Ist Recycling volkswirtschaftlich?

Abfall- und Recyclingwirtschaft leisten durch Einsatz von Sekundärrohstoffen in Produktion und die Substitution von Primärrohstoffen einen Beitrag zu Steigerung der Ressourcenproduktivität und zur Einsparung von Energie und Emis­sionen. Das ist unbestritten. Aber in welchem Maße haben diese Aktivitäten auch volkswirtschaftliche Auswirkungen?

Das untersuchte eine Studiengruppe des Österreichischen Instituts für Wirtschaftsforschung und der Umweltbundesamt GmbH. Ihre Ergebnisse stellte sie auf der Berliner Recycling- und Rohstoffkonferenz am 19. März 2018 in Berlin vor.

Als Datengrundlage standen zweierlei Daten zur Verfügung. Physische Daten betrafen Aufkommen und die Verwendung von Sekundärrohstoffen, Handelsströme von Sekundärmaterialien sowie Material- und Energieflüsse in Primär- und Sekundärproduktions-Technologie, ausgedrückt in Tonnen. Zur ökonomischen Wertermittlung wurden Wertströme in der Wirtschaft sowie Rohstoffpreise für Primär- und Sekundärrohstoffe herangezogen, gemessen in Euro. Zur Interpretation der Daten wurde ein Ansatz gewählt, der die – rechnerische – Manipulation stoffspezifischer Daten in den Vorleistungsketten der entsprechenden Branchen ermöglichen sollte. Mit seiner Hilfe konnten zum einen Einzeleffekte modelliert und auf ihre Wirkung hin interpretiert werden – sogenannte direkte und indirekte Effekte, induzierte Effekte oder auch erweiterte induzierte Effekte. Zum anderen ließen sich die Recyclingaktivitäten zerlegen und separat betrachten, wie wirkungsvoll Recycling und Einsatz von Sekundärrohstoffen bei geänderten Produktionstechnologien oder vermehrtem Außenhandel mit Sekundärrohstoffen ausfallen.

Eisen & Stahl: 0,21 Prozent fürs BIP

Im Bereich von Eisen- und Stahlrecycling ergaben die Modellberechnungen, dass dessen Bruttowertschöpfung 2014 in Österreich mit 654 Millionen Euro beziehungsweise 0,21 Prozent beim dortigen Bruttoinlandsprodukt (BIP)zu Buche schlug, ebenso mit etwas über 7.000 Beschäftigungsverhältnissen oder 19 Prozent der österreichischen Gesamtbeschäftigung.

Der Gesamteffekt geht auf keinen Technologieschub zurück, da die geänderte Technologiestruktur einen geringeren Arbeitseinsatz in der Sekundärproduktion bewirkte. Gleiches gilt auch für den stärkeren Außenhandel mit Sekundärrohstoffen, da er negativ auf Österreich als Nettoimporteur von Schrott wirkt. Positive Effekte befördern lediglich Recycling und Einsatz von Sekundärrohstoffen, da durch sie der Import von Eisenerz substituiert wird. Das wird auch im Vergleich mit anderen Wirtschaftsbranchen deutlich, wo der Sektor Recycling mit 246 Millionen Euro und 1.615 Beschäftigten weit vor Handel (75 Millionen Euro, 1.200 Beschäftigte) und Bau (46 Millionen Euro, 711 Beschäftigte) rangiert.

0,38 Prozent der Gesamtbeschäftigung

Werden zu Eisen und Stahl auch noch Aluminium, Papier und Glas hinzugenommen, erwirtschaftete die Recyclingindustrie rein rechnerisch einen Effekt für das Bruttoinlandsprodukt von 1,7 Milliarden Euro beziehungsweise 0,52 Prozent. Der Effekt auf den Arbeitsmarkt belief sich auf 14.759 Beschäftigungsverhältnisse oder 0,38 Prozent der Gesamtbeschäftigung. Den größten ökonomischen Nutzen erzielte das Recycling von Eisen, Stahl und Aluminium. Den geringsten Effekt bewirkt Glas aufgrund kleiner Mengen, niedriger Preise und heimischem Verbrauch an Primärrohstoffen.

Die Autoren ziehen daraus den Umkehrschluss, dass die ökonomischen Wirkungen von Recycling umso stärker zu Buche schlagen, je abhängiger die Wirtschaft von Rohstoffimporten ist und je höher die Preise importierter Rohstoffe ausfallen.

Effektiver als andere Dienstleistungssektoren

Wird die Recyclingbranche als „Wasserversorgung, Abwasser- und Abfallentsorgung, Beseitigung von Umweltverschmutzungen“ mit anderen Dienstleistungssektoren verglichen, so liegt ihre Wertschöpfung mit 450 Millionen Euro vor der Branche der Warenherstellung (424 Millionen Euro) und dem Handel (168 Millionen Euro.). Auch was die Effekte auf den Arbeitsmarkt anlangt, führt der Recyclingsektor mit 2.675 Beschäftigungsverhältnissen die Liste an, noch vor dem Handel mit 2.543 und der Sachgütererzeugung mit 1.641. Zu den positiven wirtschaftlichen Effekten der Recyclingbranche zählen zusätzlich – insbesondere bei Metallen, Glas und Papier – die Substitution von Primärmaterialien und die damit verbundene Energieeinsparung, die Reduktion von Abfällen zur Deponierung und Verbrennung sowie die verminderten Emissionen von Treibhausgasen.

Optimierungen möglich

Die Studie kommt somit zu dem Schluss, dass die Recyclingwirtschaft deutlich zu Wachstum, Beschäftigung und Ökologie beiträgt. Dabei zählen insbesondere die Metalle aufgrund der relativ hohen Preise und der Position Österreichs als Nettoimporteur zu den wichtigen wirtschaftlichen Impulsgebern der Recyclingwirtschaft. Freilich ließe sich dieser Sektor noch stärken durch ausgeweitete heimische Recyclingaktivitäten, erhöhte Sammelquoten, gesteigerte Qualität von Sekundärrohstoffen und eine kaskadische Nutzung von Rohstoffen. Auch vermuten die Verfasser eine beginnende dynamische Entwicklung durch Bereiche wie Elektro(nik)abfälle und Kunststoffe, durch Verknappung sowie Preiserhöhungen von Primär- sowie Sekundärmaterialien und durch stetig wachsende Abfallströme aus anthropogenen Lagern.

Der Beitrag beruht auf einem Artikel über „Volkswirtschaftliche Effekte durch Recycling ausgewählter Altstoffe und Abfälle“ in S. Thiel, E. Thomé-Kozmiensky, D. Goldmann (Hrsg.), Recycling und Rohstoffe, Band 11, Neuruppin 2018, ISBN 978-3-944310-40-4.

Foto: Marc Weigert

(EU-Recycling 05/2018, Seite 56)

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