Rohstoffquelle Tailings: Wie Rückstände aus dem Bergbau verwertet werden können

Der englische Begriff „Tailings“ bezeichnet feinkörnige Rückstände aus der Aufbereitung von Erzen, die als Schlämme anfallen und in Absetzbecken gelagert werden. Sie können wirtschaftsstrategische Metalle wie Indium, Gallium und Cobalt enthalten. Die Projekte „Rewita“ und „Reminta“ an der TU Clausthal entwickeln neue Ansätze zur ganzheitlichen Verwertung des Stoffstroms.

Professor Daniel Goldmann erläuterte auf dem REWIMET Symposium 2021 die Zielsetzung und informierte über das Erreichte: Das bereits abgeschlossene Projekt „Rewita“ (Laufzeit: Mai 2015 bis Dezember 2018) untersuchte die Rückholung und Aufbereitung von Tailings vor dem Hintergrund neu erkannter Wertstoffpotentiale sowie den Problemen der Umweltbelastung und Nachsorgekosten. Im Fokus standen hierbei neben den Massenmetallen besonders die wirtschaftsstrategischen Metalle Indium, Gallium und Cobalt, welche essentiell für verschiedenste Produkte sind. Anwendungsbeispiele sind Bildschirmherstellung (Indium), Photovoltaikanlagen (Indium/Gallium), Leuchtdioden (Gallium) sowie die Batterie- und Legierungsherstellung (Cobalt). Bergbau-, Aufbereitungs- und Verhüttungs-Rückstände stellen zwar eine große Umweltbelastung dar, doch sind in diesen oftmals wesentliche Restmengen an Wertstoffen zu finden, die zum Zeitpunkt der Produktion weder Zielelemente waren noch technisch gewonnen werden konnten. Vor allem bei der Aufbereitung von Bergeteichen (gesammelte Flotationsabgänge) steht die Entwicklung noch am Anfang.

Schlammrückstände des einstigen Erzbergwerks Rammelsberg im Harz enthalten wertvolle Rohstoffe. Von einer Bohrinsel aus nehmen Forschende Proben (Foto: Christian Ernst / TU Clausthal)

Am Beispiel der Bergeteiche des ehemaligen, bis 1988 betriebenen Bergwerks Rammelsberg bei Goslar, arbeiteten die Projektbeteiligten an einem Verfahren, das die Umweltbelastung und verursachten Nachsorgekosten der Bergeteiche am Bollrich (Landschaftseinheit zwischen der Stadt Goslar und ihrem Stadtteil Oker, die durch die Bergbautätigkeit und die Verhüttung von Erzen aus dem Rammelsberg geprägt ist) minimiert und die Gewinnung der restlichen Wertstoffe ermöglicht.

Die einzelnen Schritte umfassten die Analyse und Modellierung der anthropogenen Lagerstädte, die Untersuchung der Wertstoffträger, das Erarbeiten einer Aufarbeitungs- und Hydrometallurgie-Route sowie eine ökologische, soziale und ökonomische Betrachtung der Bestrebungen. Besondere Tiefe erlangte „Rewita“ durch die Beschaffenheit des Materials, da Daniel Goldmann zufolge kaum Wissen über die physikalische und chemische Veränderung des Abraums über den Zeitraum der Ablagerung vorhanden ist.

Das Institut für Aufbereitung, Deponietechnik und Geomechanik an der TU Clausthal übernahm im Rahmen des Projekts die Untersuchung der Aufbereitung und Hydrometallurgie. Hierbei wurden die massenrelevanten Wertstoffe (vor allem Baryt) und die wirtschaftsstrategischen Metalle Indium, Gallium und Cobalt betrachtet. Des Weiteren wurden wesentliche Mengen an Silber und Zink (als Träger der strategischen Metalle) erwartet.

