Reduce – Reuse – Recycle

Vom Bedürfnis zu Fast Fashion: Der richtige Umgang mit Kleidung wird wichtiger, verdeutlichte Rainer Binger, Geschäftsführer FWS GmbH / Boer Group, im Interview.

Herr Binger, Textilrecycling gilt wahrscheinlich als die älteste Form der Wiederverwendung. Wie unterscheidet sich die Branche von anderen Bereichen der Abfallwirtschaft?

Wir unterscheiden uns durch unser Sammelgut und die Herangehensweise. Ausgediente Kleidung ist seit jeher weitergegeben, gesammelt und verwertet worden. Das liegt an ihrer Wertigkeit. Abgelegte Klamotten sind ja in vielerlei Hinsicht wertvoll: ökologisch, ökonomisch und emotional. Was wir auf der Haut tragen, liegt uns am Herzen. Das ist mit Altpapier und Altglas nicht zu vergleichen. Und schon immer ist die Sortierung reine Handarbeit. Auf absehbare Zeit wird keine Maschine das geübte Auge einer Sortiererin ersetzen können – denn es geht neben der Tragfähigkeit auch um die Marktfähigkeit. Ziel unseres Handelns ist eine möglichst hohe Quote von Bekleidung, die ohne weitere Verarbeitung einen neuen Liebhaber findet. Darin sind wir sehr gut.

Textilrecycling ist also ein gut funktionierendes System?

Mit saisonalen Schwankungen bisher schon, aber dieses System ist in Gefahr. Mit dem veränderten Konsumverhalten und dem weltweiten Handel haben sich die Rahmenbedingungen dramatisch verändert. Der Trend zu „Fast Fashion“ ist gerade bei jungen Menschen ungebrochen. Laut einer Greenpeace-Studie hat sich in den letzten 14 Jahren die Produktion verdoppelt, und die Bekleidung wird nur noch halb so lang getragen. Die Hersteller bringen inzwischen bis zu 27 Kollektionen pro Jahr auf den Markt. Zu immer niedrigeren Preisen. Das geht nur mit immer schlechterer Qualität. Wir sehen uns einer Flut von Billigware ausgesetzt. Diese Ware lohnt den Sortieraufwand kaum noch. Aber 70 Prozent der Weltbevölkerung kleidet sich mit Second-Hand-Ware. Dieser enorme Bedarf zielt allerdings immer stärker auf hochwertige Kleidung – und dies steht in Diskrepanz zum Konsum und letztendlich zu dem, was wir sammeln. Mit billiger „Fast Fashion“ tragen wir Kleidung ohne Verantwortung.

Wohin muss sich aus Ihrer Sicht das Textilrecycling entwickeln?

Wir müssen das Thema breiter aufstellen. In den letzten Jahren lag der Fokus auf den ökologischen und sozialen Bedingungen bei der Herstellung von Kleidung. Das ist gut und richtig! Aber wir müssen auch die andere Seite sehen, den Konsum. Die Weltnaturschutzunion (IUCN) hat die neuesten Zahlen zur Verschmutzung der Meere mit winzigen Mikroplastikteilen veröffentlich. Bis zu 1,5 Millionen Tonnen Mikroplastik landen demnach in den Ozeanen. Allein ein Drittel davon kommt aus dem Waschvorgang synthetischer Textilien. Ursache Nummer 1 für die Verschmutzung durch sogenannte primäre Mikroplastikteile ist somit synthetische Kleidung. Wir kommen um einen sorgfältigen Umgang mit Kleidung also nicht herum.

Welchen Einfluss hat dies auf Ihre Arbeit?

Rainer Binger (Foto: FWS GmbH)

Dem unserer Tätigkeit zugrundeliegenden Kreislaufwirtschaftsgesetz muss eine hochwertige Verwertung erfolgen. Das bedeutet, Textilien müssen so sortiert werden, dass die Lebensdauer der mit kostbaren Rohstoffen hergestellten Waren verlängert wird. Da sind wir traditionell gut aufgestellt. Zukünftig geht es zusätzlich immer mehr um die Erzeugung eines möglichst sortenreinen Rohstoffes zur stofflichen Verwertung und zum Erhalt im Kreislauf. Die Boer Gruppe ist bereits einen weiten Weg gegangen: vom Lumpensammler über die karitativen Sammlungen zum Verwertungspartner kommunaler Sammlungen bis zum stark ökologischen Blick auf die textile Verwertung.

Mit der „Boer Group Recycling Solutions“ haben wir eine Unternehmung gegründet, die sich ausschließlich mit neuen Wegen des Textilrecyclings beschäftigt. Das ist unser Invest in die Zukunft des Faserrecyclings und anderer Recyclingsysteme. Ein „weiter so“ können wir uns sowieso in dieser Branche nie erlauben. Unsere Existenz und alle Produkte basieren auf sechs Ressourcen: Wasser, Luft, Gas, Kohle, Öl und Mineralien. Diese sind alle endlich. Insofern gilt es, Abfall als siebte Ressource zu erkennen und vor allem sinnvoll zu nutzen – denn diese kann wieder und wieder genutzt werden, ganz nach dem Motto: Reduce – Reuse – Recycle und auch bald Reknite.

Quelle: FWS GmbH, Foto: FWS GmbH

(EU-Recycling 08/2018, Seite 12)

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