Ohne adäquaten Brandschutz keine Versicherung! Aber was ist ein adäquater Brandschutz?

Die Schwierigkeiten von Recycling- und Abfallentsorgungsunternehmen zu akzep­tablen Konditionen Feuerversicherungsschutz zu erlangen, sind seit meinem letzten Beitrag (EU-Recycling Ausgabe 10/2022) nicht geringer geworden. Die Möglichkeiten der – nur noch sehr wenigen – Versicherer, die sich überhaupt noch bereitfinden, diese Betriebsart zu versichern, ihre Vorstellungen von Brandschutz, Bedingungen und Prämien durchzusetzen, sind so gut wie nie zuvor.

Dabei wird sehr häufig über das Ziel hinausgeschossen und die Unternehmen werden teilweise mit schwer erfüllbaren Forderungen zum technischen Brandschutz oder aber mit Prämienforderungen konfrontiert, die noch vor zehn Jahren niemand für möglich gehalten hätte und die einen wirtschaftlichen Betrieb oftmals kaum noch zulassen. Dabei (und dies soll dieser Beitrag zeigen) ist es für Versicherer durchaus möglich, auch bei Beibehaltung eines gewissen Augenmaßes in dieser Betriebsart Geld zu verdienen.

Marktsituation
Es gibt in Deutschland nur noch vier bis fünf Versicherer, die in größerem Stile Recycling- und Entsorgungsunternehmen versichern. Ein Versicherer nimmt nahezu jedes Recycling-unternehmen, aber zu seinen ganz eigenen Bedingungen, unter Vertrag, was Policengestaltung, Selbstbehalts- und Prämienhöhen betrifft. Nicht jeder Recyclingbetrieb kann und will diese Bedingungen akzeptieren; viele tun es allerdings. Die restlichen Versicherer haben aber auch gemerkt, dass der Markt für sie günstig ist. Sie stellen immer höhere Anforderungen an den anlagentechnischen Brandschutz und erhöhen Jahr für Jahr kräftig die Prämien- und auch Selbstbeteiligungshöhen. Dies tun sie selbst bei Unternehmen, die 20 Jahre lang keinen einzigen größeren Feuerschaden aufzuweisen haben. Zu den Prämienerhöhungen kommen die erheblichen Erhöhungen der Versicherungssumme durch die Preissteigerungen. Viele Versicherungsmakler kritisieren diese Praxis ebenfalls, eine heimliche Freude über die zusätzlichen Courtageeinnahmen (ca. 15 bis 20 Prozent der Prämien) ist aber deutlich spürbar.

In dem Kreis der Unternehmen, die wir seit dem Jahr 2005 in diesem Bereich vertreten (über 20 Anlagenbetreiber), beträgt die Schadenquote der vergangenen 15 Jahre weniger als 20 Prozent. Und dies, obwohl am Beginn keinerlei Selbstbeteiligungen vereinbart waren, es kaum anlagentechnischen Brandschutz gab und die Prämienhöhen nur ein Drittel der heute vereinbarten Prämienhöhen (bezogen auf die Feuerversicherung und die Feuerbetriebsunterbrechungsversicherung) betrugen.

Schadenbelastung der Branche
Jeder, der sich mit Versicherung von Recyclingunternehmen beschäftigt, weiß, dass es tatsächlich sehr viele kleinere Schäden, aber immer wieder auch einzelne sehr große Schäden gibt. Vor einigen Jahren hat die Branche die Holzindustrie als Schadensverursacher Nummer 1 bei den Versicherern abgelöst. Nun ist es ein offenes Geheimnis, dass große Teile der Schadenbelastung auf wenige Großschäden zurückzuführen sind, die überwiegend auf das Konto einiger weniger (meist großer) Unternehmen gehen. Da es aber nur so wenige Versicherer gibt, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass diese Versicherer auch an den Policen dieser Unternehmen beteiligt und insofern von diesen Großschäden ebenfalls betroffen waren.

