Millionen Euro). Rund 400 Millionen sind zur mindestens 50-prozentigen Nutzung von Recyclingmaterialien als Rohstoff und noch einmal 341 Millionen Euro zu deren Unterstützung vorgesehen. Knapp 400 Millionen Euro sollen in die Einführung unweltfreundlicher Produktionsprozesse in Großunternehmen fließen, und 143 Millionen Euro gelten der Bewirtschaftung von Rest- und Gefahrgut-Abfällen aus Gewerbe und Industrie.
Ihrem jeweiligen Entwicklungsstand gemäß, können die Mitgliedstaaten auf diejenigen Subventionstöpfe zugreifen, die ihnen ökonomisch sinnvoll erscheinen. So erhält die Bewirtschaftung von Haushaltsabfällen in Zypern, Malta und Rumänien die höchsten Zuteilungsraten, während beispielsweise Dänemark, Slowenien und Österreich die umweltfreundliche Produktion in kleinen und mittleren Unternehmen favorisieren. Nur wenige Länder stecken erhaltene Subventionen – im einstelligen Prozentbereich der verfügbaren Gelder – in die kommerzielle oder industrielle Abfallbewirtschaftung. Etwas größereres Interesse wird in einigen Nationen dem Einsatz von Recyclingmaterial als Rohstoff entgegengebracht.
Überprüfung durch Indikatoren
Freilich muss die Vergabe von Fondsgeldern als Investitionszuschüssen im Rahmen der europäischen Kohäsionspolitik auch überprüft werden. Dabei zielen die sogenannten Ausgabe-Indikatoren auf die direkten Ergebnisse der finanzierten Programme ab – also zusätzliche Kapazitäten, Unterstützung separater Sammlungen oder Aufkommen wiederverwendbarer Abfälle. Die sogenannten Resultate-Indikatoren hingegen messen die jährliche Menge von als Rohstoffen eingesetztem Recyclingmaterial, von separat gesammelten und von recycelten Abfällen. Das Papier der Europäischen Umweltagentur vom 5. Dezember 2024, das Auskunft über die Investitionen der Jahre 2021 bis 2027 gibt, erwähnt allerdings auch, dass diese Indikatoren nicht alle förderfähigen Aktivitäten im Bereich von Kreislaufwirtschaft und Abfallbewirtschaftung abdecken, sodass es auch zu anderen Ergebnissen kommen kann. Ebenso können weitere Programme spezifische Indikatoren nutzen, die sich nicht mit dem EU-Niveau decken.
Investitionslücke von 27 Milliarden Euro
Die Kohäsionspolitik, auf die sich die europäische Kreislaufwirtschaft beruft, zählt – was die Finanzierung anlangt – keineswegs zu den kostengünstigen Lösungen. Sie baut aber darauf auf, dass weniger entwickelte Mitgliedstaaten und Regionen mehr Unterstützung erlangen, um den Anschluss zu halten und um wirtschaftliche, soziale und territoriale Ungleichheiten innerhalb der Europäischen Union zu verringern. Gleichzeitig räumt sie die Bedenken aus, die Monica Harting Pfeifer, Projecktmanager bei Remondis, am 6. Dezember 2024 auf der FEAD-Konferenz äußerte: „Wir brauchen keinen Markt, der von irgendwoher Anreize setzt. Sondern wir brauchen Zirkularität in Europa, die auf europäischen Abfall aufbaut, der in Europa recycelt wird.“ (Demgegenüber hatte im September 2024 EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen den politischen Leitfaden der EU Kommission zur Kreislaufwirtschaft gelobt, weil er „globale Investitionen und Expertise anlocke“.) Inwieweit freilich alle am Aufbau einer funktionalen Kreislaufwirtschaft Beteiligten die entsprechenden Kosten zu tragen willens und in der Lage sind, bleibt offen: Am 6. Dezember 2024 meldete Florian Flachenecker, Referent für Politik bei der EU, auf der erwähnten FEAD-Konferenz eine EU-Investitionslücke von alarmierenden 27 Milliarden Euro, für deren Deckung sowohl private wie öffentliche Gelder notwendig wären.
(Erschienen im EU-Recycling Magazin 02/2025, Seite 10, Foto: Sergey Nivens / stock.adobe.com)