Feuerversicherung für Recyclingunternehmen: Kommt es zum Marktversagen?
„Ohne adäquaten Brandschutz keine Versicherung.“ So lautete die Überschrift des letzten Beitrags des Versicherungsprofis Elmar Sittner im August 2023. Schon dort wies er darauf hin, dass seit dem davor letzten Beitrag im Jahr 2022 die Probleme für Unternehmen der Recycling- und Abfallwirtschaft im Bereich des Sachversicherungsschutzes nicht geringer geworden sind.
Heute können wir feststellen, dass die Situation sich seither stetig verschlechtert hat und mittlerweile tatsächlich auch bei einigen unserer Kunden offene Quoten vorliegen, also kein 100%iger Versicherungsschutz mehr besteht. Ein Marktversagen erscheint durchaus möglich.
Was sind die Gründe dafür?
Glaubt man den Statistiken der Versicherer (andere gibt es nicht), so ist das Gesamtprämienvolumen in dieser Betriebsart – trotz der seit sieben Jahren stetig stattfindenden Erhöhungen von Prämien und Selbstbehalten – immer noch weit davon entfernt, auskömmlich zu sein. Unsere eigenen Statistiken im Mandantenkreis (zugegebenermaßen nicht repräsentativ) haben aber gezeigt, dass die beteiligten Versicherer in den letzten 20 Jahren, mit Ausnahme von zwei Jahren, immer Geld verdient haben. Bedauerlicherweise war das zweite sehr defizitäre Jahr das Jahr 2023/2024.
Versicherer, die dafür bekannt sind, Recyclingunternehmen zu assekurieren, wie zum Beispiel die AXA Versicherung AG oder die Gothaer Versicherung AG, verabschieden sich zwar nicht aus dem Markt, machen aber kein oder zumindest nur noch sehr wenig neues Geschäft in dieser Betriebsart. Unternehmen, die von einem anderen Versicherer gekündigt worden sind, können daher nicht unbedingt darauf hoffen, bei diesen beiden Versicherern unterzukommen. Ein weiterer wichtiger Versicherer der Branche, die Signal IDUNA Versicherung, verabschiedet sich gerade weitestgehend aus dieser Betriebsart. Die neuen Anforderungen der Signal IDUNA hinsichtlich des anlagentechnischen Brandschutzes und der Selbstbehaltshöhen sind so gestaltet, dass nahezu kein Unternehmen diese erfüllen kann beziehungsweise will. Als Spezialversicherer kennt die Branche natürlich die Hübener Versicherung AG in Hamburg, wobei dort deutliche Limitierungen hinsichtlich der zeichenbaren Versicherungssummen pro Betriebsstätte und Vertrag bestehen. Zudem sind die vertraglichen Konditionen und die Prämienhöhen zumindest für die Unternehmen, die vorher eine Industrieversicherungspolice bei den oben genannten Versicherern hatten, gewöhnungsbedürftig.
Es bleiben dann noch die öffentlich-rechtlichen Versicherer, die zugegebenermaßen noch eine große Vielzahl von Kunden der Betriebsart versichern, allerdings ebenfalls nahezu nicht mehr im Neugeschäft. Ein großer Versicherer im Norden des Landes gibt ganz direkt die Auskunft, dass er sein Wachstum im Bereich der Industrieversicherung nicht durch Neugeschäft anstrebt, sondern durch Prämienwachstum im Bestand. Dies ist kaufmännisch nachvollziehbar, aber für Versicherungsschutz suchende Unternehmen wenig hilfreich.
