CO2-Preis auf Abfall lässt steigende Abfallgebühren befürchten
Die Verbände VKU und GdW sowie der Kölner Entsorger AVG haben auf einer gemeinsamen Pressekonferenz am 6. September in Berlin auf die ihrer Ansicht nach negativen Auswirkungen einer Einbeziehung von Abfällen in den nationalen Emissionshandel nach dem Brennstoff-Emissionshandelsgesetz (BEHG) hingewiesen.
Angesichts der aktuell hohen finanziellen Belastungen für private Haushalte und Betriebe sollte auf die nationale Ausweitung des BEHG verzichtet und eine einheitliche europäische Lösung angestrebt werden. Nach Auffassung der Verbände könnten die steigenden Inflationsraten sowie die gegenwärtige Energiekrise ohne entschlossenes Gegensteuern der Politik zu erheblichen sozialen Verwerfungen führen. Die drastischen Mehrbelastungen gerade bei den Mietnebenkosten drohten, weniger zahlungskräftige Bevölkerungsschichten zu überfordern. Die Kosten für die Verbraucher wären erheblich. So rechnet der Gesetzesentwurf des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz selbst mit zusätzlichen Kosten für die Verbraucher von 900 Millionen Euro allein für 2023. Diese Belastung würde, der sogenannten BEHG-Preistreppe folgend, von Jahr zu Jahr weiter steigen.
Am 13. Juli 2022 hatte die Bundesregierung den Entwurf einer Novelle des Brennstoff-Emissionshandelsgesetzes (BEHG) beschlossen, mit dem auch die CO2-Emissionen aus der Abfallverbrennung ab 2023 in den nationalen Emissionshandel für Treibhausgase einbezogen werden sollen. Ein Emissionshandel für Siedlungsmüll besitzt aus Sicht von VKU, GdW und dem Entsorger AVG allerdings keine belegbare Lenkungswirkung im Sinne des Klimaschutzes: „Viele Abfälle – häusliche Restabfälle, Abfälle aus dem Gesundheitswesen, schadstoffbelastete Abfälle etc. – müssen im Interesse einer schadlosen Entsorgung thermisch behandelt werden. Eine Ausweichmöglichkeit auf andere Brennstoffe gibt es für die Müllverbrennungsanlagen nicht; ihre vorrangige Aufgabe ist vielmehr die Gewährleistung von Entsorgungssicherheit.“
Auf CO2-Bepreisung verzichten
Der Verband Kommunaler Unternehmen (VKU), der Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen (GdW) und der Kölner Entsorger AVG fordern deshalb die Politik dringend dazu auf, auf die CO2-Bepreisung der Siedlungsabfallwirtschaft zu verzichten: „Als VKU, GdW und AVG sind wir gemeinsam der Überzeugung, dass der Emissionshandel ein wichtiges Instrument für den Klimaschutz ist, haben jedoch große Zweifel, dass dieses Instrument für die thermische Behandlung von Siedlungsabfällen passt. Während es bei der CO2-Bepreisung von Gas oder Öl darum geht, unter anderem die Elektromobilität im Verkehrssektor oder Wärmepumpen im Gebäudebereich zu fördern, können Abfälle nicht durch andere Energieträger ersetzt werden.“
Abfälle würden nicht „produziert“, um Energie zu erzeugen, sondern sie fielen bei Produktion und Konsum an und müssten ordnungsgemäß und schadlos entsorgt werden. Die bei der energetischen Verwertung erfolgende Energienutzung mache Abfälle nicht zu Brennstoffen wie Gas oder Öl. Mit anderen Worten: „Öl kann in der Erde bleiben, Abfall aber nicht in der Tonne.“
Keine deutschen Alleingänge
VKU-Hauptgeschäftsführer Ingbert Liebing kritisierte auf der gemeinsamen Pressekonferenz am 6. September in Berlin, dass mit der BEHG-Ausweitung auf Siedlungsabfälle und rund einer Milliarde Euro Mehrbelastung ein nationaler Sonderweg beschritten werde. Es entstünde ein starker wirtschaftlicher Druck, Abfälle zur Verbrennung – oder gar zur Deponierung – ins Ausland zu bringen. Durch die Verdrängung von Siedlungsabfällen ins Ausland würde sich Deutschland die eigene Klimabilanz schönrechnen, ohne wirklich etwas für den Klimaschutz erreicht zu haben. „Was wir brauchen, ist eine europäische Lösung und keine deutschen Alleingänge“, appellierte Liebing. Die Ausweitung sei sachlich falsch und komme zum völlig falschen Zeitpunkt. Die Bundesregierung könne nicht einerseits ein drittes Entlastungspaket schnüren und gleichzeitig zusätzliche Belastungen gerade für Mieter beschließen, die kaum Einfluss auf ihre Abfallgebühren hätten.
