Schrottmarktbericht: Steigender Schrottbedarf

Die Wirtschaftsvereinigung Stahl meldete am 22.04.2021 für März eine Rohstahlproduktion von knapp 3,8 Mio. Tonnen, was der höchsten monatlich produzierten Menge seit Mai 2017, als 3,801 Mio. Tonnen erschmolzen wurden, entspricht. Diese Datenlage erklärt den deutlich gestiegenen Schrottbedarf im vorigen Monat, der nach Einschätzung des Handels im April keineswegs geringer war. Dem Aufschlag von rund €30 pro Tonne im März hätten die Verbraucher gerne eine Korrektur folgen lassen, wozu die Lieferanten jedoch nicht bereit waren. Die Schrottverbraucher hatten gehofft, die Ende März vermeintlich schwächeren Exportnotierungen des Preisführers Türkei für Reduzierungen im Inland im April nutzen zu können. Bei den ersten Monatsabschlüssen konnten einzelne Abnehmer ihre Preise um €8 bis €10 pro Tonne senken, während die Akzeptanz des Handels recht schnell nachließ, denn deren Unterlieferanten wollten keine Preisveränderungen akzeptieren. Zur Sicherstellung der Versorgung boten die Verbraucher dann im Durchschnitt unveränderte Preise für Neuschrotte an und für Altschrotte gelang es ihnen je nach Werk Preisspitzen von bis zu €8 pro Tonne abbauen. Die Preisgestaltung der Werke war sehr individuell und der Bedarf bestimmte, ob eine Sorte zu unveränderten Preisen, mit einem leichten Abschlag oder einem leichten Aufschlag gekauft wurde.

Alle Verbraucher schienen und scheinen weiterhin über eine komfortable Auftragslage zu verfügen. Die Nachfrage nach Neuschrott überstieg in einigen Fällen das Angebot. Wegen unterbrochener Lieferketten und den zum Teil sehr langen Lieferzeiten für Stahl in Richtung der Stahlverarbeiter verringerten Unterbrechungen in den Betriebsabläufen den Entfall. Ein Rückgriff auf den Import der möglichen Schrottsubstitute HBI oder Roheisen war begrenzt und wegen der im Vergleich zum Schrott hohen Preise wirtschaftlich uninteressant. Der Handel berichtete sowohl von zügigen Verkäufen, bei denen jeglicher Bestandsaufbau außen vor bleiben musste, aber auch von hohen Zuläufen an Altschrotten, die saisonbedingt Fahrt aufnehmen. Coronabedingt blieb der Zulauf zu den Lägern in einigen Regionen unter den Erwartungen.

Nachbarländer
Italienische Abnehmer konnten im April bei ihren deutschen Lieferanten Preisspitzen abbauen und bevorzugten Shredder- und Abbruchschrott, die Nachfrage nach Spänen war geringer. Der Preis für Neuschrott blieb in der Regel unverändert. Die vom Handel erwarteten Preiserhöhungen auf Grund der guten Auslastung der Stahlhersteller wurden durch die Preispolitik der türkischen Werke konterkariert. In Österreich erfolgen die Monatsabschlüsse der Verbraucher normalerweise sehr zügig, aber die Aprilverhandlungen waren etwas turbulenter als sonst. Offiziell einigte man sich bei guter Nachfrage auf einen Abschlag von €10 pro Tonne für Neuschrotte und bei den Altschrotten je nach Verbraucher auf €10 bis €15 pro Tonne. Unklar blieb, ob eine ausreichende Versorgung erfolgt ist. Bei einer unverändert hohen Nachfrage blieben die Einkaufspreise in der Schweiz für Lieferungen aus den Nachbarländern gegenüber dem Vormonat weitgehend unverändert. Die tschechischen Werke reduzierten ihre Einkaufspreise um €6 bis €10 pro Tonne. Die Empfängerwerke in Deutschland boten mit unveränderten Preisen oder Abschlägen bei einzelnen Sorten bis zu €7 pro Tonne gute Absatzmöglichkeiten. In Polen reduzierten die Verbraucher die Preise um €5 bis €7 pro Tonne. In Frankreich mussten die Lieferanten für Neu- und Altschrotte Abschläge von €5 bis €10 akzeptieren. In Belgien und Luxemburg blieben die Neuschrottpreise unverändert und die Altschrottpreise wurden bis zu €5 pro Tonne gesenkt. Im VK führte die verringerte Nachfrage zu einem allgemeinen Preisabschlag von £10 pro Tonne, die guten Exportmöglichkeiten verhinderten deutlichere Abschläge. Die Gießereien deckten ihren hohen Bedarf dagegen zu unveränderten Preisen ein.