Generell hat sich in den letzten zehn bis 15 Jahren ein Wandel in der deutschen Industrieversicherung vollzogen. Die noch verbliebenen Industrieversicherer können sich vor Anfragen, insbesondere aus dem Kreise der Industrie-Versicherungsmakler, kaum retten. Gleichzeitig verfügen sie nur noch über eine sehr dünne Personaldecke, insbesondere im Bereich von Spezialisten, die schwere Risiken (wie Recycling- und Abfallentsorgungsunternehmen) qualifiziert beurteilen können. „Warum soll ich mir Anfragen aus einem Segment, das wir eigentlich nicht zeichnen wollen und das sehr viel Arbeit macht, anschauen, wenn ich genügend Geschäft aus Sparten habe, die zu unserem Zielsegment gehören“, fragte mich unlängst ein Abteilungsleiter eines Industrieversicherers. Die freundliche Ablehnung ist nach wie vor die schnellste Art der Bearbeitung einer Anfrage. Für größere Unternehmen, deren Policen nicht von ein bis zwei Versicherern gezeichnet werden können, sondern wo größere Konsortien erforderlich sind, wird es daher zunehmend schwierig, in Deutschland vollständigen Versicherungsschutz zu finden.
Gibt es Alternativen?
Alternativen kann es folglich nur noch in ausländischen Versicherungsmärkten geben. Wir haben gerade ein Angebot für unseren Kundenkreis aus dem Branchenverband ASA (Arbeitsgemeinschaft Stoffspezifische Abfallbehandlung) seitens eines auf den Bermudas beheimateten Risikoträgers erhalten, der allerdings über eine Niederlassung in der EU verfügt und daher auch in Deutschland berechtigt ist, Versicherungsverträge anzubieten. Das Ganze ist allerdings mit einer erheblichen Arbeit im Bereich der Aushandlung der individuellen Versicherungsbedingungen und der sonstigen Konditionen sowie der Vertragsabwicklung verbunden. Die Besichtigungsberichte müssen in englischer Sprache erstellt werden; und es wird (das ist für unsere Kunden sehr ungewöhnlich) generell eine jährliche, höchstens aber zweijährliche Besichtigung der Betriebsstätten erwartet.
Diese Entwicklung führt dann zwangsläufig zu Gedanken über alternativen Risikotransfer, den man sonst nur aus der Großindustrie (und dort überwiegend in Problemversicherungssparten) kennt. Das Stichwort ist hier die Captive, entweder als Eigengründung eines oder mehrerer Unternehmen oder als sogenannte Protected Cell Captive (PCC). Eine solche Captive ist nichts anderes als ein Versicherungsunternehmen, das dem Gründer oder den Gründern selbst gehört und das den Hauptzweck hat, einen direkten Zugang zum internationalen Rückversicherungsmarkt zu generieren. Natürlich ist das Ganze mit erheblichen Anlaufkosten und auch -zeiten verbunden. Nicht jeder Kunde kann und will daher in diese Richtung gehen. Der einfachere Weg ist die PCC, da man hier auf bekannte und bestehende Strukturen (zumeist in Malta gelegen) zurückgreifen kann und sich eine Menge Administration und Gründungsaufwand ersparen kann. Aber ohne Rückversicherungsschutz nützt auch eine solche Captive (egal ob eigene Gesellschaft oder PCC) nichts. Bevor man also diesen Weg einschlägt, sollte man sich sicher sein, von einem oder mehreren Rückversicherern die entsprechenden Rückdeckungen auch tatsächlich zu erhalten.
Eine weitere Alternative ist der vollständige Verzicht auf Versicherungsschutz und die Bildung eigener Rücklagen. Erstaunlicherweise wird dieser Weg tatsächlich schon gegangen. Ein Recyclingunternehmen (privat mit einem Fonds als Eigentümer) hat sich für diese Lösung entschieden, obwohl ihm ein Angebot für eine vollständige Deckung vorlag. Die Risikobetrachtung bei diesem Unternehmen ergab ein potenzielles Feuer- und Feuermehrkosten- beziehungsweise Betriebsunterbrechungs-Risiko von circa 17 Milionen Euro. Circa sieben Milionen Euro hiervon sind unversichert und werden es in nächster Zeit auch bleiben. Es erscheint daher durchaus möglich, dass auch öffentliche Abfallentsorger diesen Weg gehen werden, wenn sie keinen bezahlbaren Versicherungsschutz mehr für die letzten zehn oder 20 Prozent ihres Risikos am deutschen Markt erhalten. Denn die ausländische Deckung kostet derzeit noch deutlich mehr als die hier bislang üblichen Prämien. Aber auch das ändert sich gerade. Die deutschen Versicherer bemühen sich nach Kräften, ein ähnliches Prämienniveau in ihrem Bestand zu erreichen.