Unverhältnismäßig und unsozial
GdW-Hauptgeschäftsführerin Ingeborg Esser pflichtete bei: „Eine weitere finanzielle Belastung der Mieterinnen und Mieter durch höhere Abfallgebühren, zusätzlich zu den explodierenden Energiepreisen, ist unverhältnismäßig und unsozial. Mieterhaushalte werden ohnehin schon durch die geplante CO2-Bepreisung bei Wohnenergie verstärkt zur Kasse gebeten – obwohl auch diese Abgabe wegen der allgemein hohen und weiter steigenden Energiepreise keine Lenkungswirkung hat. Die im BEHG-Referentenentwurf enthaltene Einnahmeerwartung des Staates von 900 Millionen Euro in 2023 entspricht spiegelbildlich einer entsprechenden Zusatzbelastung der Bürger. Generell müssen staatliche Mehreinnahmen bei den Energiekosten sozial gestaffelt an die finanziell am stärksten betroffenen Haushalte zurückgegeben werden. Da ein zusätzlicher CO2-Preis auf Siedlungsabfälle aber weder angebracht noch zielführend ist, sollte auf ihn zugunsten der Mieterinnen und Mieter verzichtet und der CO₂-Preis auch auf Wohnenergie für die Dauer der Energiekrise, mindestens aber ein Jahr lang, ausgesetzt werden.“
Nicht mehr Klimaschutz und Recycling
Nach Ansicht von AVG-Geschäftsführer Andreas Freund führt eine CO2-Abgabe auf die Verbrennung von Abfälle nicht zu mehr Klimaschutz und Recycling von Abfällen: „Die Instrumente für mehr Recycling haben wir insbesondere im Kreislaufwirtschaftsgesetz, dem Verpackungsgesetz oder der Gewerbeabfallverordnung hinreichend verankert. Es fehlt hier oftmals nur am Vollzug der vorhandenen Regelungen. Eine nur belastende CO2-Abgabe brauchen wir hierzu nicht. Auch besteht die Gefahr, dass insbesondere Gewerbeabfälle künftig verstärkt im europäischen Ausland entsorgt werden, weil das dort dann günstiger ist. Dann fehlen aber die Restabfallmengen zur Bereitstellung von Energie in Form von Strom und Wärme durch die thermischen Abfallbehandlungsanlagen. Das ist in Zeiten, in denen Energie knapp und teuer ist, eine fatale Entwicklung und führt nur zu noch mehr Abhängigkeiten von fossilen Energieträgern.“
Am 12. Oktober 2022 fand im Ausschuss für Klimaschutz und Energie des Deutschen Bundestags eine Anhörung zum Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Brennstoff-Emissionshandelsgesetzes statt. Der VKU machte hier seine Position noch einmal deutlich und sprach sich dafür aus, die Aufnahme von Abfällen in das BEHG um mindestens zwei Jahre zu verschieben.
(Erschienen im EU-Recycling Magazin 11/2022, Seite 10, Foto: Alfred Grupstra / pixabay.com)