EU-Kommission schlägt neue Verpackungsverordnung vor
Mit der Überarbeitung der EU-Rechtsvorschriften über Verpackungen und Verpackungsabfälle werden drei Hauptziele verfolgt.
Erstens soll vermieden werden, dass Verpackungsmüll überhaupt entsteht, indem die Menge reduziert wird, unnötige Verpackungen eingeschränkt und wiederverwendbare und nachfüllbare Verpackungslösungen gefördert werden. Zweitens soll ein hochwertiger, geschlossener Recyclingkreislauf gefördert werden, indem dafür gesorgt wird, dass alle Verpackungen auf dem EU-Markt bis 2030 wirtschaftlich recycelt werden können. Drittens sollen der Bedarf an Primärrohstoffen gesenkt und ein gut funktionierender Markt für Sekundärrohstoffe geschaffen werden, indem durch verbindliche Ziele der Anteil recycelter Kunststoffe in Verpackungsmaterialien erhöht wird.
Das übergeordnete Ziel ist die Verringerung der Verpackungsabfälle um 15 Prozent pro Mitgliedstaat und Kopf bis 2040 im Vergleich zu 2018. Gegenüber einem Szenario ohne Änderung der Rechtsvorschriften würde dies insgesamt zu einer Verringerung des Abfallaufkommens in der EU um circa 37 Prozent führen. Dies geschehe sowohl durch Wiederverwendung als auch durch Recycling.
Klare Kennzeichnung
Zur Förderung der Wiederverwendung beziehungsweise des Nachfüllens von Verpackungen – hier war in den vergangenen 20 Jahren ein starker Rückgang zu beobachten – müssten die Unternehmen den Verbrauchern einen bestimmten Prozentsatz ihrer Produkte in wiederverwendbaren oder nachfüllbaren Verpackungen anbieten, zum Beispiel Getränke und Mahlzeiten zum Mitnehmen oder eCommerce-Lieferungen. Ferner sollten einige Verpackungsformate genormt und eine klare Kennzeichnung wiederverwendbarer Verpackungen vorgeschrieben werden.
Kriterien für die Gestaltung
Um unnötige Verpackungen entschieden anzugehen, sollen bestimmte Verpackungen verboten werden: Zum Beispiel Einwegverpackungen für Lebensmittel und Getränke, die in Restaurants und Cafés verzehrt werden, Einwegverpackungen für Obst und Gemüse, Miniatur-Shampooflaschen und andere Miniaturverpackungen in Hotels. Bis 2030 gelte es auch, Verpackungen uneingeschränkt recyclingfähig zu machen. Dazu sollen unter anderem Kriterien für die Gestaltung von Verpackungen vorgeschrieben und verbindliche Pfandsysteme für Kunststoffflaschen und Aluminiumdosen eingeführt werden.
Präzisiert werden soll außerdem, welche „sehr wenigen“ Verpackungsarten kompostierbar sein müssen, damit Verbraucher sie in den Bioabfall werfen können. Darüber hinaus soll es verbindlich vorgeschriebene Recyclinganteile geben, die die Hersteller in neue Kunststoffverpackungen aufnehmen müssten. Dies soll dazu beitragen, recycelten Kunststoff zu einem wertvollen Rohstoff zu machen, wie das Beispiel der PET-Flaschen im Kontext der Richtlinie über Einwegkunststoffartikel zeigt.
„Der Verwirrung ein Ende setzen“
Der Vorschlag soll „der Verwirrung ein Ende setzen“, welche Verpackung in welchen Recyclingbehälter gehört: „Jede Verpackung wird mit einem Etikett versehen, aus dem hervorgeht, woraus sie gemacht ist und in welchen Abfallbehälter sie gehört, und die Abfallbehälter werden die gleichen Etiketten tragen. Überall in der EU werden dieselben Symbole verwendet“, heißt es in dem Kommissionsvorschlag. Bis 2030 würden die vorgeschlagenen Maßnahmen zu einer Verringerung der Treibhausgasemissionen aus Verpackungen auf 43 Millionen Tonnen führen – im Vergleich zu 66 Millionen Tonnen, wenn die Rechtsvorschriften nicht geändert werden. Diese Verringerung entspreche etwa den jährlichen Emissionen Kroatiens. Der Wasserverbrauch würde um 1,1 Millionen Kubikmeter zurückgehen. Die Kosten der Umweltverschmutzung für Wirtschaft und Gesellschaft würden gegenüber dem Basisszenario 2030 um 6,4 Milliarden Euro gesenkt.