In die Bergeteiche geleitet
Der Rammelsberg lieferte ein äußerst reiches Kupfer-Blei- Zink-Erz mit hohen Gehalten an Gold und vor allem Silber. Seit 1935/36 wurde dort eine Aufbereitung für die sogenannten Reicherze betrieben, deren Abgänge in die Bergeteiche am Bollrich auf der Rückseite des Rammelsbergs geleitet wurden. In einer zweiten Aufbereitungsanlage am Bollrich selbst wurde seit 1953 das metallärmere Banderz aufbereitet; die Aufbereitungsabgänge wurden ebenso in die Bergeteiche geleitet. Als der Bergbau am Rammelsberg 1988 eingestellt wurde, hatten sich sieben Millionen Tonnen an Aufbereitungsabgängen in den Absetzbecken angesammelt. Durch die extrem feinkörnige Struktur und Verwachsung des Erzes konnte eine einigermaßen effiziente Aufbereitung zur Trennung verschiedener Wertträger für nachfolgende getrennte Verhüttungsverfahren erst nach Erfindung der Flotation vor gut 100 Jahren in Angriff genommen werden. Auch bei diesem Verfahren, das seit 1935 im Einsatz war, wurden die sehr feinen Anteile (< 20 µm) vor der Flotation ohne weitergehende Wertstoffgewinnung durch Entschlammung abgetrennt und direkt in die Bergeteiche geleitet.

Nach den weiteren Ausführungen von Daniel Goldmann wurde über einen gewissen Zeitraum Pyrit zur Herstellung von Schwefelsäure gewonnen, davor und danach aber in das Absetzbecken geleitet. In den ersten Dekaden der Produktion wurde kein Baryt gewonnen und in die Bergeteiche geleitet. Erst später – und dann auch nur aus dem „Reicherz“ – erfolgte die Gewinnung von Baryt-Konzentraten.

Die Zinkkonzentrate der Westharz-Erze, insbesondere die des Rammelsberges, wiesen erhebliche Konzentrationen an Indium, Gallium und Germanium auf. Seit Mitte des letzten Jahrhunderts gewann man diese Elemente aus Teilströmen beziehungsweise Rückständen der Verhüttung der Harzer Zinkkonzentrate in Oker. Hierzu wurde ein eigenes metallurgisches Werk eingerichtet: die Herzog Julius Hütte. Zur intensiven Gewinnung dieser Metalle unter Erzeugung von Reinstmetallen wurde Mitte der 1970er Jahre die SMA – Seltenmetallanlage (später PPM Pure Metals) gegründet. Mit Ende des Harzer Blei-Zink-Erz-Bergbaus 1988 endete diese Phase (seither beschäftigt sich PPM mit der Gewinnung von Indium, Gallium und Germanium aus anderen Quellen).

Entwicklung einer Abbauplanung
Der deutliche Preisanstieg für diese Sondermetalle in den letzten Jahren eröffnet Chancen, künftig aus alten Halden (oder Bergeteichmaterial) auch Indium, Gallium und Germanium rückzugewinnen. Daneben stellen die noch verbliebenen Inhalte an Bunt- und Edelmetallen (zu erwarten insbesondere aus den Feinstfraktionen der Entschlämmung) ein mit modernen Technologien prinzipiell separierbares Rohstoffpotential dar. Die nicht gewonnenen Inhalte an Baryt stellen ein wesentliches Rohstoffpotential dar.

Die Schlämme in den Bergeteichen weisen thixotrope Eigenschaften auf. Dies führt bei Bearbeitung des Teichinhalts zu einer Limitierung der Dammstabilität. Daher kann die Rückgewinnung nicht Segment- bzw. Kassetten-weise bei Erhalt des Dammes erfolgen, sondern muss schichtweise bei gleichzeitig-gestuftem Rückbau des Damms vorgenommen werden. Aufgrund identifizierter Schwächen im verkarsteten Untergrund ist der gesamte Körper des Absetzbeckens zu demontieren und der Untergrund zu renaturieren.