Eine neue VdS-Leitlinie für den Brandschutz bei Recycling- und Entsorgungsunternehmen – bringt dies eine Wende im Zeichnungsverhalten?
Auf dem Brandschutztag des ASA e.V. im Juni 2022 hielten zwei Gäste des GDV (Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft) ein Referat zum Thema Feuerversicherung von Recycling- und Entsorgungsunternehmen. Dieser Kontakt wurde dann aufrechterhalten und relativ schnell der Entschluss gefasst, eine Arbeitsgruppe aus GDV, VdS sowie den Verbänden der Recycling- und Entsorgungswirtschaft und des VKU (Verband kommunaler Unternehmen) zu bilden, um die alte VdS-Leitlinie 2517 (immerhin aus dem Jahr 2011) zu aktualisieren und zu modernisieren. Mittlerweile (nach über zwei Jahren) liegt nach zähem Ringen um Inhalte und Formulierungen ein erster Diskussionsentwurf vor, der den Verbänden und über die Verbände den Mitgliedern (also auch den Versicherern, die im GDV organisiert sind) zur Stellungnahme vorliegt.
Ein wenig überraschend war bereits die Tatsache, dass in dieser Arbeitsgruppe seitens der Versicherungswirtschaft kaum Versicherer teilgenommen haben, die in praxi Recycling- und Entsorgungsunternehmen versichern. Es wurde auch deutlich, dass seitens der Versicherer gegenüber neuer Technik noch erhebliche Vorbehalte bestehen und eine Tendenz erkennbar ist, dass man am liebsten immer noch die gute alte Sprinkler- oder Sprühflutlöschanlage als beste Lösung präferiert. Wir finden an den einschlägigen Stellen zum Beispiel die Vorgaben (immer mit dem Hinweis, dass es natürlich nur unverbindliche Empfehlungen sind), dass ein flächendeckender (und dieses Wort ist sehr ernst gemeint) Schutz durch eine solche Anlage notwendig ist. Dies betrifft Bereiche, in denen die Stoffe mechanisch getrennt und sortiert werden. Für Bunker- und Lagerbereiche sind in dem Entwurf allerdings auch alternative Schutzkonzepte wie Wärmebildkameras in Verbindung mit entsprechenden Werferanlagen zulässig. Der Sachverstand der Betreiber solcher Anlagen wurde zwar an vielen Stellen berücksichtigt, aus Sicht der Teilnehmer aus dem Kreis der Recycling- und Entsorgungswirtschaft aber an einigen Stellen leider nur unzureichend.
Wenn man die Leitlinie ernst nimmt, so ist zum Beispiel jede kleine Elektrounterverteilung zu überwachen. Bei Schalterräumen wird dies jeder einsehen, aber große Unternehmen verfügen über zu viele solcher Unterverteilungen, als dass man jede einzelne tatsächlich überwachen kann. Die Leitlinie (und auch die meisten Versicherer, die die Versicherung der Branche noch betreiben) fordert heute eine jährliche Überprüfung der elektrischen Anlagen. Der Wunsch ist auch nachvollziehbar, aber es gibt in Deutschland derzeit zu wenige Sachverständige mit den entsprechenden Qualifikationen, um einer solchen Forderung flächendeckend Folge leisten zu können. Der Wille bei vielen Unternehmen ist da; leider verzögern sich die entsprechenden Überprüfungen aber aus diesem Grunde häufig.
