Mehr Sicherheit für die Abfallwirtschaft: Wärmebildkameras zur Brandfrüherkennung in Recyclingbetrieben

In den großen Lagern und Sortierhallen der Recyclingwirtschaft sind Brände nicht leicht zu erkennen. Bevor ein klassischer Rauchmelder anschlägt, hat ein Feuer meist schon ein beträchtliches Ausmaß erreicht. Und solche Brände sind alles andere als selten: Ein Brand pro Betrieb und Quartal ist nicht unrealistisch.

Die Abfallwirtschaft ist sich des Risikos bewusst – leistungsfähige Brandmeldeanlagen werden immer wichtiger. Eine hochinteressante Alternative zu herkömmlichen Rauchmeldern stellt die Brandfrüherkennung mit Thermalkameras dar. Der große Vorteil der Wärmebildkameras ist, dass sie Temperaturanstiege bereits erkennen, bevor sich ein nur noch schwer zu kontrollierendes Brandgeschehen entwickelt. In der französischen Recyclingindustrie beispielsweise ist die Brandfrüherkennung mit Thermalkameras – inklusive KI-basierter Auswertungsalgorithmen – schon länger erfolgreich im Einsatz. Nun schickt sich die Technologie an, auch in der deutschen Abfallwirtschaft Fuß zu fassen.

Brände sind ein bekanntes Risiko für Recyclingunternehmen. Dabei sind die konkreten Gründe für eine Entzündung von Abfall durchaus vielgestaltig. Zu den möglichen Ursachen zählen intensive Sonneneinstrahlung oder auch Selbstentzündung. Die Hitzeeinwirkung von Maschinen kann Brände ebenso auslösen, wie dies elektrische Kurzschlüsse vermögen. Auch biologische Prozesse und chemische Reaktionen können genug Wärme freisetzen, dass sich der Abfall entzündet. Besonders kritische Orte mit hohem Brandrisiko sind oft Bunker, die zur Anlieferung oder Lagerung eingesetzt werden. Auch im Bereich von Abfallschreddern sowie elektrischer oder hydraulischer Anlagen steigt grundsätzlich das Brandrisiko. Allgemein gilt: Sehr dicht geschichtete Ballenware oder auch aufgeschüttete Ausgangsprodukte für das Recycling bergen eine hohe Brandlast. Und allzu oft erweisen sich falsch entsorgte Lithium-Ionen-Batterien oder -Akkus als Problem: Spätestens wenn sie – unbeabsichtigt – zerkleinert werden, steigt die Brandgefahr wegen des dann austretenden flüssigen und leicht entflammbaren Elektrolyts immens.

Eine bewährte Methode
In einigen Betrieben der Recyclingbranche sind darum schon länger Wärmebildkameras inklusive künstlicher Intelligenz zur Auswertung der Wärmebilder im Einsatz. Bei entsprechender Distanz und Kameraperspektive kann eine einzelne Thermalkamera auch größere Lagerflächen überblicken, um Brände dort überall rechtzeitig zu detektieren. In internationalem Maßstab hat sich die Methode bereits bewährt.

In Europa sind es nicht zuletzt französische Recyclingbetriebe, die schon in größerem Umfang auf die CNPP-zertifizierten Wärmebildkameras zur automatisierten Brandfrüherkennung vertrauen. Als Entsprechung zur französischen CNPP-Zertifizierung könnte in Deutschland etwa eine VdS-Zertifizierung gelten. Auch die DIN EN 54-10, die Anforderungen an Brandmeldeanlagen spezifiziert, spielt hier eine Rolle. Andererseits sind die regulatorischen Bestimmungen der Abfallbranche noch ein gutes Stück davon entfernt, einheitlich zu sein. So hat etwa die VdS Schadenverhütung erst im Frühjahr 2022 eine erste Richtlinie darüber veröffentlicht, welchen Anforderungen eine Thermalkamera zur Brandfrüherkennung genügen sollte.

Wichtiger Zusatznutzen
Gerade auf der größeren Fläche eines professionellen Recyclingbetriebs kann eine Wärmebildkamera einen wichtigen Zusatznutzen entfalten, wenn sie als Bi-Spektrum-Kamera ausgelegt ist. Dies bedeutet, dass sie neben dem Wärmebild auch noch ein Bild im sichtbaren Bereich liefert. Neben der automatisierten Auswertung des Wärmebilds für die Brandfrüherkennung ist dann sofort auch eine optische Überprüfung der etwaigen Brandmeldung möglich. Anders gesagt: Eine Bi-Spektralkamera dient zugleich der klassischen visuellen Überwachung der Betriebsfläche.