Die Lagerstättenmodellierung erlaubt laut Daniel Goldmanns Aussagen, wo im Ablagerungskörper mit welchen Konzentrationen welcher Mineralphasen zu rechnen ist. Vor dem Hintergrund eines gefahrenfreien Rückbaus und einer möglichst gleichmäßigen Versorgung der Aufbereitung mit gleichbleibenden Input-Qualitäten erfolgte die Entwicklung einer Abbauplanung.

Neue Herausforderungen
Im Projekt „Rewita“ wurde ermittelt, dass rund die Hälfte der Masse des Bergeteichinhalts, bestehend aus feingemahlenem Nebengestein sowie Gangart aus dem Erzkörper, ebenfalls einer Verwertung zugeführt werden muss, da eine Wiedereinlagerung vor Ort nicht in Frage kommt und eine Deponierung ökonomisch und ökologisch kaum zu verantworten ist. Die sich verändernden klimatischen Rahmenbedingungen erfordern mittelfristig die Wiederaufnahme der abgelagerten Rückstände, um Risiken, die von Bergeteichen ausgehen, zu eliminieren oder mindestens zu minimieren.

Neben einer möglichen Renaturierung des Tals nach Rückbau der Bergeteiche wäre aber auch die Anlage von Regenrückhaltebecken ins Auge zu fassen: Es würde Raum für Puffer geschaffen, die bei künftigen Starkregenereignissen nützlich wären. Allein durch die mechanische Aufbereitung (Flotation) könnten weder Konzentrate noch Abgänge in hinreichender Reinheit für nachgelagerte Nutzung erzeugt werden. Für viele der via Flotation vorgetrennten Fraktionen müssten hydrometallurgische Verfahren zur weiteren Verarbeitung angewandt werden. Bioleaching-Prozesse bieten hier technische, ökonomische und ökologische Optimierungspotentiale und können für einige Fraktionen zwischen die Flotation und die chemische Laugung geschaltet werden.

Wo das Folgeprojekt „Reminta“ ansetzt
Idealerweise sollen rund 90 Prozent des Inhalts der Bergeteiche einer Verwertung zugeführt werden können. So könnte das Ende des fossilen Zeitalters Pyrit als Rohstoffquelle für die Schwefelsäureproduktion wieder interessant machen. Flugstäube aus der Stein- und Braunkohlefeuerung, die für die Produktion von Zement und Beton wichtig sind, könnten durch feinkörnige Mineralik-Fraktionen ersetzt werden. Hierfür käme der Mineralik-Anteil aus den Bergeteichen in Frage. Ein weiterer Teil könnte als Dichtungsmaterial für Deponien verwendet werden.

Hier setzt auch das Folgeprojekt „Reminta“ an, das auf den Erkenntnissen von „Rewita“ basiert und sich auf die Verwertung der mineralischen Anteile konzentriert. Dazu werden spezielle Scavenger-Flotationsstufen zur Abreinigung der Mineralik-Fraktionen von Sulfiden und Baryt
entwickelt, an die sich biologische und chemische Lageprozesse anschließen. Vor der Laugung soll noch eine flotative Trennung karbonatischer Gangartphasen von der alumosilikatischen Hauptmasse erfolgen. Ergänzend sollen auch Ausbringen und Qualität der Sulfid- und Barytkonzentrate durch Cleanerstufen in der Flotation sowie Laugungsprozesse verbessert werden.

Neu ist der Einsatz von Bioleaching-Verfahren. Parallel zu den Arbeiten am HZDR in Dresden wurde während Untersuchungen bei der BGR in Hannover ein neuartiges Bakterium entdeckt, welches in der Lage ist, insbesondere Cobalt hocheffizient zu laugen.

www.tu-clausthal.de

(Erschienen im EU-Recycling Magazin 12/2021, Seite 14, Foto: Andre Bertram / TU Clausthal)

 

Anzeige