Indischer Abfall- und Recyclingmarkt bietet Chancen für deutsche KMU
Interessante Vorträge, gute Gespräche und die Möglichkeit zum Aufbau eines Netzwerkes zum indischen Abfall- und Recyclingmarkt erwarteten die Teilnehmer am 25. September in der Bundesgeschäftsstelle des bvse in Bonn.
Mehr als 50 Vertreter von interessierten Unternehmen, Verbänden und der Wissenschaft kamen zu einer Informationstagung über den indischen Abfall- und Recyclingmarkt zusammen, die der Bundesverband mittelständische Wirtschaft e.V. (BVMW), im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWi) in der Bonner bvse-Zentrale veranstaltete. Die Informationsveranstaltung ist Bestandteil der Exportinitiative Umwelttechnologien und wurde im Rahmen des BMWi-Markterschließungsprogramms für KMU durchgeführt.
Konsulin Ruby Jaspret war eigens vom indischen Konsulat in Frankfurt angereist und referierte über die aktuellen wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen in Indien. Die vorgestellten Eckpunkte der „Smart City“-Strategie der Regierung verdeutlichten das Potenzial, dass der Wachstumsmarkt Indien für die Entwicklung neuer geschäftlicher Kontakte bietet.
Noch sehr viel Luft nach oben
Nach der Begrüßung durch die Leiterin Internationale Märkte des Bundesverband mittelständische Wirtschaft (BVMW), Dorothea Mertes, stimmte bvse-Hauptgeschäftsführer Eric Rehbock die Teilnehmer mit Eckdaten zu Abfallaufkommen und Entsorgungsstrukturen auf die Tagung ein: Der Vielvölkerstaat Indien gehört mit einer Fläche von 3.287.500 Quadratkilometern zu den zehn größten Ländern der Erde. Rund 1,4 Milliarden Menschen leben dort. Nach dem „Planning Commission Report“ von 2014 produzieren in Indien 377 Millionen Menschen in den städtischen Gebieten 62 Millionen Tonnen an Siedlungsabfällen pro Jahr. Weiteren Schätzungen zufolge liegt der Siedlungsabfallanteil pro Einwohner und Jahr bei 185 Kilogramm. Zudem fallen in der Republik jährlich 1,85 Millionen Tonnen Elektroschrott, über 7,5 Millionen Tonnen Sonderabfälle und circa 716 Millionen Tonnen Bauabfälle an.
Zu nationalen Abfallerfassungsmengen, Deponierungsraten und Verwertungsanteilen liegen hauptsächlich Schätzungen vor. Diese zeigen aber, dass es bei der Ausgestaltung der Entsorgungs- und Verwertungswege noch viel Luft nach oben gibt. Während geschätzt nur fünf Prozent der Abfälle in die stoffliche Verwertung und zwei Prozent in die thermische Behandlung gehen, wird der überwiegende Teil der gesammelten Abfälle deponiert. Mit hohen Umwelt- und Klimabelastungen und entsprechendem Gefährdungspotenzial für die Bevölkerung. Obwohl in Städten gebührenpflichtige kommunale Strukturen zur Abfallerfassung existieren, wird ein großer Anteil der werthaltigen Abfälle und recycelbaren Fraktionen durch den privaten und den informellen Sektor gesammelt und sortiert. Im ländlichen Raum sind Abfall- und Entsorgungsstrukturen nach wie vor Mangelware.
Fünf-Jahres-Kampagne
Im Oktober 2014 startete der indische Premierminister Narendra Modi die Kampagne „Swachh Bharat“ mit dem Ziel, die Infrastruktur sowie die Umwelt- und Entsorgungssituation für die Bevölkerung zu verbessern. In dem Fünf-Jahres-Programm von 2014 bis 2019 sollten allein 99 Millionen Euro in die Abfallwirtschaft investiert werden, informierte Brijesh Patel, Head of Working Group India der German RETech Partnership, Berlin. Die Mittel sollten unter anderem zum Aufbau systematischer Strukturen zur Entsorgung, Wiederverwendung und dem Recycling fester Siedlungsabfälle verwendet werden.
