Waste-to-Energy: Wiener Kongress brachte auf den aktuellen Stand -Teil 1-
Internationale Entwicklungen, Abfallverbrennung und alternative Verfahren hießen die Hauptthemen des IRRC Waste-to-Energy-Kongresses Mitte Oktober 2019 in Wien. Wie stets, erschien pünktlich zum Kongress auch diesmal ein Tagungsband. Die Beiträge des knapp 800 Seiten starken Kompendiums werden im Folgenden – sozusagen druckfrisch – in Kurzmeldungen vorgestellt.
Als Gesellschaft stellen wir uns im Jahr 2035 eine gut funktionierende Kreislaufwirtschaft vor, in der qualitatives Recycling sich stetig steigert und Deponierung auf ein Minimum begrenzt ist. Waste-to-Energy wird darin – zunehmend Ressourcen-effizienter geworden – eine essenzielle Funktion besitzen und bis 2035 als ein Wegbereiter der Kreislaufwirtschaft anerkannt sein. +++ WtE kann dazu in drei wesentlichen Aktionsfeldern beitragen: durch Hygienisierung von Restabfällen minderer Qualität; durch Energie-Rückgewinnung für Strom, Wärme und Kühlung, die zunehmend auch gespeichert und transportiert werden kann; und durch Rückgewinnung von Mineralien und Metallen aus Schlacke. WtE-Anlagen werden deshalb zukünftig zusammen mit Recycling-Einrichtungen in Abfallwirtschafts-Zentren integriert sein. +++ Im Mai 2014 startete offiziell die Revision der Best Available Techniques Reference Documents (BREF) Müllverbrennung. Die im Juli 2019 von der EU-Kommission ausgearbeitete Vorlage wird einen gewissen Einfluss auf neue und bestehende Verbrennungsanlagen in Europa haben.
Die WtE-Anlage als Projekt
Um das Projekt einer WtE-Anlage zu starten, müssen als Voraussetzungen die Errichtung rechtlich möglich sein, die regionale Abfallwirtschafts-Planung sollte den Bau einer Anlage vorsehen oder zumindest nicht ausschließen, und die Eigentümerschaft für Kommunalabfälle muss juristisch geklärt sein. Doch auch nach Berücksichtigung von Interessenvertretern, technischem Ansatz, Finanzierung und Genehmigungen sind die ersten Phasen ausschlaggebend und eine erfolgreiche Beendigung des Projekts keineswegs sicher. +++ In der WtE-Branche ist die Teilnahme des privaten Sektors über Public Private Partnerships (PPP) oder Private Finance Initiatives (PFI) ein gängiges Geschäftsmodell. Dabei gibt es mehrere überzeugende Kooperationsformen: den Build-Operate-Transfer (BOT), den Build-Own-Operate-Transfer (BOOT), das Design-Build-Finance-Operate (DBFO) und das Build-Own-Operate (BOO). Als Unterverträge zu PPP-Maßnahmen werden häufig sogenannte EPC- oder EPCM-Abkommen geschlossen, um Einzelheiten zu Engineering, Procurement, Construction und Management festzulegen. +++ Das Beispiel eines PPP-Projekts in Belgrad zeigt, wie – nach einer angemessenen Verteilung von Risiken und Verantwortlichkeiten – der private Sektor helfen konnte, die Müllhalde in der Vorstadt Vinča in eine integrierte Abfallwirtschafts-Einrichtung umzustrukturieren. +++ In Paris betreibt Syctom als öffentliche Behörde für feste Siedlungsabfälle drei unterschiedlich alte Verbrennungsanlagen: seit 1969 Ivry-sur-Seine, seit 1990 Saint-Ouen und seit 2007 Issy-les-Moulineaux. Die Herausforderung für Syctoms Planungen besteht darin, die Menge des recycelten Abfalls zu steigern, sich hingegen aufgrund abnehmender Restmüll-Mengen auf geringere Verbrennungskapazitäten einzustellen, aber dennoch bei der Energieversorgung ein hohes Niveau für die Fernwärme zu halten.
