Textilien: Abfallrahmenrichtlinie soll modifiziert werden
Es sei eine Besonderheit, dass die EU-Kommission nur für einen Teil einer Richtlinie gezielte Änderungen vorschlägt. Denn es gehe nicht um die gesamte Abfallrahmenrichtlinie, sondern nur um den Schwerpunkt Textil- und Lebensmittelabfälle. Das erklärte Julia Blees, Policy Director bei EuRIC, zu Beginn einer online-Info-Veranstaltung der Gemeinschaft für textile Zukunft Ende August.
Die Expertin gab zunächst Auskünfte über den Anwendungsbereich der neuen Richtlinie, insbesondere darüber, welche Hersteller, Importeure und Händler davon betroffen sind. Sie erläuterte, dass Kleinstunternehmer, selbstständige Schneider und In-Verkehr-Bringer gebrauchter Textilien von der erweiterten Herstellerverantwortung ausgenommen sind. Sie stellte auch den Anhang IVc vor, der den sachlichen Anwendungsbereich für bestimmte Textilien genauer festlegt.
Auch Recycling wird gebührenpflichtig
Als Besonderheit bei den Gebühren für die Behandlung von Alttextilien und -schuhen fällt auf, dass auch das Recycling und unverkaufte, nicht zerstörte Konsumgüter kostenpflichtig werden. Unsicherheiten ergeben sich daraus, dass die Gebühren der Ökomodulation unterliegen – der Umweltleistung von Textilien im Sinne der Ecodesign for Sustainable Products Regulation (ESPR) angepasst. Was die Organisation zur Umsetzung der Richtlinie anlangt, muss jeder EU-Mitgliedstaat die Hersteller zur Einrichtung einer separaten Producer Responsibility Organisation (PRO) verpflichten. Jede PRO soll ein getrenntes Sammelsystem für Alttextilien installieren, Verbraucherinformationen zur Verfügung stellen und gegebenenfalls ab 2025 für die Getrenntsammlung von Alttextilien sorgen.
In allen Mitgliedstaaten soll die Erweiterte Herstellerverantwortung EPR 30 Monate nach Inkrafttreten der überarbeiteten Abfallrahmenrichtlinie anwendbar sein. Angenommen, dass in einem Jahr die Richtlinie verabschiedet würde, wäre sie nach Veröffentlichung im Gesetzblatt und Inkrafttreten 30 Monate später auch in jenen Mitgliedländern gültig, die bislang noch kein EPR-System installiert haben. Bislang haben es nur Frankreich und die Niederlande; Schweden arbeitet daran. In jedem Fall müssen Alttextilien ab Januar 2025 getrennt werden.
Abfall oder Produkt?
Weitere wichtige Punkte für Julia Blees bestehen darin, dass gemeinnützige Organisationen bei der Wahl der Standorte für die getrennten Sammelstellen bevorzugt behandelt werden sollen. Nach der Sortierung – je nachdem, ob für Wiederverwertung oder fürs Recycling – müssen Produkte End-of-Waste-Kriterien entsprechen. Und die Verbringung von Alttextilien als Abfall oder als Produkt unterliegt jeweils bestimmten Vorausetzungen und besonderen Aufzeichnungspflichten.
Dennoch bestehen aus Sicht der Expertin noch Unklarheiten. Es gibt – wenn auch erklärlich aus der dürftigen Faktenlage – keine spezielle Quotenregelung für Wiederverwendung und Recycling von Alttextilien. Sie vermisst eine Definition für gemeinnützige Organisationen. Der Umfang des sachlichen Anwendungsbereichs erscheint ihr noch zu diffus. Und zur Gebührenfestlegung, die der Ökomodulation unterliegt, seien aufgrund der ESPR noch keine Aussagen zu treffen.
Es bleiben offene Fragen
Unter der Gesprächsleitung von Agnes Bünemann, die für die fachliche Begleitung der Gemeinschaft für textile Zukunft verantwortlich zeichnet, kamen weitere offene Fragen zur Sprache. So wurde unter anderem das Fehlen von Aussagen zur Behandlung von Matratzen und Teppichen bemängelt. Gleiches gilt für Schuhe, die nach wie vor hauptsächlich in der thermischen Verwertung enden, solange es kein Recycling gibt. Quoten sollten länderspezifisch durch Gesetzgebung festgelegt werden; dennoch bestimmt die EU die Quoten, auch wenn diese dann nicht erreicht werden. Allerdings sind in der jetzigen Richtlinie keine Quoten angegeben, und es wird sie vermutlich vorläufig auch nicht geben. Und die Frage wurde breit diskutiert, wie die Getrenntsammlungs-Pflicht der Kommunen und die EPR-Pflicht der PRO zukünftig zusammenpassen werden.
Es wird spannend bleiben, welche Spielräume die Abfallrahmenrichtlinie offen lässt und wie diese national genutzt werden.
(Erschienen im EU-Recycling Magazin 10/2023, Seite 8, Foto: O. Kürth)