Neues Forschungsprojekt: Hausabfälle schnell und automatisiert direkt beim Verbraucher charakterisieren
Das Automatische Hausabfall-Sammel- und Vorsortier-System (Automatic Waste Collecting & Pre-Sorting System, AWCPSS) zielt auf eine Klassifizierung und Sortierung von Abfällen direkt in den Wohngebieten ab.
Siedlungsabfälle mit stark variierendem Materialmix – von Küchenabfällen über Kunststoffverpackungen und Papier bis hin zu Glas oder Textilien – stellen für das Recycling eine Herausforderung dar. Selektive Sammelsysteme erleichtern zwar die Vorsortierung, haben aber auch Nachteile. So ist für den Verbraucher nicht immer ersichtlich, welcher Abfallstoff in welchen Sammelbehälter gehört. Fehlwürfe erschweren die Sortierung in den Entsorgungsbetrieben.
Die Fraunhofer-Einrichtung für Wertstoffkreisläufe und Ressourcenstrategie IWKS und das Umweltberatungsunternehmen envitec-k entwickeln in einem gemeinsamen Projekt ein neuartiges Sammelsystem: Das Automatische Hausabfall-Sammel- und Vorsortier-System (Automatic Waste Collecting & Pre-Sorting System, AWCPSS) zielt auf eine Klassifizierung und Sortierung von Abfällen direkt in den Wohngebieten ab. Es analysiert den Inhalt eines eingeworfenen Abfallbeutels und meldet das Ergebnis direkt an den Benutzer. Fehlwürfe oder eine zu hohe Kontamination mit anderen Abfallgruppen oder Störstoffen können effizient direkt vor Ort korrigiert werden. Das System kommuniziert per App mit dem Verbraucher, was eine intuitive und bequeme Nutzung ermöglicht. Auch eine nachgeschaltete Vorsortierung in verschiedenen Fraktionen ist möglich.
Für die Entwicklung eines ersten Prototyps des AWCPSS untersuchen die Forscher des Fraunhofer IWKS verschiedene Möglichkeiten der Schnellcharakterisierung von vier verschiedenen Haushaltsabfallgruppen. Im ersten Schritt werden dabei „Wet Waste“ (Küchenabfälle) und „Dry Waste“ (recyclingfähige Abfallstoffe) analysiert. „Ein solch umfassendes Vorsortierungssystem direkt nach Abfalleinwurf gibt es bisher noch nicht“, erläutert Projektleiter Dr. Sven Grieger vom Fraunhofer IWKS das Vorhaben. „Zur Erstellung eines Demonstrators definieren wir zunächst verschiedene Anforderungen wie die mögliche Zusammensetzung des Abfalls, Gestalt des Abfallbeutels sowie die Definition von Toleranzgrenzen und Störstoffen.“ Deshalb entwickeln die Wissenschaftler sensorbasierte Methoden zur Detektion. Die Ergebnisse werden dann geeignet kombiniert und für den Demonstrator genutzt.
Eine Win-Win-Situation
Tamim Kazem, Managing Director der envitec-k UG, sieht einen großen Bedarf für intelligente Sammel- und Sortiersysteme: „Besonders aufstrebende Industrienationen wie China sind bestrebt, ihre Abfallverwertung und Recyclingquoten zu verbessern. Haushaltsabfälle zu sortieren, ist sehr kostenintensiv. Der Vorteil des AWCPSS ist, dass direkt am Beginn der Prozesskette angesetzt wird. Dies erzeugt eine höhere Qualität der Fraktionen, was wiederum für eine bessere Sortierung sorgt und so langfristig zu einer erheblichen Kostenersparnis führt.“
Für Verbraucher wie auch Entsorgungsunternehmen wäre das eine klassische Win-Win-Situation: „Die Sortierung und Sammlung wird komfortabler und die derzeit erforderliche, aufwändige manuelle Nachsortierung entfällt, wodurch die Kosten für die Entsorgung von Haushaltabfällen sinken. Nicht zuletzt trägt dies dazu bei, die Umweltbelastungen durch Haushaltsmüll weiter zu reduzieren, indem der Anteil für eine stoffliche Verwertung einschließlich der Behandlung von Bioabfällen gesteigert wird.“ Und Tamim Kazem zufolge gibt es noch sehr viele Möglichkeiten, das System zu erweitern. In Zukunft könnten beispielsweise über ein Bonusprogramm oder direkte Kostenerstattung Anreize für die Verbraucher geschaffen werden, weniger Müll zu produzieren und diesen in reineren Fraktionen zu entsorgen.
Die erste Phase des Projekts soll nach vier Monaten abgeschlossen sein. Anschließend werden die übrigen Haushaltsabfallgruppen, darunter auch spezifische Stör- und Gefahrstoffe (zum Beispiel Altmedikamente und Batterien), untersucht. Weiterer Forschungsbedarf liegt hier insbesondere im Bereich der Entwicklung adaptierter Analytik mit hoher Erfassungs-Zuverlässigkeit sowie deren Kombination zu kosteneffizienten Sortiersystemen für dieses Anwendungsfeld. Es wird erwartet, „dass die Einführung des AWCPSS in ersten Wohneinheiten in Shanghai einen Showcase für die Verbreitung in der Region darstellt und eine positive Auswirkung in Bezug auf weitere Märkte und Regionen erzielt.“
(EU-Recycling 11/2019, Seite 38, Foto: Manfred Richter / Pixabay)