Interview: „Wir sehen GFK als Rohstoff und wollen daraus wieder was machen“

Die für 2022 erwartete Repowering-Welle ist bislang ausgeblieben, und viele Betreiber haben die Laufzeit ihrer Windräder verlängert. Dennoch werden hier die Stilllegungszahlen voraussichtlich steigen und vermutlich mehr Rotorblätter ins Recycling kommen. Damit befasst sich die Eurecum GmbH & Co. KG in der Lutherstadt Eisleben, Sachsen-Anhalt. EU-Recycling hat mit René Kannheiser, Projektleiter Windkraft bei Eurecum, über die Entwicklung des Geschäftsbereichs gesprochen.

Eurecum wurde im Jahr 2006 gegründet und ist spezialisiert auf maßgeschneiderte Ver- und Entsorgungskonzepte. Der Schwerpunkt liegt in der Verwertung von Gewerbeabfällen und in der Herstellung von Ersatzbrennstoffen.

Herr Kannheiser, seit wann ist das Unternehmen im Recycling von Windrädern aktiv?
Wir haben 2021 damit begonnen. Das war Neuland für uns: Wie kriegen wir die Rotorblätter auseinander und was machen wir mit ihnen? Die ersten Blätter wurden von einem Partnerunternehmen zersägt und zum Eurecum-Produktionsstandort Eisleben gebracht. Zuerst dachten wir an die Herstellung von Ersatzbrennstoff für die Zementindustrie, so wie das auch mit anderen Abfällen geschieht. Ein Unternehmen, das in unserer Nähe sitzt und einen Compound-Werkstoff aus Kunststoff und Holz herstellt, kam auf uns zu und überzeugte uns, die glasfaserverstärkten Kunststoffe aus den Blättern stofflich zu verwerten: „Das ist doch ein prima Rohstoff, können wir da nicht was zusammen machen?“ Wir fingen an zu experimentieren und sind dann auf den Trichter gekommen, das Material so aufzubereiten, dass es bei denen im Produktionsprozess verwendet werden kann.

René Kannheiser (Foto: Eurecum GmbH & Co. KG)

Sie selber sind aber erst später zu Eurecum gestoßen?
Ich bin seit November letzten Jahres im Unternehmen. Es gab immer mehr Anfragen zum Thema Windkraftanlagen und Recycling von Rotorblättern, und Eurecum suchte einen Experten, der sich um diesen Aufgabenbereich kümmert. Ich komme aus der Windkraftbranche, bin dort seit 1997 tätig, anfangs als Techniker. Später war ich Betriebsleiter in einem Unternehmen der Region.

Wieviel Kapazität nimmt das Windrad-Recycling prozentual im Vergleich zur Behandlung anderer Industrie- und Gewerbeabfälle in Anspruch?
Die Aufbereitungsanlage am Standort Eisleben hat eine Betriebsgenehmigung für 200.000 Tonnen im Jahr. Was wir an ungefährlichen Abfällen verarbeiten können, schöpfen wir nicht komplett aus. Da sind wir ungefähr bei der Hälfte, also rund 100.000 Tonnen im Jahr. Was die GFK-Linie angeht, erreichen wir zwischen 1.500 und 2.000 Jahrestonnen. Und wir stellen auch Ersatzbrennstoffe her. Wir haben jedoch Reserven und können die GFK-Kapazitäten jederzeit auf bis zu 4.000 Tonnen aufstocken. 2021 wurden bei Eurecum 2.500 Tonnen GFK verarbeitet. Zur Verwertungsleistung des Betriebs trägt das Windradrecycling zwei bis drei Prozent bei.

