Gewerbeabfallverordnung: Die behördliche Überwachung ist mehr als lückenhaft

Im Jahr 2017 fielen von gemischten, hausmüllähnlichen Gewerbeabfällen etwa 3,4 Millionen Tonnen an; hinzu kamen 2,3 Millionen Tonnen an „gemischten Verpackungen“. Demnach betrug die Gesamtmenge an gemischten Gewerbeabfällen in diesem Jahr etwa 5,7 Millionen Tonnen, die getrennt gehalten oder einer Vorbehandlungsanlage zugeführt werden müssen. Da sie die behördliche Überwachung dieser Anlagen zumindest für lückenhaft hielt, wurde die Bundesvereinigung Umwelt-Audit jetzt aktiv.

Keine systematisch gezielten Kontrollen
Sie versandte zunächst Fragebogen an 100 bayerische Kreisverwaltungen sowie kreisfreie Städte in Bayern, an Regierungspräsidien in Hessen und an die rheinland-pfälzische Struktur- und Genehmigungsdirektion Süd. Unter anderem wollte die Bundesvereinigung Genaueres über Fachabteilungen oder Organisationseinheiten erfahren, die für den Vollzug der Gewerbeabfallverordnung zuständig sind, über den Zeit- und Personalaufwand und über die Adressaten bisheriger Überprüfungen.

Die befragten Verwaltungen in Bayern lehnten bis auf drei eine Antwort mit der Begründung ab, es handele sich um keine Fragestellung nach dem bayerischen Umweltinformationsgesetz. Doch räumten die angefragten Stellen zu anderen Themen ein, dass sie keine systematischen Kon­trollen allein auf Grundlage der Gewerbeabfallverordnung durchführen. Rund die Hälfte der Befragten gaben an, im Rahmen der systematischen anlagenbezogenen Kontrollen nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz auch Kontrollen nach der Gewerbeabfallverordnung durchzuführen. Stichproben in mehr oder minder regelmäßigen Abständen nahm etwa der gleiche Prozentsatz vor, während 39 Stellen auf Veranlassung wie Bekanntwerden einer Abbruchmaßnahme oder aufgrund Hinweis durch Dritte tätig werden.

Eine Protokollierung findet meist nicht statt
Was die Protokollierung erfolgter Untersuchungen anlangt, so findet diese in den meisten Zuständigkeitsbereichen – falls Vorbehandlungsanlagen vorhanden sind – nicht statt. Den gemeldeten Protokollen zufolge wird in den betreffenden Anlagen die Sortierquote vollständig erfüllt, aber die Recyclingquote um 79 Prozent unterschritten.

Statistiken zur Umsetzung der Gewerbeabfallverordnung führten 58 der angefragten Stellen nicht, rund ein Viertel machten keinerlei Angaben, und lediglich 15 Prozent hielten entsprechende Statistiken vor, wobei hier wiederum ein Großteil auf die Datenlage der ohnehin zu führenden Abfallstatistik verweist. Auf die Frage nach ausgesprochenen Ordnungswidrigkeiten gaben 70 Prozent an, keinen entsprechenden Bußgeldbescheid erlassen zu haben, und 19 Prozent blieben eine Anwort schuldig; geahndet wurden den Angaben nach insgesamt elf Verstöße.

Keine Statistiken geführt
In Hessen meldeten zwei der drei Regierungspräsidien in den Vorbehandlungsanlagen eine Spanne der Recyclingquote von 4,88 Prozent bis 88,5 Prozent beziehungsweise zwei Prozent bis 32 Prozent. In der Schnittmenge liege somit eine Recyclingquote in der Spanne von 4,88 Prozent bis 32 Prozent vor. Die Sortierquoten rangieren zwischen 80 und 100 Prozent sowie 22,6 bis 100 Prozent. Darüber hinaus werden nach Auskunft der hessischen Regierungspräsidien keine Statistiken als Anzeiger für den Erfolg der Umsetzung der Gewerbeabfallverordnung geführt. Eine Ordnungswidrigkeit soll in keinem der angefragten Zuständigkeitsbereiche erforderlich gewesen sein.

In Rheinland-Pfalz werden nach Auskunft der Struktur- und Genehmigungsdirektion Süd zwar anlassbezogene und stichprobenartige Kontrollen durchgeführt, doch bestehe bislang keine umfängliche Aufstellung der laut Gewerbeabfallverordnung gesammelten und behandelten Abfallmengen oder ihrer Adressaten. Ebensowenig würden Statistiken geführt, um Kenntnisse über den Erfolg der Umsetzung der Gewerbeabfallverordnung zu erlangen. Ausnahmetatbestände lägen nicht vor, zu einer Umgehung der Verordnung durch Verbrennung in Müllheizkraftwerken habe man keine Daten, Tricksereien seien nicht bekannt, und Ordnungswidrigkeiten habe man bislang weder aussprechen noch ahnden müssen.