Die EU-Kommission erwartet innovative Verpackungslösungen, die Verringerung, Wiederverwendung und Recycling den Weg ebnen, und die Schaffung von 600.000 Arbeitsplätzen im Wiederverwendungssektor. Nach den weiteren Vorstellungen müsse Biomasse, die zur Herstellung biobasierter Kunststoffe verwendet wird, aus nachhaltigen Quellen stammen, ohne dass die Umwelt geschädigt werde und unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Kaskadennutzung von Biomasse. Hersteller sollten als Ausgangsstoffe in erster Linie organische Abfälle und Nebenprodukte verwenden. Um Grünfärberei zu bekämpfen und eine Irreführung der Verbraucher zu vermeiden, sollten Hersteller außerdem generische Angaben auf Kunststoffprodukten wie „Bioplastik“ und „biobasiert“ vermeiden. Bei der Kommunikation über den Anteil an biobasiertem Kunststoff sollten die Hersteller den genauen und messbaren Anteil biobasierten Kunststoffs im Produkt angeben (zum Beispiel: „Das Produkt enthält 50 % biobasierten Kunststoff“).
Spezifischen Anwendungen vorbehalten
Biologisch abbaubare Kunststoffe sollten mit Vorsicht angegangen werden. Sie hätten ihren Platz in einer nachhaltigen Zukunft, müssten aber spezifischen Anwendungen vorbehalten werden, bei denen ihre Vorteile für die Umwelt und ihr Wert für die Kreislaufwirtschaft nachgewiesen sind. Biologisch abbaubare Kunststoffe sollten keinesfalls achtlos weggeworfen werden dürfen. Zudem müsse ihre Kennzeichnung Aufschluss darüber geben, wie lange es dauert, bis sie biologisch abgebaut sind, und unter welchen Umständen und in welcher Umgebung dies möglich ist. Produkte, die achtlos weggeworfen werden könnten, darunter die unter die Richtlinie über Einwegkunststoffartikel fallenden Produkte, dürften nicht als biologisch abbaubar ausgegeben oder gekennzeichnet werden.
Industriell kompostierbare Kunststoffe sollten nur dann verwendet werden, wenn sie einen Nutzen für die Umwelt haben, sich nicht negativ auf die Qualität des Komposts auswirken und ein geeignetes System zur Sammlung und Behandlung von Bioabfällen vorhanden ist. Industriell kompostierbare Verpackungen seien nur für Teebeutel, Kaffeepads, Obst- und Gemüseaufkleber und sehr leichte Plastiktüten zulässig. Auf den Produkten müsse stets angegeben werden, dass sie im Einklang mit EU-Standards für die industrielle Kompostierung zertifiziert sind.
Der Vorschlag über Verpackungen und Verpackungsabfälle wird nun vom Europäischen Parlament und vom Rat im Rahmen des ordentlichen Gesetzgebungsverfahrens beraten.
Stellungnahmen aus der Branche:
Ökologische Weitsicht erforderlich
Die IK Industrievereinigung Kunststoffverpackungen begrüßt einheitliche europäische Regeln für das Design-for-Recycling von Verpackungen. Für problematisch hält der Verband dagegen die vorgeschlagenen Rezyklateinsatzquoten für kontakt-sensible Kunststoffverpackungen. Zulassungen für werkstofflich hergestellte Rezyklate im Lebensmittelkontakt gibt es bisher nur für PET, stellt IK-Geschäftsführerin Isabell Schmidt fest. Zulassungen für andere Kunststoffe lägen in weiter Ferne. Daher förderten Rezyklateinsatzquoten für kontakt-sensible Verpackungen zuallererst das energieintensive thermo-chemische Recycling, eine Technologie, die noch in der Entwicklung stecke und deren ökologische Bewertung ausstehe.
