Nicht nur Bio in der Tonne

Die Getrenntsammlung von Biomüll wird ab 2023 in der gesamten EU verpflichtend. Die Verunreinigung des Biomülls mit nicht kompostierbaren Kunststoffen ist aber schon jetzt in etlichen europäischen Staaten ein Problem. Das 30. Kasseler Abfall- und Ressourcenforum stellte am 11. April 2018 Positionen und Lösungsansätze vor.

Laut Hubert Seiringer (KBVÖ Kompost & Biogasverband Österreich) resultieren in Österreich 80 bis 90 Prozent der Störstoffe im Bioabfall aus Kunststofftüten. Die Lösung sieht er in der Kompostierbarkeit von Kunststoff- und Papiertüten. Da dem Verbraucher die Unterscheidung zwischen kompostierbarer, nicht kompostierbarer und teilweise kompostierbarer Verpackung nicht zuzumuten ist, bestehe die einzige Möglichkeit in rückstandslos abbaubaren Einwegtüten. Die nach Seiringer „einzige und höchst logische Ausnahme“ ist der verknotbare und mehrfach nutzbare Beutel für Obst und Gemüse mit der Aufschrift „Bio-Kreislauf-Sackerl“. Dieser Knotenbeutel muss bundesweit ausschließlich aus einem leicht abbaubaren Kunststoff bestehen: ok-compost-home, zertifiziert nach der europäischen Norm EN 13432. Sollten größere Plastikbeutel zur Bioabfallsammlung verwendet werden, müssten auch diese der Norm EN 13432 entsprechen, dürfen aber nicht als „kompostierbar“ oder „abbaubar“ gekennzeichnet sein.

Italien: 61.000 Tonnen BAW

In Italien besteht seit den 1990er Jahren eine Getrenntsammlung von Bioabfällen. Das Sammelsystem basiert auf Biobeuteln aus biologisch abbaubaren Werkstoffen (BAW). Seit 2011 müssen Einwegtragetaschen kompostierbar und gemäß EN 13432 geprüft sowie zertifiziert sein; gleiches gilt seit 2018 für Obst- und Gemüsebeutel. Sie summieren sich im Bioabfall auf 61.000 Tonnen BAW. Außerdem finden sich in den 4,3 Millionen Tonnen italienischer Küchenabfälle 4,9 Prozent Störstoffe, die zu 62 Prozent aus Kunststofffolien und Plastiktüten bestehen, zu acht Prozent aus festen Kunststoffverpackungen und zu 38 Prozent aus biologisch nicht abbaubaren Materialien wie Metallen, Glas, Textilien oder Windeln.

Die 326 Kompostanlagen des Landes – darunter 52 Vergärungs- und Kompostanlagen mit Anaerob-Stufe – können laut einer Studie kompostierbare BAW-Fraktionen vollständig abbauen. Sie sind in der Lage, durch gezielt optimierte mechanische Trennung von Störstoffen aus frischem, stark verschmutzten Bioabfall durch Aufbereitung, Siebung und Verfeinerung die 1,5-fache Menge an Kompost im Vergleich zum verunreinigten Kompost zu gewinnen. Allerdings entstehen durch den „Multiplikatoreffekt“ der Störstoffe Kosten in Höhe von geschätzten 52 Millionen Euro – rund ein Zehntel des Branchenumsatzes. Der italienische Kompost- und Biogasverband (CIC) sucht daher – so die Aussage seiner Mitarbeiter Marco Ricci-Jürgenssen und Massimo Centemero – seit vier Jahren nach Verpackungen, bei denen eine alternative Beschichtung mit BAW vorteilhaft für das Recycling in den bestehenden Behandlungsanlagen sein könnte.

Schweiz: 50 Tonnen Fremdkunststoffe

Bundesweite Zahlen zu Fremdstoff- und Kunststoffgehalten im Bioabfall der Schweizer Bürger gibt es bislang nicht. Jüngste Proben aus Kompostier- und Vergärungsanlagen aus dem Jahr 2017 ließen erkennen, dass der Gesamtfremdstoffgehalt rund fünf Prozent beträgt. Allerdings lagen bei festem Gärgut, auch Gärrest oder Recyclingdünger genannt, 43 Prozent der Proben über dem geforderten Kunststoffgehalt; die Komposte überschritten in zwölf Prozent der Fälle die Vorgaben. Auf die Schweiz hochgerechnet, landen damit jährlich in Gärprodukten und Komposten knapp 80 Tonnen, davon 50 Tonnen Kunststoffe. Zur Reduzierung der Fremdstofffracht schlägt Konrad Schleiss (Umweko GmbH) die Reduktion der Fremdmaterialien schon bei den Sammeldiensten vor und erwähnt dabei das System der Maier & Fabris GmbH. Auch sollten schon vor der Zerkleinerung möglichst viele Störstoffe ausgeschleust werden, beispielsweise durch die Anpassung des Mühlenüberlaufs bei Kompogas-Anlagen. Und schließlich müssten die Möglichkeiten zur Feinaufbereitung am Prozessende verbessert werden, um den Anforderungen der Chemikalien-Risikoreduktions-Verordnung zu genügen: durch optimierte Siebschritte, feinere Siebgrößen und Einsatz optischer Sensoren.

