bvse-Branchenforum 2022: Qualitätsoffensive Schrott

Zum diesjährigen Branchenforum des bvse-Bundesverband Sekundärrohstoffe und Entsorgung e.V. in Leipzig konnten die Organisatoren rund 150 Teilnehmer begrüßen, die sich über die neuesten Entwicklungen im Schrott- und E-Schottrecycling informieren ließen.

So war das 16. Forum Schrott den Erfordernissen und Herausforderungen der Dekarbonisierung in der Stahlindustrie gewidmet und stand deshalb unter dem Motto „Qualitätsoffensive Schrott“. Sebastian Will, stellvertretender Vorsitzender des bvse-Fachverbandes Schrott, E-Schrott und Kfz-Recycling, konstatierte in seiner Begrüßung, dass die meisten der im Fachverband organisierten Marktteilnehmer mit den Geschäftsergebnissen des Jahres 2021 zufrieden sind und auch für dieses Jahr ein „gutes Gefühl“ haben. Aber angesichts der vielfältigen Vorschriften sowie dem „Green Deal“ und dem „Aktionsplan Kreislaufwirtschaft“ ergäben sich Veränderungen für das Kreislaufmaterial Schrott. Die Schrottbranche steht vor steigenden Herausforderungen, denn es werden künftig höhere Anforderungen an den Sekundärrohstoff Schrott gestellt, zumal die Stahlproduktion klimafreundlicher werden soll.

Sebastian Will: Die meisten Unternehmen der Schrottbranche sind mit den Geschäftsergebnissen des Jahres 2021 zufrieden (Foto: bvse)

Schrottrecycling und Stahlproduktion
Wie eine nachhaltige Stahlerzeugung im Sinne der Kreislaufwirtschaft aussehen kann, erläuterte Ulrich Grethe, Mitglied der Konzerngeschäftsleitung der Salzgitter AG, GB Stahlerzeugung, und Vorstandsvorsitzender der Salzgitter Flachstahl GmbH. Seinen Angaben zufolge betreibt der Stahl- und Technologiekonzern sein integriertes Hüttenwerk in Salzgitter nahezu energieautark und schließt Materialkreisläufe. Trotzdem fallen bei der Produktion jährlich etwa acht Millionen Tonnen CO2 an. Um die Kohlendioxid-Emissionen um etwa 95 Prozent zu vermindern, hat der Konzern gemeinsam mit Partnern das Projekt SALCOS (Salzgitter Low CO2 Steelmaking) entwickelt. Dies soll durch die Nutzung von Wasserstoff und die Umstellung der Hochöfen auf Direktreduktion erreicht werden (dabei wird – im Gegensatz zur Hochofen-Konverter-Route – Eisenerz durch Wasserstoff direkt im festen Zustand zu Eisen reduziert; bei dieser Technik wird an Stelle von CO2 Wasserdampf freigesetzt). Während beim konventionellen Verfahren im Konverter der Anteil von Roheisen bei rund 80 Prozent liegt und der Schrotteinsatz etwa 20 Prozent beträgt, wird der Umstieg auf die „SALCOS-Route“ mit der vorgesehenen Nutzung von Elektrolichtbogenöfen (Schrotteinsatz: bis zu 100 Prozent) einen deutlich größeren Bedarf an qualitativ hochwertigem Fe-Schrott nach sich ziehen. Dies bedeutet laut Grethe, dass Schüttdichte und maximale Größe des Schrotts ebenso eine Rolle spielen werden wie der Reinheitsgrad des Einsatzmaterials sowie der Gehalt an Kupfer, Chrom, Nickel und anderen Begleitelementen. Zudem soll die Schrottzusammensetzung auf die herzustellende Stahlqualität abgestimmt sein.

Beschrieb eine nachhaltige Stahlerzeugung im Sinne der Kreislaufwirtschaft: Ulrich Grethe (Foto: bvse)

Wie der Redner weiter betonte, will die Salzgitter AG bis zum Jahr 2030 die Mengen im Stahlrecycling erhöhen, unter anderem durch Bündelung und Optimierung der konzerneigenen Stahlschrottkapazitäten. Darüber hinaus sollen Wertschöpfungsketten weiter geschlossen werden, indem das Unternehmen Kreisläufe (Closed Loops) mit Kunden, beispielsweise BMW, VW und anderen Firmen, realisiert. Um eine solche Transformation voranzutreiben wünscht sich Ulrich Grethe:

  • Anschubfinanzierungen für großindustrielle Pilotprojekte (SALCOS)
  • Anreizsysteme zur Etablierung grüner Leitmärkte
  • Sicherstellung fairer Wettbewerbsbedingungen
  • Zeitnahe Durchführung von Infrastruktur- und Energieversorgungsmaßnahmen
  • Bereitstellung größerer Schrottmengen in hoher Qualität durch optimiertes Sortieren und Aufbereiten wie auch
  • Effizientes Schließen von Wertschöpfungsketten.