Welcher Brandschutz ist aus Versicherersicht ausreichend?
Tatsache ist, dass die einschlägige VdS-Leitlinie 2517 mittlerweile zwölf Jahre alt ist und eine Überarbeitung durch die stetige Fort- und Weiterentwicklung auf den aktuellen Stand der Technik nach dieser Zeit zwingend notwendig wird. Auf eine Initiative des ASA e.V. hin wurde unter Federführung des GDV eine Arbeitsgruppe gegründet, die sich aus Fachverbänden (ASA, bvse, BDE und VKU) sowie der Versicherungswirtschaft zusammensetzt und die es sich zum Ziel gemacht hat, die Leitlinie zu überarbeiten und etwas zu aktualisieren. Von den Vertretern von GDV und vom VdS wurde im Rahmen der Diskussionen auf die Studie des Landesamtes für Natur-, Umwelt- und Verbraucherschutz des Landes Nordrhein-Westfalen (LANUV) hingewiesen, die sich (Fachbericht 68, 2016) mit Brandereignissen in Abfallbehandlungsanlagen befasst. Dort findet man an einer Stelle den Hinweis, dass die meisten Brände, die dort untersucht worden sind, von Passanten entdeckt wurden und dann der Feuerwehr gemeldet worden sind.

Nun ist diese Studie im Jahr 2016 erschienen und basiert auf Meldungen des LANUV und von Versicherern. Die Brandereignisse, die dort untersucht worden sind, liegen teilweise noch sehr viel länger zurück. Heute werden nicht mehr die meisten Brände von Passanten gemeldet und die Zahl der Brände ist aufgrund der neuen Zündquellen (im Wesentlichen Lithium-Ionen-Akkus) drastisch angestiegen. Die meisten Anlagenbetreiber haben gelernt mit diesem Umstand umzugehen, sodass das Restrisiko kalkulierbar wird.

In Österreich erfolgte eine gemeinsame Studie des Verbandes österreichischer Entsorgungsbetriebe in Zusammenarbeit mit dem Verband der Versicherungsunternehmen Österreichs (VVO) und mit wissenschaftlicher Unterstützung des Lehrstuhls für Abfallverwertungstechnik und Abfallwirtschaft der Montanuniversität Leoben. Dort ist man teilweise neue Wege gegangen und hat zunächst einmal eine Klassifizierung der verarbeiteten Abfälle nach Brandentzündungspotenzial und Brandlast vorgenommen. Am Ende der Ausarbeitung entstand dann eine Handlungsmatrix. Man hat hier also zumindest den Versuch unternommen, den Unternehmen eine praktische Handlungsunterstützung beim Schutz ihrer Betriebe in die Hand zu geben. Ob die beiden Initiativen zu einer besseren Versicherbarkeit der Anlagen führen werden, ist ungewiss. Seitens der Versicherungswirtschaft sind in der Arbeitsgruppe in Deutschland überwiegend Brandschutzingenieure vertreten. Dies ist einerseits verständlich, aber eine Vertretung des Bereiches Underwriting der einzelnen Versicherungsgesellschaften wäre natürlich aus Sicht der Versicherungsnehmer sehr begrüßenswert.

Vielfach findet man in den Besichtigungsberichten der Brandschutzingenieure abschließend entweder die Empfehlung oder die Forderung einer flächendeckenden VdS-anerkannten Brandschutzanlage. Je weniger ein Besichtiger (die Besichtigung durch den Underwriter selbst findet unserer Erfahrung nach nahezu überhaupt nicht mehr statt) mit den Spezialitäten der Betriebsart „Recycling und Entsorgung“ vertraut ist, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass am Ende solch eine Forderung erhoben wird.

Nun gibt es, abgesehen von der guten alten Sprinkler- oder Sprühflutanlage, keine VdS-anerkannte Technik. Bis zur VdS-Zulassung der ersten Wärmebildkamera hat es immerhin sieben Jahre gedauert. Es gibt zwar ein Regelwerk für Löschwerfer (VdS 3884), das aus dem Jahr 2020 stammt. Ein Löschwerfer ist unserer Kenntnis nach vom VdS seither noch nicht anerkannt worden. Ein System zwischen Wärmebildkamera und Löschwerfer damit natürlich auch nicht! Was tut also ein Betrieb, dessen Versicherer eine solche Forderung erhebt?