Was in einer solchen Leitlinie regelmäßig zu kurz kommt, weil es auch nur individuell abgestimmt werden kann, ist der organisatorische Brandschutz. Die allgemeine Sauberkeit und Ordnung ist (Leser, die die eine oder andere meiner Veröffentlichungen kennen, werden dies als Wiederholung identifizieren) von einer ganz erheblichen Bedeutung im Bereich des vorbeugenden Brandschutzes. Die Ausbildung von Mitarbeitern als Brandschutzhelfer und die Integration von Feuerwehrleuten (gerade auf dem Lande gibt es in den Unternehmern oft Mitarbeiter, die in einer Freiwilligen Feuerwehr aktiv sind) in die Branderstbekämpfung ist eine Maßnahme, die sich schon als sehr effektiv erwiesen hat. Einige der Mitglieder des ASA e.V. haben mittlerweile eigene Löschfahrzeuge angeschafft und unterhalten in jeder Schicht eine Einsatzgruppe für die Branderstbekämpfung.
In einer Studie zu Schadenereignissen und Zündquellen, die im Rahmen der Neufassung der oben genannten Leitlinie seitens der beteiligten Verbände (ASA e.V., bvse, BDE und VKU e.V.) erstellt wurde, ergab das Ergebnis, dass rund 70 Prozent aller Brände im Bereich der Anlieferung und Zerkleinerung entstanden sind. Folgerichtig sollte die größte Anstrengung und damit auch die größten Investitionen in anlagentechnischen Brandschutz zur Verhinderung von Bränden in diesem Bereich unternommen werden. Wenn man es schafft, die dortigen Gefahrenquellen zu beseitigen beziehungsweise Schäden schnell zu erkennen und zu bekämpfen, dürfte das größte Problem der Branche mit Feuerschäden der Vergangenheit angehören. Natürlich gibt es auch in der weiteren Verarbeitung noch neuralgische Punkte. Hierzu zählen zum Beispiel Siebanlagen und Windsichter. Auch der Bereich der Abluftanlagen ist nicht ohne Risiko und bedarf individuellen Schutzes. Aber solche individuellen Objektlöschanlagen sind aus Sicht der meisten Fachleute deutlich effektiver als eine flächendeckende Sprinkleranlage zum Beispiel im Bereich einer Aufbereitungsanlage. Dies gilt insbesondere, wenn man die Hallenhöhen von zwölf Metern und mehr sieht und bedenkt, dass eine erhebliche Wärme erst einmal aufsteigen muss, um überhaupt eine solche Sprinkleranlage auszulösen. Auch dürfte es schwierig sein, in eine bestehende Anlage eine solche Vorrichtung einzubauen.
Ein Kunde, der im Anlieferbereich und der Zerkleinerung regelmäßig Zündereignisse hat, in der Aufbereitung aber noch nie Probleme hatte, wird auch kaum verstehen, warum er diesen Teil mit aufwändiger Technik schützen soll. Er wird aber Verständnis dafür haben, wenn ein Versicherer verlangt, dass er den Bereich, der häufig von Zündereignissen betroffen ist, besser schützen soll.
Fazit
Ob es gelingen wird, in Deutschland wieder einen etwas aufnahmefähigeren Versicherungsmarkt für diese Betriebsarten zu erreichen, ist derzeit aus meiner Sicht ungewiss. Sicher ist allerdings, dass dies nur dann gelingen wird, wenn die Zahl der versicherten Schäden (also der Schäden oberhalb von vereinbarten Selbstbeteiligungen) deutlich zurückgeht. Insoweit besteht auch Einigkeit zwischen allen Beteiligten. Lediglich der Weg dorthin ist aus Sicht der Versicherer momentan ein anderer als der bevorzugte Weg der versicherten Unternehmen. Es gibt aber hier auch positive Beispiele, in denen Brandschutzingenieure von Versicherern pragmatische Lösungen mitgehen, die auch aus Sicht des Kunden zu mehr Betriebssicherheit führen. Auf der anderen Seite haben (das muss man leider zugeben) oft lediglich die selbst erlebten Schäden und der daraus resultierende Druck der Versicherungswirtschaft dazu geführt, dass die Kunden sich zunehmend intensiv mit dem Thema Risikomanagement und Prävention in diesem Bereich beschäftigen und auch zu entsprechenden Investitionen bereit sind.
Autor: Elmar Sittner, sittner-versicherungsberatung.de
(Erschienen im EU-Recycling Magazin 11/2024, Seite 33, Foto: Mike Mareen / stock.adobe.com)