Unter Umgehung der Gewerbeabfallverordnung
Das Ergebnis der Umfrage ist für die Bundesvereinigung Umwelt-Audit ernüchternd: Die deutsche Vollzugspraxis sei offensichtlich nicht in der Lage, für eine ordentliche Kontrolle zu sorgen. Begründet mit personellen Engpässen, könnten somit große Mengen der gemischten Gewerbeabfälle unter Umgehung der Gewerbeabfallverordnung direkt in Müllverbrennungsanlagen entsorgt werden. Obwohl dies sanktionsbewährt sei, werde bisher praktisch keine Ordnungswidrigkeit erhoben. Rechtsanwalt Stephan Jäger, der die Unternehmen anwaltlich vertritt, erklärte: „Diese Wettbewerbsverzerrung wollen die Unternehmen nicht länger hinnehmen; wir fordern deshalb die zuständigen Behörden auf, ihren hoheitlichen Aufgaben gerecht zu werden.“

Belastend: Fehlender Vollzug
Die in der Bundesvereinigung verbundenen Unternehmen decken etwa eine Behandlungskapazität von 600.000 Tonnen ab, die in elf Anlagen zur Verfügung stehen. Derzeit beträgt die Auslastung aber teilweise unter 50 Prozent, einzelne Anlagen wurden bereits wieder geschlossen. Ein betroffener Unternehmer äußert sich hierzu: „Wir empfinden die Vorgehensweise der Vollzugsbehörden als selektiv. Wir als Betreiber einer Vorbehandlungsanlage müssen Quoten melden, innerbetriebliche Stoffströme getrennt halten und mit großem Aufwand verwiegen. Bei anderen Anlagen wird gar nicht kontrolliert und große Mengen gemischter Abfälle werden auf direktem Wege in die Müllverbrennung verbracht. Oftmals werden diese Mengen in dafür nicht genehmigten Anlagen vorsortiert und von Wertstoffen beraubt.“

Außerdem belastet der fehlende Vollzug der Gewerbeabfallverordnung die Unternehmen schwer. Im Vertrauen auf die Umsetzung haben sie in die Vorbehandlung, Sortierung und Aufbereitung von gemischten hausmüllähnlichen Gewerbeabfällen investiert. Im Vorgriff auf den Erlass der Verordnung sollen zahlreiche Unternehmen Investitionen im zweistelligen Millionenbereich getätigt haben, um die nicht getrennt gehaltenen Abfälle zu sortieren und aufzubereiten.

Keine Sanktionen gegen Verstöße
Daher hat sich nun die Bundesvereinigung Umwelt-Audit mit einem offenen Brief an die EU-Kommission, das Bundesumweltministerium sowie Vollzugsbehörden in Bayern, Hessen und Rheinland-Pfalz gewandt wegen der fehlenden Überwachung der Gewerbeabfallverordnung. Sie werfen Deutschland Verstoß gegen die EU-Abfallrahmenrichtlinie und den Behörden fehlenden Vollzug der Gewerbeabfallverordnung, Nichteinhaltung der Abfallhierarchie sowie mangelnde Rechts- und Investitionssicherheit für Aufbereitungsanlagen vor. Es gebe bislang faktisch keine Sanktionen gegen Verstöße der deutschen Gewerbeabfallverordnung in Deutschland, „also gibt es für viele auch keinerlei Veranlassung, ihre Abfälle einer stofflichen Verwertung zuzuführen“. Im Schreiben an die EU Kommission lautete deshalb der Vorwurf, „diese der Form nach der EG-Abfall-Rahmenrichtlinie entsprechenden Vorgaben in Deutschland würden aber seit Jahren in eklatanter Weise missachtet“.

LAGA-Merkblatts M34 umsetzen
Die Unternehmen selbst haben konkrete Vorstellungen, wie die Umsetzung der Gewerbeabfallverordnung doch noch zum Erfolg geführt werden kann: „Wir fordern die strikte Umsetzung und Einhaltung des LAGA-Merkblatts M34 (Vollzugshinweise zur Gewerbeabfall-Verordnung); bisher haben wir nämlich keine Planungssicherheit aus der Sicht der Aufbereitungsanlagen. Jede weitere Investition in Forschung und Entwicklung neuer Technologien und Verfahren ist nicht möglich. Es werden keine neuen Stoffströme entstehen und Sekundärrohstoffe generiert, die sinnvollerweise als Substitut für Primärrohstoff in den Produktkreislauf einfließen können.“ Zudem fordert die Bundesvereinigung vom europäischen und deutschen Gesetzgeber „die Einführung einer Mindestquote für den Einsatz von Sekundärrohstoffen bei der Herstellung neuer Produkte“.

(Erschienen im EU-Recycling Magazin 01/2021, Seite 6, Foto: O. Kürth)

 

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