Die novellierte Bioabfallverordnung – grundlegend fehlkonstruiert?

Kurz vor Jahreswechsel, am 29. Dezember 2020, stellte das Bundesumweltministerium den Referentenentwurf zur novellierten Bioabfallverordnung vor. Die vorgenommenen Änderungen sollen „der weiteren Reduzierung des Eintrags von Kunststoffen und anderen Fremdstoffen in die Umwelt bei der bodenbezogenen Verwertung von Bioabfällen“ Vorschub leisten.

Stellungnahmen von Verbänden und Organisationen zeigen, dass die Verordnung diesem Zweck nur bedingt dienen dürfte.

Allein auf Anlagenbetreiber konzentriert
Für den Bundesverband der Deutschen Entsorgungs-, Wasser- und Rohstoffwirtschaft besteht die „grundlegende Fehlkonstruktion“ des Entwurfs darin, „dass er die Erfassung vernachlässigt und sich allein auf die Anlagenbetreiber konzentriert“. Der Verordnungsgeber mache den Anlagenbetreiber allein verantwortlich, jedoch nicht den Abfallerzeuger. In ihrer jetzigen Form dürfte die Verordnung lediglich „erhebliche Investitionen im Anlagenbereich auslösen, ohne dass die ökologischen Ziele erreicht werden“.

Es würden zahlreiche Regelungsmechanismen für die – privaten wie gewerblichen – Erzeuger von Abfällen fehlen. Statt den Anlagenbetreibern erhebliche Investitionen für die Umrüstung der Anlagen aufzubürden, sollte „die Getrenntsammlung quantitativ ausgebaut und qualitativ verbessert“ werden. Um eine sortenreine Verarbeitung sicherzustellen, müssten „umfassende Maßnahmen entlang der gesamten Werkstoffkette von der Erfassung über die verschiedenen Behandlungsschritte bis zur Verwertung erfolgen“.

Abfallschlüssel einführen
Das Hauptanliegen der Neuregelung sollte sein, „die Qualität des Stoffstroms zu verbessern und gleichzeitig die quantitative Erfassung der Bioabfälle auszubauen“. Hierzu zählt für den BDE, den Begriff Bioabfall für den Bereich der kommunalen Siedlungsabfälle endlich klar zu definieren und für den Bereich der gewerblichen Erfassung eindeutige Regelungen hinsichtlich einer getrennten Erfassung verpackter und unverpackter Lebensmittelabfälle einzuführen. Um hier zu einer realistischen und zweckdienlichen Fassung des Geltungsbereichs zu gelangen, sei es zwingend erforderlich, jeweils eigene Abfallschlüssel einzuführen, die im gewerblichen Bereich eindeutig zwischen „verpackt“ und „unverpackt“ unterscheiden.

Maßnahmen und Regelungen vermisst
Auch für den bvse-Bundesverband Sekundärrohstoffe und Entsorgung steht fest, dass die Qualitätssicherung für eine hochwertige stoffliche Verwertung von Biotonnen-Abfällen und Grüngut bereits in der Sammlung beginnen muss. Desgleichen lehnt der stellvertretende Vorsitzende des bvse-Fachverbands Ersatzbrennstoffe, Altholz und Biogene Abfälle, Bernd Jörg, ab, „dass die Verantwortung für eine qualitätsgesicherte Sammlung und Behandlung von Bioabfällen alleine den Anlagenbetreibern aufgelastet wird“. Und ähnlich wie der BDE vermisst der bvse Maßnahmen für eine verantwortungsvollere Bioabfallsammlung ebenso wie verpflichtende Regelungen und Anweisungen an die vorwiegend öffentlich-rechtlichen Erfasser für eine effiziente Reduzierung von Fehlwürfen in der Biotonne.

Maximal drei Gewichtsprozent
Doch hebt der Verband zusätzlich deutlich darauf ab, dass erst einmal Rahmenbedingungen dafür geschaffen werden müssen, „dass Bioabfallbehandlungsanlagen die von ihnen erwartete Fremdstoffgrenze zur biologischen Behandlungsstufe technisch erreichen können“. Denn der im Referentenentwurf vorgesehene Höchstwert für Fremdstoffe von maximal 0,5 Gewichtsprozent (bezogen auf die Trockenmasse) vor der ersten biologischen Stufe könne nur bei Ausgangsmaterial mit nicht zu hohen Fremdstoffanteilen erreicht werden. Um eine qualitätsgesicherte Aufbereitung technisch überhaupt zu realisieren, seien maximal drei Gewichtsprozent vertretbar, während in der Praxis mitunter Bioabfall mit 15 Gewichtsprozent Verunreinigung angeliefert wird.

