KI-gestützte Radarsysteme: Wie autonomes Fahren sicherer wird

Ziel eingeben, anschnallen und zurücklehnen, während das Fahrzeug autonom durch die Straßen gleitet: Fortschritte der Technik und Rechtslage versprechen zukünftig eine selbstfahrende Mobilität auf europä­ischen Straßen.

Während sich das autonome Fahren in den letzten Jahren nur langsam durchsetzt, weisen Prognos-Analysen auf einen Umbruch des Trends hin: Ab 2030 soll die Anzahl der Neufahrzeuge mit zumindest einer Pilotfunktion für Autobahnen und Landstraßen deutlich steigen. Bis dahin müssen Experten aus Forschung und Industrie die Erkennungssicherheit automatisierter Fahrzeuge verbessern. Die integrierten Sensorsysteme müssen zuverlässig in der Erfassung der Umgebung sein, damit das System auch kleine Gegenstände im Radius von mindestens 100 Metern rund um das Auto detektieren und den Unterschied zwischen Menschen, Tieren und Gegenständen mit größtmöglicher Sicherheit abschätzen kann.

Das Fraunhofer-Institut für Zuverlässigkeit und Mikrointegration IZM entwickelte deshalb zusammen mit der InnoSenT GmbH, der KSG GmbH, der Creonic GmbH sowie der Universität Bielefeld im Projekt KI-Radar ein Sensorsystem mit einer Trennschärfe von unter einem Grad bei einem Erfassungswinkel von 180 Grad. Gegenwärtige Radarsensoren kommen lediglich auf zwei Grad bei einem Erfassungswinkel von 90 Grad, weshalb mit dem nun entwickelten Radarsystem die sogenannte Winkelauflösung und der Erfassungsbereich verdoppelt werden konnte. Dadurch können auch Objekte, die sich in einem Abstand von mehr als einem Grad zueinander befinden, eindeutig voneinander getrennt detektiert werden.

Zusätzlich sollen die neuen Systeme einen Winkelbereich von idealerweise 90 Grad in der Horizontalen abdecken. So werden die Grenzen aktuell üblicher Radarsysteme überwunden und große Schritte in Richtung des sicheren autonomen Fahrens gegangen. Um den Erfassungsbereich der Radare auf die bisher noch nicht möglichen 180 Grad zu erweitern, bauten die Forschenden dreidimensionale Antennenstrukturen auf. Die Herausforderung dabei: Bei einem größeren Detektionsbereich leidet die Detailwahrnehmung der Sensoren. Damit die Radare trotz weiteren Umblicks eine hohe Winkelauflösung bieten, mussten die Forschenden kreativ werden. Dr. Christian Tschoban, Projektverantwortlicher und Gruppenleiter am Fraunhofer IZM, erklärt die Idee: „Geholfen haben uns die KI-Algorithmen. Mit ihnen konnten wir die Messwerte einzelner Radarsensoren koppeln und so die Winkelauflösung entscheidend erhöhen.“

Nach Fertigung der Einzelkomponenten bauten und evaluierten die Projektmitarbeiter zwei Demonstratoren. Der Technologiedemonstrator mit 3D-Antennen und integrierter KI konnte in ersten Tests bereits seine Leistungsfähigkeit unter Beweis stellen: Mit einer Winkeltrennfähigkeit von unter einem Grad weist er eine sehr hohe Detektionssicherheit auf. Kurz vor Projektabschluss testeten die Forschenden auch den zweiten funktionalen Demon­s­trator unter realen Bedingungen. An einem Fahrzeug befestigt, detektierte er zuverlässig die Hindernisse auf der Strecke. Dank des höheren Erfassungsbereichs der neuen Radarsensoren müssen statt der bislang üblichen circa 16 Radarsensoren je Fahrzeug nur noch sechs Sensoren verbaut werden, um die 360°-Detektion mit der geforderten Sicherheit zu erreichen. Dies reduziert die Fertigungskosten für die Radarsysteme auf weniger als die Hälfte.

www.izm.fraunhofer.de

(Erschienen im EU-Recycling Magazin 09/2023, Seite 35, Foto: Fraunhofer IZM/Volker Mai)