Kritisch betrachtet werden auch die Verbote bestimmter Verpackungsformate, unabhängig von deren Recyclingfähigkeit. Der Entwurf lasse zu viel Spielraum für eine nachträgliche Erweiterung der Verbotsliste. Zudem förderten Verbote von Kunststoffverpackungen oftmals ökologisch fragwürdige Alternativen. Nicht zuletzt sieht die IK – aufgrund des Detailgrads und der offenen Durchführungsverordnungen oder delegierten Rechtsakte – die Gefahr der Überregulierung ohne Kontrolle der Durchsetzung („Bürokratiemonster“). Der behördliche Vollzug müsse erleichtert werden, damit die Verordnung kein zahnloser Papiertiger werde und ein fairer Wettbewerb stattfinden kann.
Nicht mutig genug
Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) wertet das Vermeidungsziel für Verpackungsabfälle und Vorgaben, die zu Pfandsystemen für Einweg-Plastikflaschen und Getränkedosen führen werden, als Schritte in die richtige Richtung. Das geplante Verbot von Einweg-Verpackungen beim Vor-Ort-Verzehr in der Gastronomie komme allerdings in 2030 zu spät und enthalte zu viele Ausnahmen. Bedauerlich seien außerdem zu späte und unkonkrete Vorgaben zur Recyclingfähigkeit von Verpackungen und eine nach wie vor nicht geschlossene Regelungslücke zur Umgehung nationaler Plastiktütenverbote durch Händler.
Für DUH-Bundesgeschäftsführerin Barbara Metz hat die EU-Kommission bei der Festlegung von Mehrwegquoten nicht genug Mut bewiesen. Eine Mehrwegquote für die wichtigsten Getränkesegmente Mineralwasser und Erfrischungsgetränke von 25 Prozent bis 2040 lasse die Potentiale zur Abfallvermeidung sowie zum Klima- und Ressourcenschutz weitestgehend ungenutzt. In einem zuvor öffentlich gewordenen Entwurf der EU-Verpackungsverordnung habe das Mehrwegziel noch 75 Prozent betragen. Auch die ursprünglich angedachten Mehrwegquoten für Transport- und Versandverpackungen seien höher gewesen und nun abgeschwächt worden.
Wenn rechtliche Zulassungen weiter fehlen
Die Arbeitsgemeinschaft Verpackung und Umwelt (AGVU) sieht die Rezyklat-Einsatzquote bei Lebensmittelverpackungen ins Leere laufen, wenn rechtliche Zulassungen für den Einsatz weiter fehlen. „Hier enttäuscht die EU-Kommission durch fehlende Lösungsperspektiven“, kommentierte Dr. Carl Dominik Klepper, AGVU-Vorsitzender. Der Text lasse offen, wie sichergestellt werden soll, dass neue Mehrwegsysteme für Getränkebecher, -flaschen und -dosen einen ökologischen Vorteil bieten. Das sei nicht automatisch gegeben. So sollten Mehrwegbehälter regional gereinigt, wieder befüllt und ausgeliefert werden, um lange Transportwege und damit Emissionen zu vermeiden. Das Einwegverpackungsverbot beträfe auch Kleinstverpackungen für Milch, Zucker oder Sojasauce sowie viele Obst- und Gemüseverpackungen. Bei derartigen Detailregulierungen, aber auch bei den sehr weitreichenden Dokumentations- und Nachweispflichten für Unternehmen, die die EU-Kommission vorsieht, stünden Kosten und Nutzen in einem deutlichen Missverhältnis.
