Bulgarien Spitze beim Recycling von Kunststoffverpackungen in Europa?

Vor einem Jahr hat die bulgarische Regierung eine Roadmap für die Abfallbewirtschaftung verabschiedet und dazu ein Maßnahmenpaket für mehr Getrenntsammlung und Recycling geschnürt. Landesweit sind immer noch 130 offizielle Deponien und weitere unzählige wilde Müllkippen in Gebrauch.

Die meisten offiziellen Deponien in Bulgarien – 114 an der Zahl – genügen bis heute nicht den EU-Umweltstandards, weswegen Strafverfahren der Kommission gegen das Land beim Europäischen Gerichtshof anhängig sind. Pro Einwohner und Jahr fallen 444 Kilogramm Siedlungsabfälle an. Davon werden 260 Kilogramm pro Einwohner und Jahr – samt Wertstoffen – unsortiert Glas, Papier/Pappe/Kartonagen, Plastik und mit hohem Anteil an organischen Abfällen auf Deponien verbracht (Stand: 2020; Quelle: Euro­stat). Im Jahr 2020 ermittelte zudem die bulgarische Staatsanwaltschaft in 140 Fällen illegaler Müllablagerung.

Stofflich oder thermisch verwertet?
Dennoch scheinen weniger als die Hälfte aller anfallenden Kunststoffverpackungen auf diese Weise „entsorgt“ zu werden: Am 27. Oktober 2021 veröffentlichte Eurostat Zahlen aus 2019 zum Recycling von Kunststoffverpackungen in der Europäischen Union. Bulgarien belegte hier unter den Mitgliedstaaten mit einer Verwertungsquote von 59 Prozent den dritten Platz – hinter der Tschechischen Republik (61 Prozent) und an erster Stelle Litauen (70 Prozent).

Nach Informationen von Germany Trade & Invest erreichte 2020 die Quote in Bulgarien sogar 62 Prozent. Die Verwertungsmengen sind nicht weiter (in Tonnen) beziffert. Unklar ist auch, woher die Kunststoffverpackungen, die angeblich ins Recycling gehen, stammen – aus der kommunalen Sammlung, aus dem Ausland, und über welche Wege? Abfalltrennung als Voraussetzung für Recycling findet in Bulgarien immer noch zu wenig statt. Im Jahr 2020 wurden nur 38 Prozent des kommunalen Abfallaufkommens überhaupt einer Aufbereitung und Verwertung zugeführt.

Wurden die Kunststoffverpackungen in 2019 überwiegend stofflich oder thermisch verwertet? Das lässt sich nicht sagen. Nach den spärlichen Erklärungen im Eurostat-Bericht sind die in den letzten Jahren aufgebaute Organisation und Infrastruktur sowie die enormen Investitionen (von europäischen Fonds und von privaten bulgarischen Investoren) der Hauptfaktor für die „Spitzenposition“ beim Recycling von Kunststoffverpackungen. Laut den Wirtschaftskammern Österreichs (WKO) sind in Bulgarien mehr als 60 Trennanlagen gebaut worden und gibt es über 130 Unternehmen mit einer Lizenz zum Kunststoffrecycling, deren Gesamtkapazität die Menge der gesammelten Kunststoffabfälle übersteigt.

Bereit zu investieren
Mit dem Ziel, die Recyclingquoten bei Siedlungsabfällen bis zum Jahr 2035 zu verdoppeln, die Getrenntsammlung zu fördern und das Abfallaufkommen insgesamt zu reduzieren, hat die bulgarische Regierung im Februar 2021 ein neues Abfallgesetz und im Oktober letzten Jahres eine sogenannte Roadmap für die Abfallbewirtschaftung verabschiedet.

Das neue Abfallgesetz regelt jetzt auch die Sammlung und Behandlung von Altextilien und -schuhen als zu recycelnden Stoffen. Hersteller und Händler müssen sich spätestens ab 2025 in einem Abfallregister eintragen. Städte ab einer Größe von 300.000 Einwohnern müssen Sammelcontainer für Altkleider und Schuhe aufstellen.

Die Maßnahmen der Roadmap sehen den Bau von 50 Kompostier- sowie 40 Sortier- und Vorbehandlungsanlagen für Haushaltsabfälle vor, die die Kommunen bereits planen. Auch in die Modernisierung der Infrastruktur soll investiert werden. Für die Abfallentsorgung in den 20 Regionen des Landes sind lokale Abfallverbände zuständig. In der Hauptstadt Sofia entsteht ein Ersatzbrennstoff-Kraftwerk, das im November 2023 den Betrieb aufnehmen und dann 30.000 Haushalte und 40.000 Privatkunden mit Wärme und Strom versorgen soll.

(Erschienen im EU-Recycling Magazin 10/2022, Seite 28, Abb.: jorono / pixabay.com)