Somit müsste der Gesamtfremdstoffgehalt für angeliefertes Material aus der Biotonne auf maximal drei Gewichtsprozent begrenzt werden. Darüber hinaus empfiehlt der bvse die Einführung eines „Qualitätssystems mit drei verschiedenen Inputqualitäten“ für die Annahme an der Behandlungsanlage: Schon frühzeitig sollte beim Abfallerzeuger auf die Güte des Materials geachtet und späterer zusätzlicher Behandlungsaufwand vermieden werden.

Behandlungsschritte eindeutig definieren
Der VDMA Fachverband Abfall- und Recyclingtechnik geht mit den anderen Verbänden darin einig, dass die Verantwortung für eine qualitätsgesicherte Sammlung und Behandlung von Bioabfällen nicht allein auf die Anlagenbetreiber übertragen werden darf. Qualitätssicherung müsse bereits beim Abfallerzeuger beginnen und auch die in der Erfassung der Bioabfälle tätigen Akteure mit in die Pflicht nehmen, um gute Ergebnisse zu liefern.

Der Fachverband begrüßt die neue Begriffsbestimmung „Aufbereitung“, schlägt jedoch eine Unterteilung in „Voraufbereitung“, „Hygienisierende oder biologisch stabilisierende Behandlung“, „Nachaufbereitung“ und „Veredlung“ vor. Zum einen müssten diese Behandlungsschritte eindeutig definiert und beschrieben und zum anderen die Prozessschritte aufeinander angepasst werden. Bei Anlieferung sollte eine schonende Gebindeöffnung vorgenommen werden, bei der es zu vermeiden gilt, „dass es zu einer signifikanten Zerkleinerung der Fremdstoffe kommt, was das Ziel einer effizienten Fremdstoffentfrachtung unnötig erschwert“.

Nachbereitung erforderlich
Die erforderliche Reinheit könne ohnehin nur durch eine Nachbereitung erreicht werden. Dabei müsse jedoch die Zusammensetzung des Eingangsmaterials betrachtet werden, sodass angesichts schlechter und vor allem wechselnder Inputqualitäten das in der Novelle gesteckte Ziel von 0,5 Prozent an Fremdstoffen für „technisch sehr ambitioniert“, gleichwohl für „wirtschaftlich kaum umsetzbar“ gehalten wird. In diesem Zusammenhang begrüßt der Fachverband, „dass unter § 3c Absatz 2 die Vermeidung von Kunststoffen als Fremdstoff in Bioabfällen explizit Eingang gefunden hat“ und eine Unterscheidung von Hartkunststoff und Folien getroffen wurde.

Kontrollwert statt Höchstwert
Die Deutsche Gesellschaft für Abfallwirtschaft verfasste zusammen mit dem Arbeitskreis zur Nutzung von Sekundärrohstoffen und für Klimaschutz die ausführlichste Stellungnahme. Darin wird das Ziel der Reduzierung und der Vermeidung von Kunststoffeinträgen in Böden ausdrücklich unterstützt. Doch erfahren etliche Regelungsinhalte des Referentenentwurfs kritische Bewertungen. So wird die Einhaltung eines 0,5-prozentigen Fremdstoff-Kontrollwerts als „technisch und juristisch völlig falsch angesetzt“ eingestuft und ein „Höchstwert“ von drei Prozent bezogen auf Frischmasse als Minimum angesehen.

DGAW und ANS schlagen vielmehr einen „Fremdstoff-Kontrollwert“ von drei Prozent für Glas, Metalle und Kunststoffe oder einen reinen „Kunststoff-Kontrollwert“ von einen Prozent vor. Diese Werte finden Anwendung in einem 3-Qualitäts-Stufenmodell für die Biotonne, wobei Stufe I direkt verarbeitungsfähigen Bioabfall mit < 1 Prozent Fremdstoffanteilen umfasst, Stufe II Abfälle < 3 Prozent an Fremdstoffanteilen mit deren Entfrachtung über den gesamten Behandlungsprozess bis zum abgabefertigen Produkt bezeichnet und Stufe III solche mit einem Fremdstoffanteil größer als drei Prozent mit dem Recht auf Rückweisung bei der Annahme definiert.

