Den Kunststoffverarbeitern geht das Material aus

Die europäische Kunststoffverarbeitungs-Industrie sieht sich ernsthaften Verknappungen bei Rohstoffen und extremen Preiserhöhungen gegenüber.

Diese Situation ist bedrohlich für das wirtschaftliche Überleben von kleinen und mittleren Unternehmen, gefährdet aber auch die Herstellung von zahlreichen Produkten und reicht vom Einsatz in der Bau- und Fahrzeug-Industrie bis zu essentiellen Gütern für die Lebensmittel-Verpackung und pharmazeutischen Versorgungsketten.

EuPC-Geschäftsführer Alexandre Dangis hebt hervor, dass seit Anfang dieses Jahres die Hersteller von Kunststoffprodukten in ganz Europa ernstzunehmende Engpässe bei der Versorgung mit Rohmaterialien erwarten. Lieferprobleme haben sich zunehmend ausgedehnt und betreffen – nicht nur – Polypropylene, Polyvinyl-Chloride und Polyethylene, sondern genauso spezielle Additive, die für die Herstellung von Mischungen und Plastikwaren wichtig sind. Die schwerwiegenden Marktstörungen breiten sich momenan europaweit aus und sind symptomatisch für das strukturelle Ungleichgewicht zwischen lokaler Produktion von und der Nachfrage nach Rohstoffen und Additiven. „Ohne Wiederherstellung dieser Balance ist eine periodische Wiederkehr von heftigen Störungen der Produktionskette sehr wahrscheinlich. Letztlich wird der Endverbraucher auch aufgrund der Liefer-Unterbrechungen bei (halb-)fertigen Produkten Schaden erleiden“, betont Alexandre Dangis.

38 Force Majeure-Meldungen im März
Europa ist Netto-Importeur für polymere Rohstoffe und deshalb überdurchschnittlich verwundbar durch Marktunterbrechungen. Die gegenwärtigen Verknappungen haben ihren Grund in der weltweit wachsenden Wirtschaft in Kombination mit Kunststoffexporten von Europa nach Asien und Nordamerika. Logistische Probleme aufgrund einer Verknappung von Containern nach Europa tragen dazu bei, ebenso wie eine geringere Kunststoffproduktion in den USA. Auch ist die Nachfrage nach bestimmten Rohstoffen, die in Schutzartikeln gegen Covid-19 eingesetzt werden, ausgesprochen hoch. „Zudem sehen wir eine beispiellos hohe Zahl an Deklarationen wegen höherer Gewalt“, erklärte Ron Marsh, Vorsitzender der Polymers for Europe Alliance.

Tatsächlich lag im Juli 2020 die Zahl derartiger Force Majeure-Meldungen europaweit bei acht, während sie im März 2021 bereits 38 erreichte. Ende März hatten Deutschland und Belgien jeweils acht solcher Fälle gemeldet, gefolgt von Frankreich mit sechs und den Niederlanden sowie dem Vereinigten Königreich mit je drei. Diese Ereignisse decken sich mit den Polymer-Versorgungslagen: Die genannten Länder sowie Portugal, Griechenland und Kroatien hatten unter beträchtlichen Engpässen zu leiden, während die meisten anderen EU-Mitgliedstaaten lediglich „einige Verknappungen“ hinnehmen mussten. Als „unproblematisch“ wurde die Lage jedoch in keinem EU-Land bezeichnet.

KMU unter starkem Druck
Die über 50.000 kleinen und mittleren Unternehmen, die die europäische Kunststoffverwertungs-Industrie darstellen, stehen unter starkem Druck, müssen sich von den Auswirkungen der Pandemie erholen, sehen sich aber konfrontiert mit einer Rohstoff-Knappheit, die nicht nur ihre Produktionskosten dramatisch steigen lässt, sondern droht, alles zu beenden. Jüngste Umfragen unter Kunststoffverwertern in mehreren Mitgliedstaaten haben gezeigt, dass über 90 Prozent von ihnen von dieser Versorgungskrise betroffen sind und viele sich gezwungen sehen, ihre Produktion zu verringern und weniger oder gar keine neuen Kunden zu akzeptieren, um in der Lage zu sein, ihren bestehenden Vereinbarungen nachzukommen. Sollte diese Situation weiter andauern, kann die Versorgung mit wichtigen Gütern für die Lebensmittel- und Pharmaindustrie nicht länger garantiert werden.

In vielen Fällen ist das Umschalten auf Recyclingmaterial nur zu einem gewissen Maße möglich. Verschiedene Anwendungen verhindern aufgrund gesetzlicher Sicherheitsbestimmungen, technischer Hürden und bestimmter Qualitätsanforderungen einen weiteren Einsatz von Sekundärrohstoffen. Das gilt insbesondere für die erwähnten wichtigen Güter. Rezyklate sind in zufriedenstellenden Mengen und gleichbleibenden Qualitäten nicht erhältlich. Dort, wo Rezyklate etablierte Alternativen bieten, steigen die Preise deutlich, parallel zu denen von Primärmaterialien – und die Verfügbarkeit sinkt. So lag beispielsweise der Preis für LDPE-Folie, der zwischen Oktober 2020 und März 2021 von rund 1.240 auf über 2.000 Euro pro Tonne stieg, noch über dem Preis für Polymer Polypropylen homo Injection Moulding, das im gleichen Zeitraum von rund 1.200 auf circa 1.800 Euro pro Tonne anzog.

(Erschienen im EU-Recycling Magazin 05/2021, Seite 32, Foto: Kriengsak / stock.adobe.com)