BDSV-Branchentreff 2023: Getrübte Aussichten
Angesichts konjunktureller Flauten auf Binnen- wie Weltmärkten steht die Stahlrecyclingbranche vor neuen Herausforderungen. Das zeigte sich auf dem BDSV-Branchentreff Stahlrecycling 2023 in Dresden, auf dem 460 Branchenvertreter eine aktuelle Zwischenbilanz zogen.
Im Moment sind die Aussichten der Branche durch einen Nachfrage-Rückgang bei Halb- und Fertigerzeugnissen aus Stahl getrübt. Die im Vergleich zum ersten Halbjahr 2022 um 5,3 Prozent geminderte Rohstahlproduktion in Januar bis Juni 2023 ist hauptsächlich auf die schwierige Situation in der Bauwirtschaft zurückzuführen. Die verminderte Herstellung von Betonstahl war insbesondere bei den Elektrostahlwerken zu merken, deren Produktion im ersten Halbjahr 2023 um 13 Prozent zurückging – noch deutlich stärker als bei der Rohstahlherstellung. Damit steht in Zusammenhang, dass der Zulauf an Neuschrott in letzter Zeit um rund 20 Prozent geringer ausfiel, während die Anlieferungen leichter Altschrottsorten um bis zu 40 Prozent, die schwerer Altschrottsorten sogar um bis zu 60 Prozent nachließen. Folglich stiegen im Inlandsmarkt die Stahlschrottpreise letzthin um durchschnittlich 20 Euro pro Tonne.
Haupthemmnisse: Genehmigungsverfahren
Diese Entwicklung schlägt sich in den Einschätzungen der BDSV-Mitglieder nieder, die im September 2023 an einer Branchenumfrage des Verbands teilnahmen. Danach rechnen 54 Prozent der Befragten mit einer schlechteren Geschäftslage – im Vergleich zum Vorjahr, als 74 Prozent Prozent von einer Verschlechterung ausgingen, zwar eine Verbesserung. Allerdings erwarten diesmal lediglich 13 Prozent im nächsten Jahr eine positive Geschäftsentwicklung. Das Investitionsklima hat sich etwas verschlechtert: 36 Prozent der befragten Mitgliedsunternehmen wollen zukünftig geringere Investitionen tätigen, 36 Prozent möchten die bisherige Höhe beibehalten, während nur 28 Unternehmen – sechs Prozent weniger als im Vorjahr – mittelfristig höhere Investitionen planen. Als eines der Haupthemmnisse sehen die Mitgliedsunternehmen langwierige Genehmigungsverfahren an. Allerdings ließen sich in diesem Jahr nur noch 15 Prozent der Befragten von Investitionen abhalten; im letzten Jahr waren es 22. Freilich stellte BDSV-Hauptgeschäftsführer Thomas Junker fest, dass es in den letzten Jahren immer komplizierter geworden sei, Genehmigungen zu bekommen. Immerhin sind neue Recyclingverfahren, Erweiterung der Recyclingprodukte, neue Aufbereitungsanlagen, BImSchG-Genehmigungen, Erweiterungen der bestehenden Vorgaben, Änderung der Lagerflächen oder der Bau neuer Hallen nur einige beispielhafte Gründe zur Aufgabe von Investitionsprojekten.
Transportkosten besonders problematisch
Das Agieren auf dem Schrottmarkt wird nach Ansicht der BDSV-Mitglieder auch durch eine Reihe aktueller Entwicklungen erschwert. Als besonders problematisch schätzen die BDSV-Mitglieder die hohen Transportkosten ein – hervorgerufen durch eine neue Preisstrategie von DB Cargo, insgesamt gestiegene Treibstoffkosten für Straßentransporte, Lkw-Fahrermangel, höhere Löhne, kostspieligere Genehmigungsverfahren und höhere Frachtraten auf der See. Ähnlich kritisch wird die Unsicherheit angesichts der wirtschaftlichen Entwicklung gesehen. Hinzu kommen generell steigende (Energie-)Kosten, verbunden mit einer hohen Inflation, anziehende Produktionskosten pro Tonne, Probleme durch zunehmende Batteriebrände und erschwerte Nachwuchsgewinnung.
Personalsorgen
Speziell nach der Situation am Arbeitsmarkt gefragt, gaben 90 Prozent der BDSV-Mitgliedsunternehmen an, Schwierigkeiten bei der Rekrutierung von Personal zu haben – fünf Prozent mehr als im Jahr 2022 und zehn Prozent mehr als 2021. Dessen ungeachtet planen 36 Prozent der Unternehmen, mehr Mitarbeiter einzustellen, während 56 Prozent die Zahl ihrer Mitarbeiter konstant halten wollen; acht Prozent beabsichtigen zu schrumpfen. Was den Gesamtversand der deutschen Stahlindustrie anlangt, so lag er seit der Jahrtausendwende zwischen 20 bis 25 Millionen Tonnen jährlich. Einem Allzeithoch in 2007 mit fast 30 Millionen Tonnen folgte in der Wirtschaftskrise 2008 ein Allzeittief mit knapp 22 Millionen Tonnen. Ein deutliches Minimum gab es auch 2020 – zu Beginn der Corona-Pandemie. Seit 2021 hat sich der Umschlag in Deutschland laut Thomas Junker „recht gut erholt“ – mit einem leichten Rücklauf in 2022, begründet in einem Entfall von Schrotten und der geringeren Nachfrage durch die Stahlwerke.
Elektrostahlmarkt unter Druck
Die vorgelegten Zahlen der Rohstahlerzeugung für 2022 und 2023 zeigen einen leichten Rückgang – von insgesamt 23 Millionen Tonnen auf 21,5 Millionen Tonnen. Die Produktionsmenge von Oxygenstahl in diesem Zeitraum blieb vor allem aufgrund Bestellungen der Automobilindustrie „relativ ungebremst“, während sie beim Elektrostahl von 7,1 auf 6,1 Millionen Tonnen sank. Die Gründe: Gestiegene Stromkosten, die bei den Elektrolichtbogenöfen spürbar zu Buche schlagen, sowie das Wegbrechen von Aufträgen in der Baubranche. Entsprechend verringerten sich die Stahlschrott-Exporte zwischen den ersten Halbjahren 2022 und 2023 in EU-Länder um 13,1 Prozent und in Drittstaaten um sieben Prozent. Im gleichen Zeitraum schrumpften die Stahlschrott-Importe aus EU-Ländern um 28,6 Prozent; der Import aus Russland kam beinahe vollständig zum Erliegen.
Stoffliche Verwertung fördern
Die Verwendung von Stahlschrott als Rohstoff verursacht weniger CO2-Emissionen als andere Primärrohstoffe. Denn der Einsatz einer Tonne Stahlschrott spart 1,67 Tonnen CO2, von Edelstahlschrott sogar 6,7 Tonnen CO2. Dennoch werde die stoffliche Seite des Recyclings zu wenig gefördert, kritisiert BDSV-Präsident Andreas Schwendter: „Wir brauchen eine bessere Förderung der stofflichen Verwertung.“ Angesichts einer Milliarden-Förderung zur Transformation in Richtung Wasserstoff-Technologien fordert auch die Stahlrecycling-Industrie faire Unterstützung und Gelder zur Analyse, Sortierung und modernen Aufbereitung von Stahl – Millionen, die vielleicht Milliarden bringen. „Wir können mit verhältnismäßig geringen Mitteln sehr viel leisten“. