BIR-Tagung in Amsterdam: Textilrecycling – Mehr Bewegung durch Druck
Auch im Textilbereich würde ein vorgeschriebener Recyclinganteil helfen, das Textilrecycling in Schwung zu bringen, meinte Prof. Dr.-Ing. Stefan Schlichter vom Institut für Textiltechnik – Recycling Atelier, während der Sitzung der BIR Fachsparte Textilien.
Nach den Worten des Gastredners landen immer noch etwa 73 Prozent der gebrauchten Textilien entweder auf Deponien oder werden für die Energiegewinnung genutzt. Lediglich ein Prozent gelangt durch Recycling in den Materialkreislauf. Gleichzeitig sei die Textilindustrie der viertgrößte Emittent von Kohlendioxid.
In seinem Vortrag wies Prof. Schlichter auf die zahlreichen Hürden auf dem Weg zu einer textilen Kreislaufwirtschaft hin, die die Branche seit langem kennt: zu viele unterschiedliche Materialien, darunter unter anderem große Mengen an technischen Textilien, sowie ein hohes Aufkommen an minderwertiger Kleidung aufgrund von „Fast Fashion“, um einige Beispiele zu nennen. Dagegen seien „Design for Recycling“, Upcycling, längere Haltbarkeit wie auch Reparaturstrategien die wichtigsten Bausteine für mehr Kreislaufwirtschaft im Textilbereich, so der Fachmann.
Um diese Herausforderungen zu bewältigen, listete der Redner eine Reihe an notwendigen Maßnahmen auf:
- eine intensivierte Forschung zu alternativen Technologien,
- den Aufbau optimierter Rücknahmesysteme bzw. die Erarbeitung von Konzepten für das textile Abfallmanagement,
- die Realisierung eines Chemischen Recyclings im Industriemaßstab als zukunftsorientierte Möglichkeit, um Upcycling sicherzustellen,
- die Entwicklung einer automatischen Sortierung sowie
- die Optimierung des mechanischen Recyclings.
Nach Ansicht von Stefan Schlichter wären rund 150 bis 250 zusätzliche Recyclinganlagen bis zum Jahr 2030 nötig, um diese Industrie aufzubauen. Das werde nicht ohne staatliche Hilfe gehen.
Für eine Kreislaufwirtschaft im Textilbereich müsse es ein neues Gleichgewicht von technischer, ökonomischer und ökologischer Leistungsfähigkeit geben, betonte der Gastredner. Das „Recycling Atelier“ biete einen neuen Ansatz der offenen Innovation für textile Sekundärrohstoffe. Es beschäftige sich beispielsweise mit der Entwicklung neuer Produkte und Prozesse in dem „Makers Lab“, der Erarbeitung von Konzepten für das vollständige Recycling gebrauchter Textilien sowie der industriellen Umsetzung von Recyclingkonzepten und Geschäftsmodellen. Zudem sei es eine Lernfabrik für die Ausbildung und den Kompetenz-Aufbau.
Sympathie für einen Recyclinganteil
In der von Alan Wheeler (Textile Recycling Association, UK) moderierten Podiumsdiskussion hob Fachsparten-Präsident Martin Böschen (Texaid Textilverwertungs AG, Schweiz) hervor, dass es nicht nur mehr leichter zu recycelnde Produkte geben sollte – die Branche brauche auch neue Einsatzgebiete für die Textilien.
Josse Kunst (CuRe Technology BV, Niederlande) bemängelte sowohl Beschichtungen auf Textilien als auch mangelhafte Kennzeichnungen, die das Recycling behindern, und wünscht sich ein „gutes Design“ für wirtschaftlich zu verwertende Produkte. Darüber hinaus fordert er eine verstärkte gemeinsame Datennutzung sowie die Einführung eines Mindestgehalts an Recyclingmaterial. Auch Jean-François Gryspeert (Valvan, Belgien) sprach sich für Mindestanforderungen im Hinblick auf den Anteil wiederverwendeter Fasern aus und betonte die Notwendigkeit, die Lebensdauer der Produkte zu erhöhen und die Anzahl der Fasermischungen zu senken.
(Erschienen im EU-Recycling Magazin 07/2023, Seite 32 von Brigitte Weber, Foto: BIR)