Schredderanlagen: Wohin mit der Leichtfraktion?

Sie bestehen aus verwertbaren Materialien, werden aber nur mangelhaft und wenig fokussiert rückgewonnen: Schredderleichtfraktionen. Wie die Betreiber von Schredderanlagen und Schrottscheren von ihnen profitieren könnten, skizzierte Prof. Dr.-Ing. Sabine Flamme (IWARU/FH Münster) am 14. November 2019 auf der BDSV-Jahrestagung in Münster.

2017 waren in Deutschland 744 Schredderanlagen und Schrottscheren in Betrieb. Davon verarbeiteten zwischen 2004 und 2017 anfänglich 36 Anlagen, infolge der Abwrackprämie 62 und schließlich knapp 50 Anlagen Restkarossen. Laut Statistischem Bundesamt belief sich die Anzahl der angenommenen Altkarossen im Jahr 2005 auf 557.000, stieg infolge der Umweltprämie 2009 auf etwas über eine Million (1.043.000) – mehr, als die Anlagen bewältigen konnten –, um bis 2016 auf 456.000 zu fallen. 2017 war ein leichter Zuwachs auf 592.000 zu verzeichnen. Die Materialmenge dieser Fahrzeuge bewegte sich zwischen 345.000 und 815.000 Tonnen.

18 bis 25 Prozent Schredderleichtfraktion

Zur genaueren Bestimmung der potenziellen Sekundärstoff-Mengen wurden die Betreiber von 43 Schredderanlagen im Rahmen eines BDSV-Projekts befragt. Sie gaben für 2018 an, dass von knapp 2,5 Millionen Tonnen Inputmenge rund die Hälfte aus Eisen und Stahl bestand; hinzu kamen circa 0,6 Millionen Tonnen aus Eisenmetallen und rund 0,5 Millionen Tonnen Altfahrzeuge. Für 2019 wurden etwas weniger Eisenmetalle und Altfahrzeuge erwartet.

Der Schrottinput in Schredderanlagen besteht in der Regel aus Altkarossen, Haushaltsgroßgeräten und leichtem Misch- und Sammelschrott. Daraus resultieren rund 65 bis 75 Prozent Fe-Schredderschrott, rund drei bis acht Prozent Schredderschwerfraktion mit Altmetallkonzentraten, Leicht- und Schwermetallen und etwa 18 bis 25 Prozent Schredderleichtfraktion. Dabei zeichnet sich der Fe-Schredderschrott nach Aussortierung von beispielweise Kupfer-Ankern und Störstoffen durch einen Eisenanteil von über 95 Prozent aus, der sich zur Stahlproduktion einsetzen lässt. Die Schredderschwerfraktion besteht neben NE-Metallen unter anderem aus Chrom-Nickel-Stählen und verfügt über ein Wertstoffpotenzial von 40 bis 50 Prozent Metallen, das durch sensorbasierte Sortierung weiter aufbereitet werden kann.

Die Schredderleichtfraktion – durch Windsichtung ausgetragen – enthält rund 30 Prozent Kunststoffanteil; hinzu kommen unter anderem Gummi, Holz, Glas und Metalle. Die Schredderleichtfraktion (SLF) kann direkt über Deponierung, Müllverbrennung, Pyrolyse oder im Zementwerk entsorgt werden. Mittels einer speziellen Aufbereitung können aber auch eine metallische und eine mineralische Fraktion gewonnen werden; für die hier anfallenden Restmengen stehen ebenfalls Pyrolyse oder Zementwerk zur Auswahl.

Entsorgungs-Engpässe drohen

Laut Statistischem Bundesamt betrug 2016 die Summe der SLF aus den Resten von Schredderanlagen- und Schrottscheren-Aufbereitung rund 317.000 Tonnen; mit Blick auf das laufende Projekt schätzt Sabine Flamme jedoch „das Doppelte“. Von den rund 300.000 Tonnen wurden jedenfalls zehn Prozent einer thermischen und drei Prozent einer mechanisch-biologischen Abfallbehandlung unterzogen, 13 Prozent in Sortieranlagen verbracht und 74 Prozent zu Ersatzbrennstoffen verarbeitet oder sonst wie verwertet. 2017 stieg der Anteil der „sonstigen Behandlung“ in unter anderem Schlacke-, Kabelaufbereitungs- und Kunststoffverwertungs-Anlagen zuungunsten der Sortiereinrichtungen auf 79 Prozent. In den im Rahmen des BDSV-Projekts abgefragten Schredderanlagen wurden feine SLF zu jeweils rund einem Drittel aufbereitet, deponiert und als Bergversatz genutzt. Grobe SLF landete knapp zur Hälfte in der Müllverbrennung; der Rest fand den Weg in die Aufbereitung und EBS-Kraftwerke. Das ungesiebte SLF wurde zu rund 45 Prozent aufbereitet und zu 35 Prozent verbrannt.

Die momentan gangbaren Entsorgungswege für SLF werfen jedoch Probleme durch Engpässe auf, gaben 95 Prozent der befragten Anlagenbetreiber zu Protokoll. Zum einen sei die Menge der anfallenden (zwischen-)gelagerten SLF binnen Jahresfrist von sechs auf zehn Prozent gestiegen; zum anderen werde es langsam auch schon für die Entsorgung der Schredderschwerfraktion eng. Das kann zu weiteren Reduzierungen der Inputmengen, Anlagenstillständen und erhöhter Brandgefahr in den Lagern führen.

Weder Deponierung noch Verbrennung

Die Schredderleichtfraktion ist ein Sammelsurium aus unter anderem Hartkunststoffen, Elastomeren, Holz, Textilfasern, Glas und Metallen – mit Worten der Münsteraner Wissenschaftlerin eine in der Wahrnehmung unbeliebte Mischung aus „nicht Fisch und nicht Fleisch“. Dennoch empfiehlt sich das Material hauptsächlich aufgrund der organischen Bestandteile des Trockenrückstands nicht für die Deponierung. Das stellt auch angesichts der Deponieziele im EU-Kreislaufwirtschaftspaket keine Lösung dar.

Was die thermische Abfallbehandlung anlangt, so wurden mit einem Durchsatz von 24 Millionen Tonnen im Jahr und einer Auslastung von durchschnittlich 96 Prozent im Jahr 2018 die Kapazitätsgrenzen für die deutschen Müllverbrennungs-Einrichtungen mindestens erreicht, wenn nicht überschritten. Insgesamt fehlen auf dem Gebiet der Europäischen Union rund 43 Millionen Tonnen an thermischen Behandlungskapazitäten: Die dadurch zu erwartenden Entsorgungsengpässe können aufgrund fehlender Kapazitäten im europäischen Ausland nicht aufgelöst werden; bestenfalls werden durch Wegfall ausländischer Importe im Inland Kapazitäten frei.

Bestenfalls Mitverbrennung und Pyrolyse

Die Mitverbrennung und -verarbeitung im Zementwerk – deren Input-Mengen haben in den letzten acht Jahren von 2,91 auf 3,60 Millionen Tonnen zugelegt – wird zwar für einige Stoffe prinzipiell begrüßt, doch ist angesichts des variablen SLF-Materialgemischs deren Einsatz nicht ohne weitere Aufbereitung möglich. Auch sind die Ansprüche der Zementwerks-Betreiber an den Input in den letzten Jahren stetig gestiegen. Versuche mit Pyrolyse in Demonstrationsanlagen haben zwar ergeben, dass sie bei der Schredderleichtfraktion trotz Heizwertschwankungen grundsätzlich praktikabel ist, Temperaturen über 600° C ein Anbacken verhindert, Metalle aus den Prozessresten separierbar sind und das entstehende Gas sich als Brennstoff für Heizungen eignet. Doch haben die Verfahren weder ihre großtechnische Umsetzung noch ihre Wirtschaftlichkeit unter Beweis gestellt.

Um bessere Verwertung kümmern

Für die Zukunft gibt sich Sabine Flamme sicher, dass die Schredderleichtfraktion aus der Schrottverwertung ebenso wie die Schwerfraktion so werthaltig ist, dass sie mit verbesserter Sortiertechnik und Sensortechnologie zu einem geschätzten Produkt werden kann. Da sich Deponierung, Verbrennung und Mitverbrennung nicht ohne weiteres als Entsorgungspfad empfehlen, bietet sich die Pyrolyse mit der Möglichkeit an, Stoffströme zu bündeln. Für ihre großtechnische Umsetzung stelle sich nicht die Frage, ob sie kommt, sondern wann. Ebenfalls könnte darüber nachgedacht werden, ob das Material sich nicht als Brennstoff für die Rückgewinnung von NE-Metallen eignet.

In jedem Fall – so der Appell an das Plenum der BDSV-Jahrestagung – sollte die Branche beim erfolgreichen Recycling von Metallen die Schredderleichtfraktion nicht ganz vergessen. Denn wie BDSV-Präsident Andreas Schwenter es anschließend ausdrückte: „Wenn wir uns um keine andere Verwertung kümmern, bleiben wir auf dem Material sitzen.“

(EU-Recycling 01/2020, Seite 46, Foto: O. Kürth)

Anzeige