Chlorhaltige Kunststoffabfälle besser stofflich verwerten

Das im Projekt „Chlor-Plattform“ entwickelte thermo-chemische Behandlungsverfahren ermöglicht eine ökonomische und ökologisch vorteilhafte Rückgewinnung von vielen (kritischen) Hightech-Metallen in chlorhaltigen Kunststoffabfällen – so zum Beispiel von Indium aus LCD-Panels.

Die „Chlor-Plattform“ wurde auf der von der Montanuniversität veranstalteten Fachkonferenz Recy & DepoTech 2020 im November vorgestellt. Federführend ist die Ostbayerische Technische Hochschule Amberg-Weiden, Fakultät Maschinenbau und Umwelttechnik. Wissenschaftliche Partner sind die Universität Regensburg und Fraunhofer Umsicht.

Chlorhaltige Kunststoffabfälle und somit meist Kunststoffabfälle mit Polyvinylchlorid (PVC) werden überwiegend thermisch verwertet. Der dabei entstehende Chlorwasserstoff (HCl) muss aus dem Rauchgas entfernt beziehungsweise neutralisiert und deponiert werden, um negativen Umweltauswirkungen wie Korrosion oder der Bildung hoch-toxischer Dioxine und Furane vorzubeugen. Für besonders werthaltige Hightech-Metalle wie Platingruppenmetalle (PGM) existieren zwar (optimierte) Recyclingrouten, jedoch verteilt sich der überwiegende Teil auf Rest- oder Nebenfraktionen, wo ihre speziellen Eigenschaften ungenutzt sind und sie de facto verloren gehen. Somit stehen diese für die Verwendung in modernen Geräten wie Leuchtdioden (LED), Glasfaserkabeln oder Flüssigkristallanzeigen (LCD-Panels) in Flachbildschirmen nicht mehr zur Verfügung.

Ein erfolgversprechender Ansatz
Die „Chlor-Plattform“ stellt eine technische Lösung zur Verbesserung der Verwertungsqualität von chlorhaltigen und Hightech-Metalle enthaltenden Abfallströmen dar. Mittels Pyrolyse der PVC-Abfälle und Nutzung des halogenhaltigen Dampfes zur Chlorierung der kritischen Metalle in einem nachgeschalteten Reaktor wird ein metallreiches Kondensat gebildet, aus dem die kritischen Metalle rückgewonnen werden. Hierbei wurden beispielsweise PVC-Profile thermo-chemisch behandelt, um Indium aus LCD-Panels rückzugewinnen. Durch anschließende Extraktionsschritte und Eindampfen des Lösungsmittels wurde eine indiumreiche Lösung erzeugt, die über eine Elektrolyse schließlich die Rückgewinnung von elementarem Indium ermöglichte. Die chlorarmen Fraktionen und die von kritischen Metallen befreiten Fraktionen können dem Wirtschaftskreislauf wieder zur Verfügung gestellt werden.

Den Informationen zufolge betraf die Rückgewinnung von Indium aus LCD-Panels zunächst drei verschiedene chlorhaltige Kunststoffabfälle zur Herstellung von HCl-haltigem Pyrolysedampf: Schredderrückstände aus der Aufbereitung von Elektro-/Elektronikaltgeräten, Fußböden und PVC-Profile. Diese wurden in einer Schneidmühle auf < 10 mm Korngröße zerkleinert. Der Feinanteil < 1 mm wurde abgesiebt und nicht weiter behandelt. Das zerkleinerte Material ließ sich separat in sechs Chargen zu je 125 Gramm bei über 600 °C und über 300 °C in einem semikontinuierlichen Batch-Reaktor pyrolysieren.

Nach 30 Minuten konnten die Forscher den festen Rückstand aus dem Pyrolysereaktor in den Koksbehälter entleeren und eine neue Charge einfüllen. Der HClhaltige Dampf wurde dabei zuerst über einen sogenannten Teercracker geleitet, um längerkettige Verbindungen zu spalten und im Anschluss in den Kühlern zu kondensieren. Danach gelangte der HCl-haltige Dampf in einen sogenannten Halogenierungsreaktor, mit circa 2.100 Gramm LCD-Panels gefüllt und bei über 600 °C betrieben. Das in Form von Indium- Zinn-Oxid vorliegende Indium reagierte unter diesen Bedingungen zu Indiumchlorid, welches aufgrund seines vergleichsweise geringen Siedepunkts verdampft werden konnte. In einer nachgeschalteten Kühlereinheit kondensierte das Metallkonzentrat aus. Überschüssiges HCl wurde anschließend in destilliertem Wasser gelöst. Weitere Bestandteile wie HCN aus dem Dampf ließen sich in zwei mit Natronlauge gefüllten Waschflaschen neutralisieren. Mittransportierte Aerosole entfernte man durch eine Waschflasche mit Watte, bevor der Dampf durch einen Aktivkohlefilter geleitet wurde.

Da sich das kondensierte flüssige Metallkonzentrat als noch stark mit organischen Bestandteilen aus der Zersetzung der Folien aus den LCD-Panels verunreinigt erwies, wurde das Indiumchlorid durch Mischen mit Wasser und einem organischen Lösungsmittel größtenteils in eine kohlenstoffarme, flüssige Phase überführt. Nach dem Verdampfen des Lösungsmittels ließ sich das Indium aus der Lösung mittels Elektrolyse abscheiden.

Höhere Pyrolysetemperatur – höhere Rückgewinnungsrate
Die von Indium sowie Organik befreiten LCD-Panels können für die Herstellung von neuen LCD-Panels verwendet werden. Das abgedampfte Lösungsmittel lässt sich aufreinigen und wiederverwenden. Die Proben wurden mittels energiedisperser Röntgenfluoreszenz (RFA) mit dem Röntgenspektrometer Epsilon 3XLE (PANalytical, Kassel) vermessen, was eine Analyse der Elemente Natrium bis Americium erlaubt. Die Auswertung der Daten führte man mit der Epsilon Benchtop Software des gleichen Herstellers durch. Die Wissenschaftler stellten bei ihren Versuchen im Labormaßstab fest, dass eine höhere Pyrolysetemperatur zu einer gesteigerten Rückgewinnungsrate von Indium aus den LCD-Panels führt: „Dies könnte aufgrund des gleichen Kühlsystems und -mediums an einer höheren Temperatur des Pyrolysegases am Eintritt des Halogenierungsreaktors liegen und führt somit zu einer erhöhten Reaktivität des HCl.“ Durch einen anschließenden Extraktions- und Verdampfungsschritt kann das Indium aus dem Metallkonzentrat in eine Elektrolytlösung überführt und dann rückgewonnen werden.

www.oth-aw.de

(Erschienen im EU-Recycling Magazin 02/2021, Seite 42, Foto: O. Kürth)