Ein Schritt nach vorn: Sperrmüll-Sammlung mit KI

Welche Vorteile hat es, bei der Sammlung von Sperrmüll Künstliche Intelligenz (KI) einzubinden? Horst Tschöke, Vorstand der Entsorgung Herne AöR, gab am 5. Mai 2021 darüber Auskunft auf der eREC, der Digital Recycling Expo and Conference for Circular Economy and Waste Management.

Entsorgung Herne stand Mitte 2019 vor der Aufgabe, ihre Sperrmüllabfuhr per Digitalisierung zu optimieren. Die bisherigen Abholungen hatten mit etlichen Schwierigkeiten zu kämpfen. So betrug unter anderem die abzuholende Abfallmenge prinzipiell vier Zimmer, auch wenn eine genaue Erfassung nicht möglich war und das Volumen des tatsächlich anfallenden Sperrmülls ungewiss blieb. Da das Entsorgungsgebiet in zehn feste Abholgebiete eingeteilt ist, waren keine bezirksübergreifenden Touren möglich. Die Zahl der an einem Tag möglichen geplanten Aufträge war – ungeachtet von Kapazitäten oder Dauer der Fuhren – auf höchstens 13 beschränkt. Außerdem gab es aus Kundensicht lange Vorlaufzeiten und die Festlegung auf nur einen möglichen Abholtag, wodurch auf Kundenwünsche keine Rücksicht genommen wurde.

Zu wenig planbar und zu unflexibel
Den Verantwortlichen des seit 2003 tätigen Unternehmens war dieser Service zu wenig planbar, zu unflexibel und zu wenig kundenorientiert. Ihnen schwebte eine genauere Erfassung und Planung der Sperrmüllmengen vor, eine Realisierung verschiedener Auftragsarten über Bezirksgrenzen hinaus, die stärkere Rücksichtnahme auf Kundenwünsche sowie eine schnellere Terminvergabe. Die in Angriff genommene Bestandsaufnahme analysierte die bisherige Tourenplanung, Verlade- und Anfahrtszeiten sowie Gewichte und Materialien von Sperrmüllhaufen und sah eine Befragung aller Akteure inklusive Kunden zur Abbildung der Abläufe vor; auch wurden eigene Statistiken über die unterschiedlichen Gewichte und Verladedauern von Sperrmüllansammlungen herangezogen.

In der nächsten Phase begann die Zusammenarbeit von Entsorgung Herne mit dem Startup adiutaByte, um mithilfe von Algorithmen zu einer dynamischen Auftrags- und Einsatzplanung zu gelangen. Hierbei halfen Software-Lösungen, unter Berücksichtigung von Restriktionen zu einer KI-gestützten Prognose von Mengen und Verladezeiten zu kommen. Am Ende des Kooperationsprozesses stand ein Programm zur Tourenplanung zur Verfügung, das auf Faktoren wie kurze Wege und gleichmäßige Auslastung Wert legt.

Durch maschinelles Lernen errechnet
Meike Wolter von der Stabsstelle Strategische Planung, Beteiligungen, Öffentlichkeitsarbeit und Abfallberatung der Entsorgung Herne charakterisierte das Tool folgendermaßen: „Das von adiutaByte eingesetzte Prognosesystem errechnet durch maschinelles Lernen geschützt die Dauer und das Gewicht einer Abholung basierend auf der detaillierten Gegenstandsliste jedes Kunden. Auf Grundlage dieser Daten – in Verbindung mit den von uns festgelegten Restriktionen (Schichtzeit, Fahrzeugeigenschaften und gegebenen Fahrzeugkapazitäten, nicht planbare Tage, gesperrte Straßen, Straßenzeitfenster etc.) und festgelegten Optimierungsparametern (u. a. kurze Wege, Pünktlichkeit, Lokalität) – zeigt das System an, an welchem Tag der Auftrag eingeplant werden kann.“ Und Vanessa Wolff von adiutaByte stellt in Aussicht: „So können fahrzeugspezifische Fahrtzeiten und -strecken (basierend auf historischen Daten der Fahrzeuge) ebenso berücksichtigt werden wie verschiedene Verkehrsaufkommen, Rush-Our-Effekte, Wettereinflüsse oder gar besondere Veranstaltungen und große Events, die ebenfalls den Verkehrsfluss verändern können.“