Ein Schub für das Recycling, aber …
Die vorgeschlagene Verordnung über Verpackungen und Verpackungsabfälle (PPWR) setzt für die European Recycling Industries’ Confederation einen soliden Rahmen, der dem Verpackungsrecycling einen Schub geben werde. Aber die Zeit dränge: Wenn die EU ihren Ambitionen in Bezug auf Kreislaufwirtschaft und Klimaschutz gerecht werden will, sollte der Ausstieg aus nicht recycelbaren Verpackungen und die Umsetzung der Kriterien für das Design for Recycling allerdings drastisch beschleunigt werden. „COP27-Experten warnten bereits vor rekordhohen Emissionen im Jahr 2022. Recycling bietet Lösungen für diese Krise, indem es unseren Bedarf an extrahierten Rohstoffen senkt und dadurch CO2-Emissionen, Energie- und Wasserverbrauch reduziert. Wir brauchen jedoch ein regulatorisches Umfeld, das es Recyclern ermöglicht, in Europa erfolgreich zu sein und erneut zu investieren“, erklärte EuRIC-Generalsekretär Emmanuel Katrakis. „Die vorgeschlagene Verordnung ist ein Schritt in die richtige Richtung. Sie geht aber nicht weit genug, um die Verwendung von nicht recycelbaren Verpackungen zu eliminieren.“ Notwendig seien ehrgeizigere Ziele für Getränkeflaschen und berührungsempfindliche sowie kompostierbare Verpackungen. Zugleich müsse zwischen Materialien unterschieden werden, die sich gut recyceln lassen, aber nicht unbedingt am besten für die Wiederverwendung nutzbar sind, und solchen, die sich besser dafür eignen.
Veränderungen wagen
„Europa muss ein wettbewerbsfähiger Standort bleiben und gleichzeitig Klimaziele, Energieeinsparung und erhöhte Unabhängigkeit von Primärrohstoffimporten erreichen. Dies ist ohne eine Transformation der Wirtschaft vom linearen zum zirkulären Modell nicht möglich. Hier muss die Europäische Union Veränderungen wagen“, erklärte BDE-Präsident Peter Kurth. Der Vorschlag der EU-Kommission sei eine sehr gute Grundlage. Ökodesign-Anforderungen ermöglichten und sicherten die nötige Recycelbarkeit von Verpackungen. Bei der Ausarbeitung der konkreten Ökodesign-Anforderungen werde sehr genau darauf zu achten sein, dass Verpackungen tatsächlich recycelbar sind. Vorrang müsse dabei das werkstoffliche Recycling haben, „weil nur auf diese Weise die Klimaziele erreicht werden können“. Die Ökodesign-Anforderungen müssten sich daher nach der mechanischen Recycelbarkeit von Verpackungen richten.
Nach Auffassung des BDE Bundesverband der Deutschen Entsorgungs-, Wasser- und Rohstoffwirtschaft könnten gut gewählte Ökodesign-Anforderungen das sogenannte „Greenwashing“ bekämpfen. Diese Problematik zeige sich aktuell beispielsweise bei Verpackungen aus faserbasierten Verbunden, die nicht recycelbar sind. Kritisch sieht der Verband jedoch, dass die Ökodesign-Anforderungen abschließend über delegierte Rechtsakte eingeführt werden sollen, die von der Kommission erlassen werden. Dies sei problematisch, weil das Europäisches Parlament und der Rat die Hauptgesetzgebungsorgane der EU sind.
Als richtige Maßnahmen sieht der BDE zudem die Schaffung obligatorischer Vermeidungsziele und die Stärkung der Wiederverwendung von Verpackungen an, weil sie die Durchsetzung der Abfallhierarchie förderten. Zu begrüßen seien auch die Mindest-Rezyklat-Einsatzquoten für 2030, „von deren Ausgestaltung wir im Detail die dringend erforderliche Belebung der Rezyklatmärkten erwarten“. Darüber hinaus befürwortet der Verband die europaweite Einführung einer Systemstruktur zur Sammlung der Verpackungen, die einen wichtigen Beitrag leisten werde, um die nötige Masse an Recyclingmaterial zur Verfügung zu stellen.
(Erschienen im EU-Recycling Magazin 01/2023, Seite 10, Foto: Landratsamt Kitzingen / studio zudem)