Die Ziele für Siedlungsabfälle 2030 erreichen? Recycling reicht nicht aus

Für Kommunalabfälle sehen der Europäische Green Deal, der Aktionsplan für die Kreislaufwirtschaft und die Abfallrahmenrichtlinie bis 2030 zwei Ziele vor: Erstens sollten mindestens 60 Prozent der Abfälle für Wiederverwendung und Recycling vorbereitet werden, und zweitens müsste der nicht-recycelbare Restmüll auf die Hälfte reduziert werden. Die Europä­ische Umwelt-Behörde erklärt, warum das mit den bisherigen Maßnahmen nicht zu erreichen ist.

Seit 2004 haben sich in der EU die Restabfälle um 16 Prozent verringert. Dennoch fiel 2020 eine Menge von 113 Millionen Tonnen an, die bis in zehn Jahren auf die Hälfte – also 56,5 Millionen Tonnen – zurückgehen müsste. Das absolute Aufkommen an Restmüll ist aber über die letzten Jahre stabil geblieben – trotz steigender Recycling­raten von 45 Prozent für 2015 und 48 Prozent für 2020. Die Fortschritte im Recycling wurden ausgeglichen durch gestiegenes Abfallaufkommen.

Ziele unweigerlich verfehlt
Eine Studie der Europäischen Union hat Szenarien für das Aufkommen von Siedlungsabfall entwickelt, bei denen die Menge bis 2030 relativ stabil bleibt, wobei eine Prognose eine leichte Abnahme um minus 3,6 Prozent und eine andere einen leichten Zuwachs von plus 3,7 Prozent im Vergleich zu den Werten von 2018 zugrunde legt. Angenommen, alle EU-Mitgliedstaaten befolgen das Zunahme-Szenario und halten das Recyclingziel von 60 Prozent ein, würde das Restmüll-Aufkommen weiterhin bei rund 87 Millionen Tonnen im Jahr 2030 liegen – das Ziel von 56,5 Millionen Tonnen wäre um über die Hälfte verfehlt. Selbst im Abnahme-Szenario könnten die Restmüll-Vorgaben nicht eingehalten und um 44 Prozent verfehlt werden.

Eine Quote von 75 Prozent?
Folglich ist die Halbierung des Restmülls bis 2030 ohne Reduzierung des Abfallaufkommens unwahrscheinlich, denn dann müsste die durchschnittliche europäische Recyclingquote auf 72 oder 73 Prozent anziehen. Diese Rate liegt weit über den jetzigen 48 Prozent und deutlich höher als selbst die 65-prozentige Quote, die die Abfallrahmenrichtlinie für 2035 vorsieht. Denn viele EU-Mitgliedstaaten kämpfen noch darum, die Vorgaben für 2020 und 2025 zu erfüllen. Derartig hohe Recyclingraten gab es noch nie, und sie würden enorme Fortschritte bei Getrenntsammlung und Recycling-Infrastruktur erfordern, gestützt auf ein weitverbreitetes Re-Design für die Produkte, um diese besser recyceln zu können. Solche Änderungen würden beträchtliche Investitionen benötigen und zu minderwertigem Recycling führen.

Abfallvermeidung erheblich steigern
Allerdings wäre es möglich, die kommunale Restabfall-Menge mit einer Recyclingquote von 60 Prozent zu erreichen, wenn das Aufkommen von Siedlungsabfällen auf ein Drittel gesenkt würde. Das ließe sich durch eine erhebliche Steigerung der Abfallvermeidung in EU und Mitgliedstaaten bewerkstelligen. Dazu müsste Recycling durch die Einführung von Abfall-Richtlinien angeregt werden. Alternativ könnten harte Abfallvermeidungs-Strategien zur Anwendung kommen. Ebenso könnte eine Kombination von verstärktem Recycling und intensiveren Bemühungen zur Reduktion zielführend sein. Tatsächlich hat die Praxis in verschiedenen Kommunen gezeigt, dass es möglich ist, über 60-prozentige Recyclingquoten bei steigender Abfallvermeidung zu realisieren.

Vermeidung im Strategien-Mix zu bevorzugen, bringt deutliche Umweltvorteile. Weniger Abfälle verbrauchen nicht nur weniger Material und erhöhen die Ressourcen-Effizienz, sondern reduzieren auch die mit der Abfallwirtschaft verbundenen Betriebskosten und dienen Umwelt und Klima mehr als Recycling.

Durch den Aktionsplan unterstützt
Abfallvermeidung ist seit langem ein Ziel der europäischen Abfallpolitik. Doch obwohl alle Mitgliedstaaten seit 2013 Programme zur Umgehung von Abfällen zu entwickeln und regelmäßig zu aktualisieren hatten, gibt es keinen messbaren Effekt auf EU-Ebene, da die Mengen an Kommunalabfall-Mengen in Wirklichkeit stiegen. Doch es gibt Anzeichen, dass zukünftig gesteigerte Maßnahmen zu Abfallvermeidung eingeführt werden. Die Länder mit kürzlich revidierten Programmen haben in gewissem Umfang ihren Fokus von hauptsächlich Informations-basierten Instrumenten wie Aufklärungskampagnen und Gelegenheiten zum Meinungsaustausch verlagert auf regulierende oder ökonomische Methoden, die die Leistungsfähigkeit schnell erhöhen dürften. Zusätzlich wird auf EU-Ebene von einigen der Aktionen und Maßnahmen im Aktionsplan zur Kreislaufwirtschaft erwartet, dass sie die Vermeidung von Siedlungsabfällen unterstützen. Zu den wichtigsten gehören die Initiative für nachhaltige Produkte, die „Recht auf Reparatur“-Initiative, Strategien für wesentliche Wertschöpfungsketten und die Übereinkunft der EU-Kommission, für spezifische Abfallströme inklusive Lebensmittelabfällen Vermeidungsziele aufzustellen.

Allerdings: Obwohl verbindliche Zielsetzungen Erfolge hinsichtlich einer besseren Abfallbewirtschaftung gezeigt haben, existiert keine einzige für Abfallvermeidung auf EU-Ebene.

Der vollständige Artikel ist nachzulesen unter: www.eea.europa.eu/publications/reaching-2030s-residual-municipal-waste/reaching-2030s-residual-municipal-waste

(Erschienen im EU-Recycling Magazin 06/2022, Seite 12, Foto: Harald Heinritz / abfallbild.de)

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