Deutschland: Drei verschiedene Grenzwerte

In Deutschland gelten für den Gehalt an Fremdstoffen in Bioabfällen die Vorgaben der Düngeverordnung: Sie legt für nicht abgebaute Kunststoffe und Folien 0,1 Gewichtsprozent Trockenmasse fest. Die Bioabfallverordnung gibt für Gesamtfremdstoffe, worunter auch verformbare Kunststoffe und Folien fallen, einen Grenzwert von 0,5 Gewichtsprozent Trockenmasse vor. Die Bundesgütegemeinschaft Kompost (BGK) nimmt den Verunreinigungsgrad von Fremdstoff-Flächen als Maßstab, der ab 1. Juli 2018 auf 15 Kubikzentimeter pro Liter feststeht. Nach Ansicht von Bertram Kehres (BGK) können Komposte die bisherigen Grenzwerte sicher einhalten. Werden die rechtlichen Vorgaben und die RAL-Gütesicherung jedoch verschärft, würden die Anforderung an die Abtrennung von Fremdstoffen steigen. Da die Käufer Düngemittel erwarten, die frei oder weitgehend frei von Fremdstoffen seien, müssten die Grenzwerte deutlich unterschritten werden – insbesondere Folienkunststoffe, zumal sie mit dem Grenzwert der Düngemittelverordnung nicht erfasst werden und damit rechtlich zwar als „verkehrsfähig“ gelten, praktisch aber „vollkommen inakzeptabel“ für den Markt sind.

Kompostierung von ‚Biokunststoffen‘: ein Irrweg

Durch Siebung – abhängig von der Maschenweite des Siebs und der Siebfähigkeit des Produkts – und nachgeschaltete Techniken – Windsichter, NIR-Techniken, bestimmte Abscheider und manuelle Sortierung – lassen sich Fremdstoffe weitgehend abtrennen. Selbst bei hohem Aufwand sind der Separierung jedoch auch technische Grenzen gesetzt. Daher muss stärkerer Wert auf die Vermeidung von Fremdstoffen und die Sortenreinheit von Bioabfällen gelegt werden. Zu den Maßnahmen, die das Trennverhalten der Bevölkerung verbessern sollten, zählt Betram Kehres vermehrte Öffentlichkeitsarbeit, bessere Überprüfung des Trennverhaltens bis hin zur Abweisung allzu stark verschmutzter Fraktionen. Ebenso können die Verwerter durch Chargen-, Gebiets- und Behälteranalysen zur Qualitätsverbesserung beitragen.

Was die Frage nach biologisch abbaubaren Werkstoffen anlangt, vertritt die BGK seit 2014 den Standpunkt: „Die Kompostierung von ‚Biokunststoffen‘ ist und bleibt ein Irrweg.“ Ein Positionspapier der Bundesgütegemeinschaft unterstreicht, dass der Begriff der Bioabfall-Sammelbeutel sich ausschließlich auf dünnwandige Beutel beschränkt, die meist aufgerollt zum Abreißen und zum Auskleiden von Vorsortierbehältern angeboten werden. Doch „Einkaufstüten aus Biokunststoffen, die vom Einzelhandel als Tragetaschen mit vermeintlicher ‚Doppelnutzung‘ (das heißt auch zum Sammeln von organischen Küchenabfällen) abgegeben werden, sind damit ausdrücklich nicht gemeint.“ Denn BAW hätten weder für den Behandlungsprozess noch für die Endprodukte irgendwelchen Nutzen. Auch sollte vermieden werden, dass Verpackungen und andere BAW-Produkte als „kompostierbar“ in die Biotonne geraten. „Kompostierbar“ enthalte bereits den Bezug zur Biotonne, auch wenn die Abfallwirtschaft dieses Material dort vielleicht nicht wünscht. Der Begriff „vollständig biologisch abbaubar“ lasse hingegen den Verwertungsweg offen: Die thermische Nutzung dieses Materials sei das „eindeutig höherwertige Verwertungsverfahren“.

Die kompletten Redebeiträge können unter K. Wiemer, M. Kern, T. Raussen (Hrsg.), Bioabfall- und stoffspezifische Verwertung, Witzenhausen 2018, ISBN 3928673769 nachgelesen werden.

Foto: Reinhard Weikert / abfallbild.de

(EU-Recycling 06/2018, Seite 34)