Buchbesprechung: Band 8 von Mineralische Nebenprodukte und Abfälle erschienen
Mineralische Nebenprodukte und Abfälle enthalten meist wertvolle Rohstoffe, sind aber vielfach nur schwer rückzugewinnen. Darüber, welche technischen Neuerungen und rechtlichen Änderungen aktuell für diese Stoffströme zu verzeichnen sind, informierte am 13. und 14. September 2021 die Berliner Konferenz Mineralische Nebenprodukte und Abfälle des Vivis-Verlags. Die Vorträge können im jetzt erschienenen Kongressband nachgelesen werden.
Auf ungewollte Veränderungen achten
Die Beiträge der ersten Sektion konzentrieren sich auf die Mantelverordnung. Hier untersucht zunächst Daniel Imhäuser (Blasius Schuster Unternehmensgruppe) die möglichen Konsequenzen der neuen Gesetzgebung auf unternehmerisches Handeln. Er macht dabei auf die Rechtsunsicherheit hinsichtlich der Abfalleigenschaft von Ersatzbaustoffen aufmerksam, fordert eine „Synchronisation von Quantitäten und Qualitäten bei Input und Output“, sieht eine verstärkte Notwendigkeit öffentlicher Ausschreibungen und erwartet den weiteren Dialog mit Politik und Behörden, um Kompliziertheit und Risiken der Neuerungen beherrschbar zu machen. Aus Perspektive der Abbruch-Branche merkt Michael Weiß (Ettengruber GmbH Recycling und Verwertung) an, dass – auch wenn laut Bundesregierung angeblich keine Stoffstromverschiebungen zu erwarten seien – auf mögliche ungewollte Veränderungen geachtet werden müsse. Außerdem sieht er die Bundesländer in der Pflicht, dem nach wie vor bestehenden Bedarf an Deponieraum eine politisch abgestimmte Deponiestrategie entgegenzusetzen. Die Aufgaben für die praktische Umsetzung der Verordnung seien vielschichtig.
Feststoffgehalte bewerten oder Augenmaß?
In einem ausführlichen Beitrag begründet Heinz-Ulrich Bertram (Ministerialrat a. D.) seine Ansicht, dass die Schadlosigkeit einer Verwertung von Ersatzbaustoffen nur dann besteht, wenn auch deren Feststoffgehalte im Rahmen einer Qualitätsstrategie bewertet wurden. Nur so seien Schadstoffanreicherungen und -verteilungen zu verhindern und die Akzeptanz der Verwendung von mineralischen Abfällen zu gewährleisten. Andernfalls wäre jeder Bauherr gefordet, das Material kritisch prüfen zu lassen. Dem widerspricht eine Forschergruppe um Thomas Reiche (FEhS – Institut für Baustoff-Forschung e.V.), indem sie für industrielle Nebenprodukte und RC-Baustoffe sensibel festzulegende Erfordernisse erwartet, die den Schutz von Boden und Grundwasser „nach Augenmaß“ vornehmen. Durch überzogene Anforderungen ohne eine ganzheitliche Bilanzierung der Materialeinflüsse auf alle Ressourcen würden unbedenkliche Stoffe für bestimmte Verwendungszwecke ausgeschlossen.
Was sind Bauprodukt-Rezyklate?
Die Abteilung „Bauabfälle“ eröffnet mit einer Betrachtung der Problemfelder, die sich aus der EU- und bundesdeutschen Politik für Bauprodukt-Rezyklate ergeben. Nach Darstellung von Rechtsanwalt Gregor Franßen (EMLE, Madrid) steht der Rezyklat-Begriff in einem engen und gleichzeitig problematischen Verhältnis zur abfallrechtlichen Produktverantwortung. Hierzu gehört auch, das er Nicht-Abfälle ausschließt und somit Abfallvermeidung nicht honoriert. Ebenso resultieren Konflikte aus Vorgaben aus dem Gesundheits- und Umweltschutz. Derartige Defizite und Ungleichbehandlungen von Bauprodukten – so Franßen – sollten beseitigt werden. Ein Beitrag über die Stoffstromüberwachung von Bau- und Abbruchabfällen schließt sich an. Wie eine Forschergruppe um Juan Carlos Hernández Paroddi (Stadler Anlagenbau GmbH) herausfand, lassen sich die Stoffstromcharakteristia derartiger Abfälle prinzipiell erkennen und sogar inerte Materialien mittels Nahinfrarot-Sensoren detektieren. Die resultierenden Daten helfen bei der weiteren Überwachung, Bilanzierung, Steuerung und Optimierung der Anlage.