Nur „anzustrebendes“ Ziel
Zu weiteren Kritikpunkten gehört, dass die Ungleichbehandlung von Anlieferungen bei Nassverfahren gegenüber Trockenverfahren sachlich nicht geboten erscheint. Bemängelt wird, dass Bioabfallbehandler in komplexe prozesstechnische Vorbehandlungsverfahren investieren müssen, ohne das Biotonnenmaterial und den tatsächlichen Wirkungsgrad der reinen Fremdstoff-Abtrennung zu kennen und Entsorgungssicherheit für sortenunreines Biotonnenmaterial gewährleisten zu können. Daher seien „Maßnahmen der verbesserten Bioabfallsammlung an der Anfallstelle und bei der Sammlung zeitnah und vollumfänglich umzusetzen“.

Die novellierte Verordnung liefert dazu jedoch nur unkonkrete Maßnahmenvorgaben und fehlende Rechtsverbindlichkeit: Laut DGAW-/ANS-Stellungnahme werden Konzepte für die Sammlung unbestimmt gelassen und nur als „anzustrebendes“ Ziel definiert, während nur die Vorgaben zur Fremdstoffentfrachtung für die Vorbehandlung konkret angesetzt sind. Erforderlich seien daher beim Abfallerzeuger wie auch beim Abfallsammler „eine verstärkte Abfallberatung, eine regelmäßige Biotonnenkontrolle und eine behördliche Überwachung der Wirksamkeit der Maßnahmen“. Werden die Anforderungen nicht erfüllt, kann die zuständige Behörde den Abfallbesitzer von der Getrenntsammlung ausschließen.

Anwendungsbereich ausgeweitet
Schließlich – erklärt die Stellungnahme – werde der Anwendungsbereich der Verordnung auf alle Flächen zur Aufbringung von Kompost- und Gärprodukten ausgeweitet, greife damit unangemessen auf die Akzeptanz und Verwendung von darin enthaltenen Erden und Substrate ein und beeinträchtige damit die Vermarktungsfähigkeit von Bioabfallprodukten. Dadurch „konterkariert eine pauschalierte Ausweitung des Anwendungsbereichs der BioAbfV auf fast alle bodenbezogenen Maßnahmen des Garten-/Landschaftsbaus und der Erden-/Substratindustrie die bisherigen Erfolge zum Einsatz von qualitativ hochwertigen Kompostprodukten“ in diesen Bereichen.

Ziele nur durch Änderungen erreichbar
Mittlerweile herrscht in der Branche die einhellige Meinung vor, „dass die Ziele der neuen Bioabfallverordnung nur durch Änderung wesentlicher Passagen in der Novelle zu erreichen sind“. Gemeinsam mit den genannten Organisationen vertreten auch die Arbeitsgemeinschaft stoffspezifische Abfallbehandlung (ASA), der Fachverband Biogas sowie der Verband der Humus- und Erdenwirschaft (VHE Nord) die Ansicht, dass im wesentlichen vier Sachverhalte berücksichtigt und angepasst werden müssen.

Zum einen fordern sie, dass die Verantwortung für die Güte der Endprodukte auf alle Schultern verteilt sein muss, indem auch private und gewerbliche Abfallerzeuger und die in der Erfassung tätigen Akteure eingebunden werden. Zweitens müsse die Novelle die technische Machbarkeit von Behandlungsverfahren im Auge behalten, weshalb vor einer biologischen Behandlung zusätzlich Qualitätsstufen für die Sammlung einzuführen seien. Drittens sehen die Organisationen die Notwendigkeit von Chargenanalysen vor, die die unterschiedlichen Zusammensetzungen von Biogut in drei Qualitätsstufen berücksichtigen sowie vor der ersten biologischen Behandlung ein Konzept zur Kontrolle des Gesamtkunststoff-Gehalts verfolgen. Und schließlich müsse gesichert sein, dass sich der Output auch im Garten- und Landschaftsbau – zu bezahlbaren Konditionen – verwerten lässt, um den teils erheblichen Aufwand kleiner und mittelständischer Unternehmen durch Untersuchungs- und Dokumentationspflichten auszugleichen.

Zählt man die Kritikpunkte und Einschätzungen der Verbände und Gesellschaften zum Entwurf einer novellierten Bioabfallverordnung zusammen, so trifft sicherlich die Beurteilung des BDE zu: Das Papier sei „unzureichend und in dieser Form nicht umsetzbar“.

(Erschienen im EU-Recycling Magazin 03/2021, Seite 23, Foto: Harald Heinritz / abfallbild.de)

 

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