Reports aus UK, Albanien, Türkei, Indien …
Im Vereinigten Königreich hat seit 2018 ein Übergang zu einer neuen, stärker standardisierten Berichtsform über WtE stattgefunden. In Tolviks fünftem WtE-Jahresbericht über WtE werden deshalb nicht nur wie üblicherweise Markt, Abfallinput und Energiegewinnung bilanziert, sondern – in Kombination einer Selbstüberwachung der Betreiber und einem Report an die relevante Regulierungsbehörde mit Bezug auf den EA/NRW/NIEA/SEPA-Leitfaden – auch die Emissionen in die Luft, anormale Vorgänge und eine Einschätzung der betrieblichen Risiken. +++ Die albanische Regierung hat 178 Millionen Euro für die Errichtung von drei Abfallverbrennungsanlagen in Elbasan, Fier und Tirana bewilligt. Die drei Einrichtungen verfügen über die Kapazität, 45 Prozent aller Kommunalabfälle Albaniens – inklusive Recyclingmaterial und Bioabfälle – zu verbrennen. Allerdings beläuft sich die Überkapazität der drei Anlagen auf 74 Prozent, sodass bei ordnungsgemäßer Behandlung von Rezyklaten, Bioabfällen und nicht brennbaren Stoffen lediglich 26 Prozent der Gesamtkapazität benötigt werden. Probleme bei der Übereinstimmung mit den EU-Richtlinien sind zu befürchten.
Das gesamte theoretische Bioenergie-Potenzial, das die Türkei aus Siedlungsabfällen, Mist, landwirtschaftlichen Rückständen und Schlämmen von Kläranlagen gewinnen könnte, beläuft sich auf 796,4 Petajoule pro Jahr; das gesamte technische Potenzial wird auf 220 Petajoule pro Jahr veranschlagt. Da hierfür lediglich 100 Biogas- und Biomasse-Anlagen zur Energiegewinnung zur Verfügung stehen, bleibt Raum für weitere 2.500 bis 3.000 Einrichtungen für die Verwertung von Biogas. +++ In Indien sind 2.120 offene Müllkippen und 204 Deponien in Betrieb bekannt (77 befinden sich im Bau). Dem stehen 983 Kompostierwerke und 266 Vermi-Kompostierer, 440 Müllverbrennungsanlagen, 36 Biogas-Anlagen und 36 Einrichtungen zur Herstellung von Ersatzbrennstoffen gegenüber. Somit wird die WtE-Technologie trotz finanzieller und umweltbezogener Nachteile extensiv berücksichtigt, um einen Stoffkreislauf in Gang zu bringen – neben der Gewinnung von Energie.
… und Istanbul sowie Peking
Eine Untersuchung der Abfallwirtschaft in Istanbul ergab, dass alle Öko-Indikatoren – unter anderem das abiotische Zerstörungspotenzial, die Öko-Toxizität oder das Euthrophierungsvermögen – ab 1994 eine gute Entwicklung vollzogen haben. Das legt nahe, die Lebenszyklusbewertung in die Kreislaufwirtschaft zu integrieren, um gegenläufige Umweltzyklen zu vermeiden. +++ Die Deponierung von Siedlungsabfällen in Chinas Hauptstadt Peking ist zwischen 2010 und 2018 von rund 80 auf 60 Prozent aller Abfall-Behandlungsmethoden gesunken. Im gleichen Zeitraum legte die Müllverbrennung in Rostfeuerungs- und Wirbelschicht-Öfen von 20 auf annähernd 40 Prozent zu, während sich der Anteil der Kompostierung konstant im unteren einstelligen Bereich bewegte.
Erfahrungen aus Anlagenbau und -betrieb
Die Copenhill-Abfallverbrennungsanlage in Kopenhagen ist nicht nur aufgrund ihres Gebäudedesigns auffällig, sondern sollte mit der besten verfügbaren Technologie, den höchsten Umweltstandards und der effektivsten Energiegewinnung ausgestattet werden. Zwei parallele Linien verfügen über eine Gesamtkapazität von 560.000 Tonnen jährlich und jede Linie über ein separates Rauchgas-Reinigungssystem. +++ Eine einzigartige WtE-Anlage ist derzeit in Dubai im Bau: Mit einem jährlichen Durchsatz von 1.825.000 Tonnen und einer Netto-Effizienz von 31 Prozent soll die Einrichtung in den nächsten Jahren zur größten und effizientesten in der Welt werden. Hinzu kommt, dass dies in einer Umwelt geschieht, die höchste Herausforderungen an Projektentwicklung, Technologie und Langzeitplanung stellt. +++ Zu den größten Herausforderungen bei der Kontrolle bestehender WtE-Anlagen gehören unkontrollierte Variationen im Heizwert von Abfällen und Verzögerungen zwischen Kontrolle und Reaktion. Die klassische PID-Kontrolle sollte daher durch Systeme wie Indextafel-basierte Überwachung, Fuzzy-Logic, neuronale Netze oder programmierte Kontrollen aufgerüstet werden. Gitterroste erfahren durch ein neues Design oder andere Materialien ein Update. Darüber hinaus lässt sich die sekundäre Verbrennung verbessern oder die Chloridbildung durch Additive verringern. +++ In diesem Zusammenhang empfehlen sich möglicherweise der Einsatz kleinerer, multipler Roste oder die Kombination großer, flexibler Roste mit adäquater Steuerungssoftware.