Versorgungslücke bei Gips schließen
Neuere Ansätze für Gipsrecycling stellt der Beitrag von Karin Weimann (BAM Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung) vor. Sie sind notwendig, um nach dem Entfall von Material aus der Rauchgas-Entschwefelung die Versorgungslücke bei Gips und Gipsprodukten zu schließen. Weimann schlägt neben der Aufbereitung von Gipskarton- und -faserplatten den möglichen Einsatz synthetischer Stoffe vor, dazu die Nutzbarmachung von Gipsputz oder -estrichen. Sie plädiert auch für eine Anhebung der Deponiegebühren und das Ende der Abfalleigenschaften, schließt aber ebenso den verstärkten Abbau von Naturgips oder zusätzliche Importe nicht aus. Nach Lösungen zum thermischen Recycling von teerhaltigen Straßenaufbrüchen suchten – angesichts fehlender Konzepte zur nachhaltigen und wirtschaftlichen Behandlung – Johann Hee und Peter Quicker (RWTH Aachen University). Ihr Ergebnis: Eine thermische Behandlung ist möglich und mit 600 °C ausreichend, um EPA-16-PAK auf Werte unter 25 Milligramm pro Kilogramm zu erreichen; durch Steigerung des Sauerstoffgehalts lassen sich zudem Glühverlust und TOC-Gehalt reduzieren.
VA-Metall-Separierung per Scheider
Das Kapitel „Rückstände aus der Verbrennung von Abfällen“ startet mit einem Beitrag über die Bewertung von MVA-Aschen hinsichtlich HP 14-Belastung durch Kupfer-, Zink-, Blei- und Nickel-Gehalte. Dazu präparierten Dominik Ebert, Yiran Zhu und Rüdiger Deike (Universität Duisburg-Essen) Vergleichsproben metallographisch und verglichen deren Flächen mit metallischen Partikeln miteinander. Zwar ließen die ersten Versuche keine eindeutigen Unterschiede erkennen. Doch könnte mithilfe von Rot-Grün-Blau-Bildbinarisierung ein Verfahren entwickelt werden, das oxidische Reststoffe mit metallischen Anteilen in Schlacken, Filterstäuben oder Schlämmen detektiert. Welche Vorteile ein Allmetallscheider zur Abtrennung von rostfreiem Edelstahl aufweist, macht Rebecca Winkler (refer GmbH) deutlich. Bislang werden in Anlagen zur Rostaschen-Aufbereitung nur Fe- und NE-Metalle, aber keine VA-Metalle separiert. Nach Münz- und Feinkornseparation kann jedoch ein Allmetallscheider für die Fraktion 9-60 mm nachgeschaltet werden, woraus sich ein großer Teil der VA-Fraktion zurückgewinnen lässt. Das Verfahren spart Energiekosten und beeinträchtigt die mineralische Restfraktion nur gering. Eine andere Vorgehensweise zur Scheidung von Allmetall und VA unter Einsatz des selektiven Multispektral-Metaldetektors MD900 präsentiert Andreas Weingart (WMS Technology Group). Nach seiner Einschätzung ist dieser Detektor zur Unterscheidung von reinen Metallen und metallhaltigen Schlacken in Verbunden gut geeignet. Jedoch muss er entweder auf hohe Qualität oder auf hohe Quantität eingestellt sein.
