Eine recycling-orientierte Abfallwirtschaft ist ein Job-Motor

„Eine Erfassung der Abfallwirtschaft in den Wirtschaftsstatistiken wurde lange vernachlässigt“, kritisierte Roland Pomberger auf der Berliner Recycling- und Rohstoffkonferenz am 11. März. Der Lehrstuhlleiter Abfallverwertungs­technik und Abfallwirtschaft an der Montanuniversität Leoben untersuchte und präsentierte daher selbst, welche Beschäftigungseffekte sich mit einer optimierten Restabfallbehandlung erzielen lassen.

Die europäische Abfallwirtschaft schafft Arbeitsplätze. Im Jahr 2015 beschäftigten 20.000 Abfallsammler 527.000 Mitarbeiter, waren bei 7.000 Abfallbehandlern 203.000 Mitarbeiter tätig, und hatten 20.222 Recyclingunternehmen 189.204 Mitarbeiter unter Vertrag. Diese über 900.000 Mitarbeiter stellten damit 0,4 Prozent der in der EU Beschäftigten dar und schufen 0,4 Prozent des EU-Bruttoinlandsprodukts. Einer EU-Studie über die Wirkungen der Circular Economy auf den Arbeitsmarkt zufolge steigert sie die Zahl der in der EU Beschäftigten um insgesamt 700.000 Stellen beziehungsweise 0,3 Prozent, woran der Abfallwirtschaftssektor mit rund 660.000 zusätzlichen Arbeitsplätzen den Löwenanteil hat. Von 2015 bis 2030 rechnet die Studie mit einer 51,6-prozentigen Steigerung der Beschäftigtenzahlen im Abfallsektor und einer 0,25-prozentigen Zunahme an der EU-Gesamtbeschäftigung.

Wie viele Stellen werden benötigt?

Die Nicht-Beachtung von Abfällen und ihr industrieller Stoffkreislauf unterscheiden sich in der Zahl der Arbeitsschritte und der dafür notwendigen Mitarbeiter. Mit den Worten von Roland Pomberger ausgedrückt: „Je differenzierter die Sammlung und Behandlung von Siedlungsabfällen erfolgt, umso höher ist auch der Bedarf an Arbeitsplätzen.“ Was die Frage aufwirft, wie viele Beschäftigte die Sammlung, Transport und Behandlung einer bestimmten jährlichen Menge Restabfall benötigt und worin die Unterschiede verschiedener abfallwirtschaftlicher Systeme liegen.

Dazu wurden vier typische Systeme ausgewählt: 1. die ungeordnete Deponierung, 2. die reine Abfallverbrennung, 3. die mechanisch-biologische Behandlung mit den vier Varianten plus Verbrennung, plus Verbrennung und Zementwerk, plus Zementwerk und plus Trockenstabilisierung, Verbrennung und Zementwerk, sowie 4. die verbesserte getrennte Sammlung mit zwei Untermodellen, die auf einer Benchmark-Studie beziehungsweise einem Best-Practice-Projekt aus Vorarlberg basieren. Der Vergleich dieser Modelle ergab im Bereich der Sammlung eine weitgehende Übereinstimmung von 90 Arbeitsplätzen, während sich die Transporte meist im Bedarf zwischen 18 bis 27 Arbeitsplätzen bewegten. Die größten Unterschiede bestehen im Personalaufwand für den Anlagenbetrieb, der sich bei der ungeordneten Deponierung auf fünf, der reinen Abfallverbrennung auf knapp 28, den mechanisch-biologischen Behandlungsarten auf 26 bis 38 und den beiden Modellen der verbesserten getrennten Sammlung auf 54 beziehungsweise 62 beläuft.