Wovon ist die GFK-Kapazitätserhöhung abhängig?
Die für dieses Jahr erwartete Repowering-Welle ist bislang ausgeblieben. Das hängt ganz einfach mit den Preisen zusammen und damit, was momentan an der Strombörse für den Strom bezahlt wird. Viele Windkraftanlagenbetreiber haben sich dazu entschieden, die Anlagen so lange es geht laufen zu lassen, und gehen hier teilweise noch in den 20plus-Betrieb, also über das Ende der EEG-Förderung hinaus. Die erzielen so viel Ertrag für den Strom, dass sie sagen: Das lohnt sich, die Anlagen im 20-Jahre-Plus-Betrieb weiter laufen zu lassen.

Welchen Radius hat das Einzugsgebiet, in dem Sie in puncto Windräder aktiv sind?
Momentan agieren wir deutschlandweit. Geplant sind verschiedene Projekte in Europa, unter anderem in den Benelux-Ländern, Österreich und den Ostsee-Anrainerstaaten. Die sind aber noch nicht spruchreif.

Foto: Eurecum GmbH & Co. KG

Wie viele Mitarbeiter sind operativ am Rotorblatt-Recycling beteiligt?
Wir produzieren in drei Schichten mit vier Mitarbeitern. Die GFK-Linie läuft derzeit nicht permanent. Bei einem permanenten Lauf werden 15 Mitarbeiter gebraucht.

Sie deuten auf Ihrer Webseite die „Zerkleinerung sowie Entsorgung von Fundamenten, Türmen, Gondeln und Rotorblättern“ an. An der Demontage wie vieler Windkraftanlagen war Eurecum mittlerweile beteiligt?
Eurecum demontiert die Anlagen nicht selber; das machen im Abriss tätige Partnerunternehmen. Die konzentrieren sich auf die Betontürme und den Stahlschrott. Wir organisieren das und bereiten es vor. Ein ausschließliches Demontageprojekt führen wir nicht durch. Die reinen GFK-Projekte – ohne dass wir die Anlagen abgebaut haben – waren in diesem Jahr drei Windparks mit fünf, zehn und 20 Anlagen. Von den Windparks bekommen wir des Weiteren Rotorblätter zur Entsorgung, die als Ersatzteile angeschafft wurden, aber dafür nicht mehr taugen. Beim Hersteller Enercon zum Beispiel haben wir im letzten Jahr 700 Tonnen entsorgt. Auch werden durch uns Rotorblätter aus Testreihen entsorgt. Wir verarbeiten Reste aus der Produktion sowie Stäube.

Sie schreiben auf Ihrer Website, dass die Rotorblätter an Ort und Stelle „rationell zerschnitten werden“. Was ist darunter zu verstehen?
Die Entsorgung eines Rotorblattes ist kostenintensiv. Ein großer Teil entfällt hier auf den Transport. In den Windparks, die derzeit repowered werden, sind die Rotorblätter im Durchschnitt 30 Meter lang. Sie müssen einen Schwertransport mit entsprechender Genehmigung und geeignetem Lkw organisieren. Das treibt den Preis nach oben, und der Kunde möchte natürlich den günstigsten Preis haben. Wir schneiden daher die Blätter auf der Bau­stelle so auseinander, dass die Transportfläche im Lkw optimal ausgefüllt werden kann. Das Material wird hierzu ineinander verschachtelt – so nennen wir das: Die kleineren Blattteile werden in die größeren gesteckt. So können auf einem Lkw mehr Blattteile wirtschaftlich transportiert werden.

Foto: Eurecum GmbH & Co. KG

Früher wurde das mit baggergeführten Kreissägen gemacht. Welche Schneidtechnik setzen Sie heute ein?
Wir schneiden die Blätter mit einer Diamantseilsäge auseinander. Die Staubentwicklung ist geringer, und Diamantseilsägen sind auch deutlich leiser wie Baggersägen. Der Staub wird aufgefangen, mit Wasser gebunden und dieses dann abgesaugt. Es entstehen keine Belastungen durch Späne oder Stäube, die durch die Gegend fliegen. Durch unsere Sägetechnik sind wir in der Lage, auf jede erdenkliche Größe zu trennen. Mit einer Baggersäge können Sie zum Beispiel in ein Rotorblatt mit einem Durchmesser von 1,80 Metern nur 80 Zentimeter tief schneiden. Dann müssen Sie das Blatt drehen, um die nächsten 80 Zentimeter zu schneiden. Bei einem Durchmesser von drei Metern und bei 60-Meter-Blättern von sogar 4,70 Metern kommen Sie mit einer Baggersäge einfach nicht mehr durch.