Optimierungsmöglichkeiten
Aus der Reinigung Brennstoff-spezifischer WtE-Verbrennungskessel bei laufendem Betrieb – durch Wasserkanonen, Sprühreinigungssysteme und Wasser-Ruß-Bläser – stehen extensive Messergebnisse und Erfahrungen mit dem Einsatz solcher Reinigungstechnologien zur Verfügung. Davon und von neuen, innovativen Systemen können neu zu bauende und nachgerüstete Verbrennungsanlagen profitieren. +++ Eine vergleichende Untersuchung der Dampfproduktion dreier WtE-Anlagen hat ergeben, dass sich die Leistung durch eine verbesserte Mischung von Bunkerabfällen, eine Reduktion von zusätzlichem Brennstoff und einen verbesserten Durchsatz in Zeiten stärker homogenisierten Abfalls steigern lässt. +++ Die Korrosionsrate von Anlagen mit hohen Dampfparametern hängt von verschiedensten Faktoren ab und kann unter anderem durch optimierte Verbrennungskontrolle, ein angeglichenes Temperaturprofil, bessere Abfallqualität, den Einbau von Schutzschichten sowie wartungsfreundliche und angepasste Heizflächen verbessert werden. +++ Der Einsatz künstlicher Intelligenz und dabei vor allem neuronaler Netzwerke in Kraftwerken erlaubt die Entwicklung unterstützender technischer Modelle für Subsysteme, die nicht oder nur mit großer Anstrengung modelliert werden könnten, und ermöglicht die Durchführung von Prozessstand-Analysen für Einzelmaßnahmen wie für Serien von Aktionen, um Unregelmäßigkeiten früher zu erkennen. +++ Um das Verhalten einer WtE-Anlage zu modellieren und die Betreiber zu schulen, empfiehlt sich ein Dynamischer Anlagen-Simulator – als Zwilling in der virtuellen Realität. Der DPS deckt die gesamte Bandbreite der Prozessabläufe vom Kaltstart bis zur maximalen Ladebedingung einschließlich Abgasen, Wasserdampf, Energieproduktion, Kondensator und chemischer Reaktionen ab und hängt unmittelbar mit dem Digitalen Kontrollsystem zusammen.
CO2, POPs und andrere Schadstoffe
WtE-Neuanlagen bieten bei Einsatz einer Oxyfuel-Verbrennung gegenüber herkömmlichen Anlagen die Möglichkeit, Verfahren zur CO2-Erfassung nach der thermischen Behandlung stärker zu integrieren und für eine bessere Effizienz und eine optimierte Verfahrenscharakteristik zu sorgen. +++ Der flexible Betrieb einer am Energiemarkt orientierten Methanol-Anlage führt zu einer deutlichen Steigerung in der technischen und wirtschaftlichen Anpassungsfähigkeit der thermischen Abfallbehandlungsanlage und langfristig zu einer Kostendeckung. Durch die flexible CO2-auf-Bedarf-Technologie werden Treibhausgase verringert und ein Rezyklat geschaffen. +++ Permanente organische Schadstoffe (POPs) können nur mithilfe einer vollständig ausgerüsteten Verbrennungsanlage umfassend zerstört werden. Wie eine Studie in einer WtE-Anlage in Izmit ergab, konnten POPs inklusive Lindan und PCB, Dioxine und Furane vollständig gemäß den internationalen Standards und Abkommen beseitigt werden. +++ Medizinische Abfälle in Entwicklungsländern nehmen stetig zu. Die Komplexität einer medizinischen Abfallbewirtschaftung wird jedoch erschwert durch eine geringe öffentliche Aufmerksamkeit, eine schwache Gesetzgebung, eine unbestimmte Einstellung der Krankenhausbetreiber und das Fehlen einer Finanzierung. Der breite Einsatz von alternativen Behandlungsmethoden wie Mikrowelle oder Dampfsterilisation wird noch lange warten müssen.
Die vollständigen Vorträge können nachgelesen werden in „Waste Management“, Band 9 – Waste-to-Energy –, hrsg. von S. Thiel, E. Thomé-Kozmiensky, F. Winter, D. Juchelková, Neuruppin 2019, ISBN 978-3-944310-48-0.
Teil 2: https://eu-recycling.com/Archive/25643
(EU-Recycling 11/2019, Seite 32, Foto: Drpixel / stock.adobe.com)