Infraleichtbeton 2.0 – die Zukunft des Bauens?
Vom 13. bis 15. Januar 2021 fand in München die BAU statt – pandemiebedingt virtuell. Zwei der vier Leitthemen der Fachmesse für Architektur, Materialien und Systeme befassten sich mit der „Zukunft des Wohnens“ und „Ressourcen und Recycling“.
Zu beiden Themen passen die aktuellen Forschungsergebnisse zu Infraleichtbeton vom Institut für Werkstoffe des Bauwesens der Universität der Bundeswehr München unter der Leitung von Prof. Karl-Christian Thienel, Vizepräsident für Lehre und Internationalisierung.
Leichtbeton an sich ist keine neue Erfindung, sondern schon seit den Römern bekannt. Der Baustoff wurde stets weiterentwickelt und verbessert. Erstmals wurde im Jahre 2004 ein sehr leichter Leichtbeton im Rahmen eines Schiffbauprojekts an der Universität der Bundeswehr München entwickelt, den dann Prof. Mike Schlaich von der TU Berlin als „Infraleichtbeton“ adaptierte und der für Außenwände im Hausbau Anwendung fand. Existierende Normen beschreiben leichte, normale und schwere Betone. Da die neuartige Mischung unterhalb (lateinisch: infra) der Grenze zum bisher genormten Leichtbeton liegt, wurde sie Infraleichtbeton getauft; sie stellt eine Weiterentwicklung des bereits bekannten Leichtbetons dar.
Dessen Qualität entsteht unter anderem durch Zumischung von leichten Gesteinskörnungen wie Blähton oder Blähglas zum Zement, im Gegensatz zu Sand und Kies im Normalbeton. In diesen Materialien ist viel Luft eingeschlossen, wodurch der Beton nicht nur leicht, sondern auch noch deutlich wärmedämmender wird. Das Innovative am Infraleichtbeton ist, dass dieser alles in sich vereint, was für den Bau wichtig ist: Er trägt, schützt vor Witterungen und dämmt. Diese Eigenschaften können zwar auch andere Materialien, wie zum Beispiel Holz, aufweisen, doch Beton hat zusätzlich den Vorteil der enorm langen Haltbarkeit.
Ein recycelbares Baumaterial
Infraleichtbeton ist den Informationen nach sehr gut recycelbar. Die verwendete leichte Gesteinskörnung Blähglas ist selbst bereits ein Recyclingprodukt. Der Werkstoff bietet damit eine gute Perspektive für die Zukunft.
Die ausgezeichneten Eigenschaften des Infraleichtbetons sollten noch bei wesentlich mehr Bauprojekten zum Einsatz kommen, sind Prof. Thienel und das Team der Meinung. Die realisierten Projekte der Wissenschaftler fanden bislang viel Anklang bei Architekten und Bauunternehmern. Und die Entwicklung zusammen mit der Baustoffindustrie geht weiter. Die Rezepturen werden von erfahrenen Betontechnologen der Industrie eingestellt; die Prüfung und Begutachtung erfolgt an den Instituten von Prof. Thienel und Prof. Thomas Braml (Institut für Konstruktiven Ingenieurbau) an der Universität der Bundeswehr München. So entstand die nächste Stufe der Weiterentwicklung – der Infraleichtbeton 2.0, ein statisch tragender Hochleistungsbeton, der monolithisches Bauen ermöglicht, die Anforderungen der Energieeinsparverordnung erfüllt und zu 100 Prozent recycelbar ist.
Mobiles Betonwerk entwickelt
Innovation wird jedoch nicht nur beim Produkt selbst großgeschrieben. Um mit dem Beton möglichst nah am Kunden zu sein, wurde von dem Betontechnologen Björn Callsen (Holcim GmbH) ein mobiles Betonwerk entwickelt. Dieses wurde auf einem Lkw-Aufleger verbaut und ermöglicht, den gewünschten Infraleichtbeton direkt an Ort und Stelle herzustellen. In großtechnischen Versuchen auf dem Gelände der Universität der Bundeswehr München wurde in einer Kooperation auch die Weiterverarbeitung des Materials vor Ort erprobt, und es konnten bisherige Probleme mit der Pumpbarkeit des Materials behoben werden.
Das nächste Ziel ist eine allgemeine bauaufsichtliche Zulassung für Infraleichtbeton beim Deutschen Institut für Bautechnik in Berlin. Derzeit muss jedes Projekt, das mit diesem Infraleichtbeton gebaut wird, vom jeweiligen Bundesland geprüft und genehmigt werden.
Der neu entwickelte Infraleichtbeton ermöglicht eine schnelle und einfache Bauweise, die zu optisch ansprechenden Ergebnissen führen kann und durch die gute Wärmedämmung einen Beitrag zum Klimaschutz leistet. Da weniger Materialien miteinander verbunden werden, sind auf der Baustelle weniger Gewerke und Arbeitsschritte nötig, was zu einer Zeitersparnis beim Bauen führt.
(Erschienen im EU-Recycling Magazin 04/2021, Seite 44, Foto: Universität der Bundeswehr München)