 

Konzentration in der Schrottwirtschaft

Chi Hin Ling von der international tätigen Argus Media Group informierte über die „neue Welle der Konsolidierung“, die auch in Europa an Fahrt aufnimmt. Ursachen für diese Entwicklung seien die angekündigten enormen Kapazitäten für „grünen Stahl“, die in den kommenden Jahren in Betrieb gehen sollen. Als weitere Treiber auf der Käuferseite identifizierte der Redakteur der Publikation „Argus Metal Prices“ die Sicherung von Margen und Rohstoffen. Darüber hinaus hätten die gestiegenen Schrottpreise auch höhere Unternehmensbewertungen nach sich gezogen, was die Besitzer zum Verkauf ihrer Anlagen motiviere.

 

Heiner Guschall: Schredder- und Scherenschrott lassen sich zu „Design-Schrott“ aufbereiten, der dem gewünschten Endprodukt in Bezug auf Reststoffe, Schmelzprozess und Materialkosten entspricht (Foto: bvse)

Anforderungen an die Schrottaufbereitung
Heiner Guschall, Geschäftsführer der SICON GmbH, stellte in dem – mit der Firma Primetals Technologies Austria GmbH erarbeiteten – Vortrag „Die Dekarbonisierung der Stahlindustrie und ihr Einfluss auf die Anforderungen der Schrottaufbereitung“ die Bedeutung der Schrottbranche heraus: Während im Jahr 2020 weltweit rund 640 Millionen Tonnen Schrott eingesetzt wurden, sei die Menge im vergangenen Jahr auf 670 Millionen Tonnen gestiegen. Dieser Trend werde sich weiter fortsetzen. 2021 wurden 1,912 Milliarden Tonnen Stahl erzeugt, wobei der Schrottanteil etwa 35 Prozent ausmachte. Wie der Redner weiter betonte, wird Schrott markt- und bedarfsgerecht gehandelt, auf Basis privatwirtschaftlicher Vereinbarungen zwischen Lieferanten und Stahlwerken; die bekannten Schrottsortenlisten bildeten dabei den Rahmen und eine Orientierung.

Allerdings werde die Schrottqualität stark durch das Marktgeschehen beeinflusst. Aufgrund der Nachfragesituation sowie des Einkaufsverhaltens der Stahlwerke könnten sowohl der Eisen- als auch der Fremdstoffgehalt in den Massensorten HMS 1/2 und E 40 stark schwanken. Oft würden minderwertigere, mit Fremdstoffen durchmischte Schrotte in Drittstaaten exportiert, wo die Stahlwerke durch die Zugabe von Bonusschrott entsprechende Stahlqualitäten erzeugten. „Dies sind wiederum Qualitäten, die in der Flachstahlproduktion in Zukunft dringend in der EU gebraucht werden“, informierte Heiner Guschall. Während Neuschrott an der Entfallstelle am saubersten sei, steige bei Altschrott mit zunehmenden Handels- und Umlaufaktivitäten der Fremdstoffanteil. Hinzu komme, dass der Anteil von NE-Metallen im Schredderschrott steigt, unter anderem aufgrund der elektrischen und elektronischen Komponenten in heutigen Autos.

Um die Qualität von Schredderschrott zu verbessern, ist den Angaben zufolge die Integration von Vorschreddern in den automatisierten Prozess vorteilhaft, da sich auf diese Weise eine Dichte bis zu 1,4 Tonnen pro Kubikmeter erreichen lässt. Zur Separierung des Eisenmaterials von unerwünschten Stoffen wie beispielsweise Kupferteilen eignet sich verbesserte Magnettechnik. In diesem Zusammenhang wies der Redner darauf hin, dass bei dieser Trenntechnik (zum Beispiel mit MagSpin) ein „Unterlauf-Modus“ bessere Sortierergebnisse realisiert als eine Aussonderung des Fe-Materials im Überlauf. Auf diese Weise lasse sich der Unsicherheitsfaktor Handsortierung vermeiden. Eine erste Schredderanlage ohne manuelle Sortierung gehe im Sommer in den USA in Betrieb.

Eine weitere Möglichkeit, aus Schredderschrott ein Qualitätsprodukt zu erzeugen, ist die permanente Online-Analyse in Echtzeit, beispielsweise durch EcoScan. Der Vorteil: Durch diese Qualitätskontrolle wird Qualität sichtbar, transparent und für das Stahlwerk planbar, zumal der Einsatz des Schredderschrotts gesteuert werden kann. So aufbereitetes Schreddermaterial lässt sich laut Heiner Guschall im Hochofenprozess ebenso einsetzen wie direkt in Elektrolichtbogenöfen (EAF).

Auch durch Qualitätsverbesserungen beim Scherenschrott (E3) ist eine Erhöhung des Schrotteinsatzes zu erreichen. Die Aufbereitung könne beispielsweise durch die Prozessschritte Reinigung, Vorzerkleinerung mittels Rotorschere oder Vorschredder sowie automatischer Sortierung durch Integration eines „Scrapmonitors“ in Verbindung mit chemischer Analyse erfolgen.

Durch einen so hergestellten „Design-Schrott“, der dem gewünschten Endprodukt in Bezug auf Reststoffe, Schmelzprozess und Materialkosten entspricht, lässt sich der Schrottanteil in der EAF-Charge für hochwertige Stahlsorten erhöhen, betonte Heiner Guschall. Die Optimierung der Schnittstellen zwischen Schrottaufbereitung und Schrotteinsatz sei durch verstärkte Digitalisierung möglich.

(Erschienen im EU-Recycling Magazin 06/2022, Seite 22, von Brigitte Weber, Foto: O. Kürth)