Dass Brandschutztechnik funktionieren muss, darüber wird ein Versicherer mit seinem Kunden sehr schnell Einigkeit erzielen. Denn auch der Kunde hat in der Regel überhaupt kein Interesse daran, dass sein Betrieb abbrennt. Ein Recyclingunternehmen der privaten Wirtschaft verliert bei einem größeren Schaden seine Kunden an andere Recyclingunternehmen. Die öffentliche Abfallentsorgung muss ohnehin weitergehen, hier geht die Entsorgungssicherheit allem anderen vor.

Leider gibt es bei der VdS Schadenverhütung GmbH keine Prüfstände, an denen Löschwerfer geprüft werden können. Die Prüfungen anderer Unternehmen (die über solche Prüfeinrichtungen verfügen) werden aber von vielen Versicherern nicht anerkannt.

Vor diesem Hintergrund muss ein sinnvolles Schutzsystem immer individuell geplant und gestaltet werden, und zwar empfehlenswerterweise unter Einbeziehung der Versicherer. Nur ein Versicherer, der über Brandschutzingenieure mit entsprechender Detailkenntnis verfügt, kann beurteilen, ob ein System (das ja wie oben ausgeführt in der Regel nicht VdS-anerkannt oder -abgenommen sein wird, von einzelnen Funktionsüberprüfungen einmal abgesehen) funktioniert und in der Lage ist, eine Anlage adäquat zu schützen. Adäquat bedeutet dann aber auch, dass man Technik verwendet, die den entsprechenden Anforderungen gerecht wird. Wenn man zum Beispiel den Materialstrom auf einem Förderband überwachen will, so kann man dies effizient eigentlich nur beim Abwurf tun. Sonst besteht das Risiko (auch bei nicht gekapselten Bändern), dass eine Zündquelle überdeckt ist und damit nicht detektiert wird. Überwacht man aber den Abwurf, so muss die Kamera in der Lage sein, ca. 30 Bilder pro Sekunde zu erzeugen und auch auszuwerten. Kann sie dies nicht, so ist die Gefahr hoch, dass trotz der Installation der Technik ein Feuer ausbricht.

Das subjektive Risiko – ein weitestgehend unterschätzender Faktor
In Zeiten, bei denen nicht nur die Brandschutzingenieure, sondern auch die Underwriter sich ein Risiko selbst angesehen haben, wurde das subjektive Risiko stärker in die Betrachtung einbezogen. Natürlich schauen sich Brandschutzingenieure auch die Sauberkeit und Organisation in einem Unternehmen an. Aber der subjektive Eindruck eines Unternehmens ergibt sich selten aus dem Bericht eines Brandschutzingenieurs. Er resultiert aus dem Rundgang im Unternehmen und den Gesprächen mit den Mitarbeitern und Führungskräften.

Einfache Lösungen, wie zum Beispiel der Sandhaufen neben einem Zerkleinerungsaggregat (mit einer Schaufel Sand löscht ein Radladerfahrer einen Brand im Zerkleinerer genauso schnell, wie eine Löschanlage dies tut), können zu gleichen oder besseren Erfolgen führen wie teuere Brandschutztechnik. Wichtig ist, dass in einem Betrieb das Bewusstsein für das Risiko vorhanden ist und man dort bereit ist, das Notwendige zu unternehmen, um das Risiko zu beherrschen. Nur wenn dies gewährleistet ist, ist ein Unternehmen (auch nach meiner Überzeugung) versicherbar. Im Rahmen des ASA-Versicherungspools messen wir diesen Gesichtspunkten einen höheren Stellenwert zu als dem Grad des anlagentechnischen Brandschutzes. Wir sind uns dabei darüber im Klaren, dass bei einem Löschkonzept, das nicht ausschließlich auf automatischer Anlagentechnik beruht, immer der Risikofaktor Mensch im Spiel bleibt.