91.000 zusätzliche Arbeitsplätze

Im direkten Vergleich der Modelle beim Input von 100.000 Jahrestonnen – die übereinstimmenden Arbeitsplätze für die Sammlung herausgerechnet – unterscheidet sich die verbesserte getrennte Sammlung nach dem Vorarlberger Best-Practice-Projekt von der ungeordneten Deponierung um 86,4 Arbeitsplätze, von der reinen Verbrennung um 60,6 Arbeitsplätze. Auf die gesamte EU umgerechnet, bedeutet die Umstellung von Deponierung und reiner Verbrennung auf differenziertere Behandlung von Siedlungsabfällen ein zusätzliches Beschäftigungspotenzial von 51.000 und 40.000, insgesamt also 91.000 möglichen Arbeitsplätzen. In dieser Kalkulation sind (neben Restmüll) keine anderen Abfallströme oder ergänzende Dienstleistungen enthalten, die zweifellos vorhanden sind: So wird für 100.000 Tonnen bei einer Ausschleusung von nur einem Prozent zur Re-Use-Behandlung mit einer Zunahme von 40 bis 75 Arbeitsplätzen gerechnet. Zu den direkten Effekten der Umstellung auf andere Entsorgungsmodelle – unmittelbare Investitionen – schließen sich weitere indirekte Effekte – durch Ausgaben für Fahrzeuge, Maschinen und Baumaterialen sowie zusätzliche Dienstleistungen – an, nicht zu vergessen andere induzierte Effekte wie die Steigerung der durchschnittlichen Konsumleistung. Eine Hochrechnung besagt, dass für Österreich eine recyclingoptimierte Abfallwirtschaft neben 900 direkten 700 indirekte und induzierte Arbeitsplätze schaffen könnte. Für Rumänien mit einer überwiegend auf Deponierung ausgelegten Abfallwirtschaft kämen durch eine Optimierung zu 3.050 neuen auch 550 indirekte und induzierte Arbeitsplätze hinzu. In Europa würde – bei einer Deponierungsrate von 25 Prozent – der Arbeitsmarkt um die erwähnten 91.000 Arbeitsplätze sowie 49.000 zusätzliche indirekte und induzierte Stellen erweitert.

Zusätzliche Anstrengungen vonnöten

Die dazu erforderliche Umstellung von Deponierung und Verbrennung auf verbesserte getrennte Sammlung von Restmüll kommt allerdings nicht von alleine. Zwar hat sich die europäische Abfallwirtschaft im Laufe der letzten zwanzig Jahre von einer Region, die hauptsächlich auf Deponierung zurückgriff, zu einem Staatenverbund entwickelt, dessen Spitzen zunehmend stärker auf Recycling und Verbrennung setzen oder es anstreben. Dennoch gibt es weiterhin eine Reihe von Ländern, die noch auf Deponierung setzen und noch einen weiten Weg vor sich haben, um die angezielte EU-Recyclingquote von 65 Prozent zu erreichen. Um die Lücke zu schließen, benötigt selbst Österreich bis 2035 ein Recycling von zusätzlich rund 400.000 Tonnen Restmüll pro Jahr. Daraus ergibt sich – wie Pomberger auf den 16. Münsteraner Abfallwirtschaftstagen am 12. Februar ausführte – die Notwendigkeit, Wertstoffe schon vor der Müllverbrennung abzuschöpfen, den Fokus auf gemischte Siedlungsabfälle zu lenken, für eine stärkere Getrenntsammlung, bessere Sortierung und mechanische Behandlung einzutreten und neue Sortiertechniken einzusetzen. Dann werde eine recycling-orientierte Abfallwirtschaft zum „Job-Motor“.

Die vollständigen Artikel sind nachzulesen im gerade erschienenen Tagungsband Recycling und Rohstoffe, Band 12, hrsg. von Stephanie Thiel, Olaf Holm, Elisabeth Thomè-Kozmiensky, Daniel Goldmann und Bernd Friedrich, Neuruppin 2019, ISBN 978-3-944310-46-6 und im Band 18 der Münsteraner Schriften zur Abfallwirtschaft, hrsg. von Sabine Flamme, Klaus Gellenbeck, Vera Susanne Rotter, Martin Kranert, Michael Nelles und Peter Georg Quicker, Münster 2019, ISBN 978-3-9811142-7-0.

Foto: EU-R Archiv

(EU-Recycling 04/2019, Seite 24)

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