Zeitersparnis und Kundenzufriedenheit
Es würde im konkreten Fall zu weit führen, die einzelnen Parameter und ihre gegenseitigen Abhängigkeiten zu betrachten. In die Entsorgungslösungen, die adiutaByte anbietet, kann jedoch prinzipiell eine ganze Reihe von Faktoren erfasst und korreliert werden, unter anderem Qualifikationen und Fähigkeiten der Mitarbeiter, Kapazitäten und Verfügbarkeiten der Fahrzeugflotte, Standorte der Kunden, Verkehrsaufkommen auf der Strecke, Mitarbeiter- oder Kundenwünsche und selbstredend Kosten von Mitarbeitern und Fahrzeugen sowie Rentabilität der einzelnen Aufträge. Die Vorteile einer KI-gestützten anstelle einer manuellen Planung liegen laut adiutaByte in Zeitersparnis, höherer Mitarbeiter- und Kundenzufriedenheit, der Möglichkeit, auf unvorhergesehene Änderungen zu reagieren, und einer dauerhaften Kostensenkung bei gleicher Auftragslage.

Aus Sicht von Entsorgung Herne realisiert die automatische Berücksichtigung einer Vielzahl an Faktoren und Restriktionen „eine bessere Tourenplanung, als es ein Disponent alleine könnte“, bilanziert Meike Wolter. Dennoch mussten zum Programmstart Grundeinstellungen wie Schichtzeiten oder nicht planbare Tage festgelegt werden, wofür das Wissen der Disponenten unentbehrlich war und ist. „Darüber hinaus kann der Disponent noch in die finale Tagesplanung eingreifen, indem er über die Einstellung von verschiedenen Planungsparametern (insgesamt zehn) die Tour entsprechend der eigenen Wünsche noch etwas fein justiert.“ Und dabei beispielsweise zusätzliche Pufferzeit zur Entlastung von Mitarbeitern an heißen Sommertagen einkalkuliert.

Ein wichtiger Schritt
Nach einer Entwicklungsphase ging das neue Programm im Oktober 2020 in Realbetrieb. Seitdem bietet die Plattform – unter dem TAB „Sperrmüll Online“ auf der Webseite des Unternehmens erreichbar – eine 24-Stunden-Terminvergabe für Sperrmüll an, berücksichtigt Wunschtermine, ermöglicht eine online-Bezahlung und versendet automatisch Auftragsbestätigung und Gebührenbescheid. Offenbar sind nach Darstellung von Horst Tschöke noch einige Anpassungen in Arbeit, darunter die digitale Tourenplanung für die Fahrer, die dynamische Tourenanpassung durch Einbeziehung von ad-hoc-Aufträgen und die Schnittstelle zum Vertriebssystem AIS. Des Weiteren steht der Einbau geographischer, topographischer und klimatischer Anforderungen an.

Dennoch lässt sich schon jetzt feststellen, dass die Änderungen bei der Entsorgung Herne das Kundencenter entlastet, mittlerweile 91 Prozent der Termine online vergeben werden, die Rückmeldung der Bevölkerung durchweg positiv ausfällt und es für Disponenten und die Teams auf Tour mehr Planungssicherheit gibt. Für Horst Tschöke ist die Software-Umstellung der Sperrmüll-Entsorgung jedenfalls ein „wichtiger Schritt in die digitale Zukunft“.

www.adiutabyte.de
www.entsorgung-herne.de

(Erschienen im EU-Recycling Magazin 08/2021, Seite: 31, Foto: Harald Heinritz / abfallbild.de)

 

Anzeige