Kompetenz im Unterwriting – ein weiteres Problem
Die Zeit der erfahrenen „Feuerschreiber“, wie ich sie zu Anfang meiner beruflichen Tätigkeit Anfang der 1990er Jahre kennengelernt habe, neigt sich dem Ende zu. In den meisten Gesellschaften gibt es zudem nicht mehr so weit gehende Zeichnungsvollmachten an den Underwriting-Bereich wie früher üblich, sondern diese wurden durch interne Zeichnungsrichtlinien ersetzt. Ein Risiko abzulehnen, erfordert keinen Mut und geht schnell. Ein schwieriges Risiko zu zeichnen (womöglich, wenn die nach den Zeichnungsrichtlinien erforderliche flächendeckende Löschanlage nicht vorhanden ist), macht viel mehr Arbeit und ist eventuell noch riskant für den Mitarbeiter, der dies tut.

Umweltschutz / Daseinsvorsorge und ESG-Kriterien
Die Versicherungswirtschaft hat (dies bestätigen ihre Spitzenvertreter auch immer wieder im Rahmen von Festreden) eine wirtschaftliche und gesellschaftliche Funktion. Es geht hier letztendlich zunehmend um die Versicherbarkeit einer gesamten Branche, die aktiven Umweltschutz (Recycling ist Umweltschutz!) und öffentliche Daseinsvorsorge betreibt (auch die Mülltonnen der Mitarbeiter von Versicherungsgesellschaften wollen regelmäßig geleert werden) und die damit eine wichtige Funktion ausüben. Versicherer sind zunehmend gehalten, diese Aspekte auch in ihrer Zeichnungspolitik zu beachten. Leider merkt man hiervon derzeit noch nicht viel.

Kann die Regierung oder die Politik etwas tun?
Diese Fragestellung kennen wir aus Bereichen, bei denen man glaubt, dass die Versicherungswirtschaft allein nicht mehr weiterkommt. Ein Beispiel sind die Diskussionen zum Thema der Pflichtversicherung für Elementarrisiken. In unserem Segment gibt es aber in der Tat etwas, was die Politik (beziehungsweise eher die Bundesregierung) tun könnte, vielleicht sogar müsste. Lithiums-Ionen-Akkus sind, wie wir oben bereits gesehen haben, die heute gefährlichste Zündquelle. Die Diskussionen um ein effizientes Pfandsystem in diesem Bereich werden von den Verbänden schon seit Jahren forciert; ein Ergebnis liegt bislang nicht vor. Also landen die Geräte (in denen sich diese Akkus befinden) immer noch im Haus- oder Gewerbemüll.

 

Fazit

Recycling und Entsorgungsunternehmen sehen sich seit einigen Jahren teilweise deutlich über das Ziel hinausgehenden Forderungen hinsichtlich anlagentechnischen Brandschutzes, Selbstbehaltserhöhungen und Prämienerhöhungen seitens der Versicherungswirtschaft gegenüber. Die Möglichkeiten, sich hiergegen zu wehren, sind aber aufgrund der Marktverhältnisse eingeschränkt. Mit einigen wenigen Versicherern lassen sich aber immer noch vergleichsweise gute Lösungen erzielen.

Dass Brandschutz notwendig ist, sehen die Versicherungsnehmer selbst, aber die Lösungen sollten (und zwar unabhängig von VdS-Anerkennung) effizient und funktional sein. Auch subjektive Elemente der einzelnen Kunden müssten Versicherer wieder verstärkt in ihre Entscheidung einbeziehen. Ferner sollte ein Augenmerk daraufgelegt werden, dass die Branche insgesamt eine wichtige Funktion für Umweltschutz und Daseinsvorsorge hat und Versicherer durch eine Zeichnung in diesem Segment den Anforderungen der ESG-Kriterien gerecht werden.

Die Politik beziehungsweise die Bundesregierung sollte Ihrerseits endlich ein effizientes Pfandsystem für Lithium-Ionen-Akkus auf den Weg bringen.

 

Autor: Elmar Sittner

www.sittner-versicherungsberatung.de

(Erschienen im EU-Recycling Magazin 08/2023, Seite 22 Fachbeitrag -Advertorial-, Foto: Elmar Sittner Risikomanagement und Versicherungsberatung GbR)

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