Dass es starke Bestrebungen zum Aufbau einer nachhaltigen Abfallbewirtschaftung in Indien gibt, erklärte der Gründer und Präsident des National Solid Waste of India (NSWAI), Amiaya Kumar Sahu. Zum Aufbau und zur erfolgreichen technoökonomischen Umsetzung entsprechender Projekte sei es jedoch unerlässlich, eigene Daten- und Informationsstrukturen aufzubauen, so Sahu.
Ressourcenverbrauch von Wohlstandsentwicklung entkoppeln
Das Wissen um die Kreislaufführung von Stoffen hat das Potenzial zum Erfolgsfaktor für die deutsche Entsorgungswirtschaft im Ausland, machte Dr. Armin Vogel, Vorstandsvorsitzender der German RETech Partnership und CEO Waste Management & Recycling von SSI Schäfer, in seinem Vortrag deutlich.
Die Bevölkerung in Indien wächst pro Monat um eine Million Menschen an. Das Bevölkerungswachstum und die wirtschaftliche Entwicklung der neuen Märkte erzeugen – nicht nur in Indien – einen enormen Ressourcenbedarf. Um diesen nachhaltig zu decken, bedarf es einer Entkoppelung des (Primär-)Ressourcenverbrauchs von der Wohlstandsentwicklung. Der Aufbau stabiler Entsorgungs- und Recyclingstrukturen ist zur Deckung der steigenden Rohstoffnachfrage, aber auch für den Schutz der Umwelt unumgänglich, hob Dr. Vogel hervor. Der Slogan der Abfallwirtschaft müsse lauten: Rest to Energy – nicht Waste to Energy, betonte der Experte.
Unternehmenserfahrungen – was Experten raten
Neben möglichen Geschäftschancen kamen aber auch wichtige Hinweise zu Finanzierung und Risikoabsicherung für Investitionen auf dem Wachstumsmarkt Indien zur Sprache. Iris Winkler, Spezialistin bei der Beratung im Zusammenhang mit Indien-Investitionen bei Indian German Business Group, PwC, ging in ihrem Vortrag sowohl auf steuerliche Gestaltungsmöglichkeiten, als auch auf zu vermeidende Fallstricke bei Investitionsvorhaben auf dem indischen Markt ein. Ergänzend erläuterte Eva Strupp (Euler Hermes) Grundlagen und Voraussetzungen für Risikoversicherungen und Finanzierungen mit den Exportgarantien des Bundes.
Im Rahmen der Veranstaltung kamen auch Unternehmen zu Wort, die bereits Erfahrungen auf dem indischen Recycling- und Entsorgungsmarkt gemacht haben. So berichtete Dipl.-Betriebswirtin Stephanie Gundlage, CFO/Gesellschafterin von econ industries services GmbH, über die Erfahrungen ihres Unternehmens mit dem Markteintritt in Indien, die dieses in zwei erfolgreich durchgeführten Projekten sammeln konnte. Auf ein komplexes Steuersystem, lange Klärungszeiträume bei der Abstimmung mit den Kunden, nicht zuletzt auch aufgrund von Sprachbarrieren, müssen sich marktinteressierte Unternehmen einstellen und vor allem im Hinblick auf Kosten den Projektzeitrahmen fest im Auge halten, so der Rat der econ-Expertin.
Türöffner für neue Märkte
Die Informationsveranstaltung zur Abfall- und Recyclingwirtschaft in Indien im Rahmen des Markterschließungsprogramms für KMU (MEP) ist nur eine von vielen Modul-Maßnahmen, mit dem das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) deutsche Unternehmen bei ihrem Einstieg in Internationale Märkte unterstützt. Die Bandbreite projektbezogener Maßnahmen als Türöffner für neue Märkte wurde durch die Ausführungen von Dr. Evelyn Mros (Geschäftsstelle Markterschließung beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle) deutlich.
Unterstützung von Technologietransfer bietet auch die deutsche Kontaktstelle NDE Germany, die im Rahmen des Technologiemechanismus der UNFCCC im BMWi seit 2016 etabliert wurde. Neeta Sharma und Dietram Oppelt vom Team der NDE Germany gaben den Teilnehmern einen Überblick zu den Aktivitäten der Geschäftsstelle in Deutschland, dem Klimanetzwerk in Indien sowie bestehenden Potenzialen für deutsche Unternehmen in der indischen Abfallwirtschaft, hier vor allem im Bereich Elektro(nik)schrott.
(EU-Recycling 11/2019, Seite 24, Foto: Wikimedia / TheodoreIndiana)