Gießereien
Bei den Gießereien, die an keinen Preisindex gebunden sind, konnten die Schrottlieferanten bei einer gegenüber dem Vormonat nochmals angestiegenen Nachfrage weitgehend unveränderte Preise durchsetzen. Je nach Sorte wurden leichte Aufpreise vereinbart. Bei bestimmten Qualitäten, wie bspw. manganarmen Stanzabfällen, konnten die Lieferanten die Nachfrage nicht immer zeitgerecht befriedigen. Der Entfall lässt an der ein oder anderen Stelle wegen unterbrochener Lieferketten immer noch zu wünschen übrig und hinkt im Moment dem Bedarf hinterher. Ein Teil des höheren Schrottbedarfs könnte darauf zurückzuführen sein, dass einige Gießereien zu Gunsten des Schrotteinsatzes auf Gießereiroheisen verzichtet haben, da dessen Importpreis sehr hoch ist und die Lieferanten wenig verhandlungsbereit sind.

Drittländer
Die Taktik der türkischen Verbraucher beim Schrotteinkauf ist im April aufgegangen. Obwohl die lokale Nachfrage nach Schrott in den typischen Lieferzentren hoch war, konnte die türkische Seite jedoch das saisonal steigende Altschrottaufkommen durch tageweise Kaufabstinenz und verdeckten Zukäufen nutzen, um eine Preisreduzierung von rund US-$ 10 pro Tonne Ende März / Anfang April durchzusetzen. Gleichzeitig konnten sie durch höhere Stahlverkaufspreise die Marge zwischen Schrotteinkaufspreis und Betonstahlverkauf auf über US-$ 200 pro Tonne steigern. Einige europäische Verbraucher schienen sich trotz der Marktlage möglichst schnell trotz des schwachen Preisniveaus von ihren Mengen trennen zu wollen. Es wird erwartet, dass die Anbieter angesichts steigender Frachten und des festen Euros gegenüber dem Dollar keine weiteren Preisreduzierungen akzeptieren. Die Stahlindustrie verfügt national und international über eine gute bis sehr gute Auftragslage und zumindest die europäische Stahlindustrie profitiert von umfangreichen Schutzmechanismen der EU, wodurch Importe, seien sie auch noch so dringend von den Verarbeitern gebraucht, eingeschränkt sind. Diese Angebotsverknappung führt zu deutlich steigenden Stahlpreisen.

Schlussbemerkungen
Für den kommenden Monat erwartet die Schrottwirtschaft einen weitgehend stabilen Markt, wobei leichte Preiskorrekturen in beide Richtungen denkbar sind.
Sorgen bereiten der Metallschrottwirtschaft die Forderung des europäischen Verbandes der Stahlhersteller nach Schrottexportbeschränkungen bei der EU-Kommission im Rahmen der in Kürze anstehenden Novellierung der Abfallverbringungsverordnung. Bewusst wird in diesem Fall von Abfällen gesprochen, die aus Umweltschutzgründen und zur Unterstützung der Verwirklichung des europäischen Green Deals in Europa gehalten werden müssen. Den von einer solchen Maßnahme Betroffenen liegen keine Schätzwerte vor, in welchem Zeitrahmen und in welchem Umfang die Stahlindustrie bis zur EU-Klimaneutralität 2050 den Schrotteinsatz mit welchen Qualitäten steigern möchte. Die EU ist schon seit vielen Jahren ein Nettoschrottexporteur. Dies ist sicher nicht darauf zurückzuführen, dass der deutliche Schrottüberschuss, der allein im vergangenen Jahr bei rund 20 Mio. Tonnen gelegen hat, auch innerhalb Europas zur Einsparung von CO2 hätte eingesetzt werden können. Größter Abnehmer war die Türkei, die über 62 Prozent der EU-Exporte aufgenommen hat. Viele andere Drittländer importieren ebenfalls Schrott aus der EU und nutzen so die unbestrittenen Umweltvorteile dieses Kreislaufmaterials.

Die Schrottwirtschaft hat kein Interesse daran, europäischen Verbrauchern Mengenlieferungen vorzuenthalten, insbesondere dann nicht, wenn sie dafür einen fairen Preis unter fairen Marktbedingungen erhält. Exportbeschränkungen würden, wie in anderen Ländern bereits zu beobachten, das Sammelaufkommen negativ beeinflussen, da die Preislenkungsfunktion gestört wäre. Die Ziele der Kreislaufwirtschaft wären nicht mehr erfüllbar. Statt vagen Andeutungen bzw. Forderungen nach massiven Eingriffen in einen funktionierenden Markt sollte ein fachlicher Austausch der Marktteilnehmer auf Augenhöhe über erforderliche Qualitäten und Mengen sowie Zeithorizonte stehen.

Redaktionsschluss 22.03.2021, BG-J/bvse (EU-Recycling 05/2021, Seite 35, Foto: Diana Betz)