Schlacken durch Konditionierung verbessern
In der nächsten Sektion – Nebenprodukte, Produkte und Abfälle aus der Metallurgie – beantwortet Rechtsanwalt Wolfgang Klett (Köhler & Klett Partnerschaft von Rechtsanwälten mbB) die Frage nach den juristischen Voraussetzungen für Stahlwerksschlacken als Nebenprodukten. Er kommt zu dem Schluss, dass diese Schlacken bei weiterer Verwendung die rechtlichen Anforderungen an Baustoffe erfüllen, als Nebenprodukte nach Paragraf 4 Kreislaufwirtschaftsgesetz einzustufen sind und deshalb keiner behördlichen Bestätigung bedürfen. Inwieweit solches Material – darunter die Linz-Donawitz-Schlacke – durch das Einbringen von Zusatzstoffen so konditioniert werden kann, dass es als Ersatzbaustoff laut Verordnung Einsatz findet, untersuchte Johannes M. Höffgen (RWTH Aachen) zusammen mit Kollegen. Neben der Verbesserung der Raumstabilität und verändertem Auswaschungsverhalten von Chrom und Molybdän ergab die Injektion insbesondere von Quarzsand und Tonerde-Regenerat positive Resultate; der Einsatz von vulkanischem Gestein resultierte hingegen in stärkerer Molybdän-Auslaugung. Ob Blei- oder Zink-haltige Schlacken durch Konditionierung im Elektrolichtbogenofen (ELBO) verbessert werden können, wollten Jürgen Maier und Bernd Friedrich (RWTH Aachen) herausfinden. Ihre Konditionierungsversuche erbrachten eine Reduktion der Blei- und Zinkkonzentration in den Schlacken und resultierten in einem Produkt mit absatzfähigem Zinkgehalt sowie in Zwischenprodukten aus Bleimetallphasen beziehungsweise Blei-Antimon-Legierungen für die Bleiraffination. Zukünftig – so der Tenor der Forscher – sollte eine Mischung verschiedener Schlacken in Betracht kommen, „um bei Bedarf die Konzentration kritischer Elemente zu verdünnen beziehungsweise den Gehalt an Wertmetallen stets in einem konstanten Bereich zu halten“.
Mangel an öffentlicher Akzeptanz
Das letzte Kapitel des Buches legt den Schwerpunkt auf Deponien. Hierzu erläutert zunächst Rechtsanwalt Peter Kersandt (avr – Andrea Versteyl Rechtsanwälte) Notwendigkeit und Verfahrensschritte einer Standortalternativenprüfung als Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit eines Planfeststellungsbeschlusses. Dabei sind Ermittlung, Bewertung und Abwägung ernstzunehmender Standort-Alternativen selbst im Falle von Deponie-Erweiterungen oder -Erhöhungen und sogar bei Deponien auf privatem Grund keine Rechtfertigung für das Außerachtlassen anderer Möglichkeiten. Auch bei Rückbau und Entsorgung kerntechnischer Anlagen müssen bestimmte rechtliche Rahmenbedingungen eingehalten werden, zumal hier der Übergang vom Atomrecht zum Abfallrecht stattfindet und es an öffentlicher Akzeptanz für derartige Deponierungen mangelt, verdeutlicht der darauffolgende Artikel von Lys Birgit Zorn (Buhck Umweltberatung GmbH) und Anne Zschocke. Wie dennoch öffentliche Abstimmungs- und Entscheidungsprozesse zum Ziel kommen können, illustrieren die Autorinnen an schleswig-holsteinischen Beispielen. Das Kapitel schließt mit einem Artikel von Wolfgang Bräcker (Staatliches Gewerbeaufsichtsamt Hildesheim) über Bedingungen und Möglichkeiten, auf Deponien Ersatzbaustoffe wie Elektroofenschlacke, Gleisschotter, Müllverbrennungsasche, Kupferhüttenschlacke, METHA-Material, Stahlwerksschlacke oder teerhaltigen Straßenaufbruch substitutiv einzusetzen.
Mehr als ein aktueller Überblick
Der Kongressband bietet mit seinen annähernd 300 Seiten weitaus mehr als einen aktuellen Überblick über die Behandlung von Aschen, Schlacken, Stäuben und Baurestmassen. Die Artikel, verfasst von Autoren aus Naturwissenschaft, Juristik und Entsorgungspraxis, zeigen aus verschiedenen Perspektiven, inwieweit die Behandlung mineralischer Restströme zulässig, machbar, umsetzbar oder denkbar ist. Somit liefern sie Theoretikern ebenso wie Praktikern Hintergrundwissen, Handlungsanleitungen oder Denkanstöße. Als Band 8 komplettiert der Sammelband die Reihe „Mineralische Nebenprodukte und Abfälle“ und stellt somit einen weiteren Baustein für ein Nachschlagewerk zum Thema dar.
Das Buch, hrsg. von S. Thiel, E. Thomé-Kozmiensky, D.G. Senk, H. Wotruba, H. Antrekowitsch und R. Pomberger, Neuruppin 2021, ist unter ISBN 978-3-944310-54-1 im Buchhandel oder auf www.vivis.de erhältlich.
(Erschienen im EU-Recycling Magazin 11/2021, Seite 42, Foto: O. Kürth)