Ausgefeilte KI vermeidet Fehlalarme
Wärmebildkameras sind heute so empfindlich, dass sie Temperaturunterschiede von weniger als 40 Millikelvin (mK) erfassen können. Dies entspricht einer Temperaturauflösung von 0,04 Grad Celsius. Visuell dargestellt werden Temperaturunterschiede beispielsweise in Form sehr fein abgestufter Grauwerte. Damit die Brandfrüherkennung aber tatsächlich automatisiert stattfinden kann, braucht es einen KI-Algorithmus, der die Grauwertunterschiede regelbasiert interpretiert und verarbeitet. Durch die langjährige Erfahrung mit der Wärmebildtechnik in der Abfallwirtschaft berücksichtigt die Auswertungs-KI alle gängigen Quellen für Fehlalarme. So ist es heute ausgeschlossen, dass Hitzequellen wie beispielsweise Gabelstaplermotoren, brennende Zigaretten oder sehr stark reflektierende Oberflächen fälschlich als Überhitzung des Abfalls gedeutet werden und zu einem Alarm führen.

Foto: Hikvision Deutschland GmbH

Alarmierungssignal in vielfältigen Formaten
Mitunter sind die Bi-Spektrum-Kameras selbst bereits mit der benötigten Auswertungselektronik und künstlicher Intelligenz ausgestattet – dies macht die Installation und die Integration der Kameras in ein Meldesystem denkbar einfach. Die Schnittstelle der Bi-Spektralkamera leitet dann nicht nur die beiden Bilder von der optischen und der Wärmebildkamera weiter, sondern gibt auch das Alarmierungssignal in den verschiedensten Formaten an die gewünschten Empfänger aus – ob an eine Brandmeldeanlage, an eine Leitstelle oder an die Endgeräte von Verantwortlichen. Sind mehrere solcher Netzwerkkameras installiert, etwa an unterschiedlichen Sortier- und Lagerbereichen eines Recyclingbetriebs, sind die Meldungen über etwaige Temperaturanstiege natürlich eindeutig der jeweiligen Kamera und dem von ihr überwachten Bereich zugeordnet.

Schon kleinste Temperaturanstiege detektieren
Neben der hohen Empfindlichkeit und Zuverlässigkeit der Wärmebildtechnik ist einer der größten Vorzüge dieser Technologie, dass sie Brände nicht erst erkennt, wenn sie offensichtlich sind – weil sich Temperaturen von etlichen Hundert Grad entwickelt haben und bereits Flammen aus dem Abfall schlagen. Die neuen visuellen Überwachungssysteme warnen bereits vor ungewöhnlichen und besorgniserregenden Temperaturanstiegen, bevor diese zu einem gravierenderen Brandgeschehen führen. Wenn Bi-Spektralkameras einen größeren Bereich überwachen, können die Auswertungsalgorithmen exakt differenzieren, welcher Bereich welche Temperaturentwicklung zeigt. An Bunker 1 ermittelt das System dann vielleicht eine Temperatur, die 30 Grad Celsius nicht übersteigt, an Bunker 2 mögen es 50 Grad sein, an Bunker 3 aber erreicht die Temperatur mit 70 Grad vielleicht schon einen Wert, der ein Einschreiten erfordert. Ab welchem Temperatur-Schwellenwert ein Alarm ausgelöst werden soll, wird sinnvollerweise zuvor anhand der typischen Zusammensetzung des Abfalls in dem bestimmten Bereich definiert.

Veli Kirim (Foto: Hikvision Deutschland GmbH)

Weg zu mehr Brandsicherheit
Bisher sind nur die wenigsten Recyclingbetriebe mit der hochmodernen Thermalkamera-Technik zur Brandfrüherkennung und -vermeidung ausgestattet. Gerade in Deutschland ist der Nachholbedarf groß. Dabei steht fest: Die längst bewährte Wärmebildüberwachungstechnik eröffnet den Weg zu mehr Brandsicherheit.

Moderne Thermalkameras sind in der Lage, selbst kleinste Temperaturunterschiede zu messen. Und sie können große Flächen auf bedenkliche Temperaturanstiege hin überwachen. Sie erkennen die Gefahr eines Brandes früh, schnell und zuverlässig. Zudem sorgen erprobte und ausgefeilte KI-Bildauswertungsalgorithmen dafür, Fehlalarme zu vermeiden und alle im Bild befindlichen Objekte zuverlässig zu klassifizieren. Spektakuläre Brände in Recyclingbetrieben sollten damit schon bald der Vergangenheit angehören.

Autor: Veli Kirim, Business Development Manager der Hikvision Deutschland GmbH, www.hikvision.com

(Erschienen im EU-Recycling Magazin 08/2023, Seite 26 – Fachbeitrag, Foto: leszekglasner / stock.adobe.com)