Kommen wir zum Zerkleinerungsprozess in der Eurecum-Anlage. Wie sehen die Verarbeitungsschritte aus?
Im Vorfeld werden Anbauteile wie Blitzableiter manuell abgetrennt. Der anschließende automatisierte Prozess umfasst die Vor- und Nachzerkleinerung der angelieferten Rotorblätter-Stücke, verbunden mit Staub-, Störstoff-, Fe- und NE-Metallseparation. Im GFK laminierte Materialien, die erst nach der Zerkleinerung quasi an die Oberfläche kommen, werden ebenfalls aussortiert. Endprodukt sind industriell hochwertige Granulate mit einer Korngröße zwischen 40 und 18 Millimetern, die gesiebt in Silos und Big Bags abgefüllt werden und dann zur weiteren Verarbeitung an unser Partnerunternehmen gehen. Auch der Staub wird für neue Compound-Produkte eingesetzt.

Das GFK-Granulat findet also in Zementwerken keine Verwendung als Ersatzbrennstoff?
Das ist kein Ersatzbrennstoff. Das Granulat findet in der Kunststoffindustrie Anwendung. Daraus entstehen Produkte: Kfz-Teile, Gartenmöbel, Terrassendielen und vieles mehr. Wir haben Abnehmer in der kunststoffverarbeitenden Industrie. Wir sehen GFK als Rohstoff für dauerhafte Produkte und nicht als einmaligen Energieträger.

Diamantseilsäge (Foto: Eurecum GmbH & Co. KG)

Die Stilllegungszahlen von Windkraftanlagen werden voraussichtlich steigen. In welcher Form können Sie sich eine Erweiterung Ihrer Recyclingkapazitäten vorstellen?
Eurecum ist dabei, eine zweite GFK-Linie mit den entsprechenden Kapazitäten aufzubauen. Dazu wird auch eine andere Trenntechnik installiert. 2023 werden wir eine Jahreskapazität von 8.000 Tonnen erreichen. Dafür gilt es, noch Absatzwege zu schaffen. Das ist ein größerer Prozess, an dem noch andere Unternehmen beteiligt sind, die ihre Kapazitäten ebenfalls ausbauen.

Eurecum baut auch einen Ersatzteil- und Second Life-Markt auf?
Ja. Da geht es um Objekte, die einem Repowering-Projekt im Weg sind und weg müssen, aber eigentlich zu schade für das „zerstörende“ Recycling sind. Trafostationen zum Beispiel, und auch Generatoren und Getriebe werden auf dem Gebrauchtmarkt nachgefragt. Man kann auch Windräder komplett verkaufen, wenn die Türme nicht gerade aus Beton sind. Begehbare Trafostationen lassen sich zu Fahrrad- oder Motorrad-Garagen umfunktionieren.

Planen Sie, zukünftig Ihre Recyclingangebote qualitativ – hinsichtlich Annahme von Materialien oder neuen Endprodukten – auszubauen?
Ein Ziel ist mehr Flexibilität bei der Größe des Endprodukts. Die Kunststoffindustrie braucht unterschiedliche Granulate für ihre Anwendungen. So wollen wir künftig auch Granulate mit Korngrößen von vier und drei Millimetern anbieten und die Sortenreinheit steigern.

Herr Kannheiser, vielen Dank für das Interview!
(Das Interview führten Dr. Jürgen Kroll und Marc Szombathy)

www.eurecum-gmbh.de

(Erschienen im EU-Recycling Magazin 06/2022, Seite 19, Foto: Eurecum GmbH & Co. KG )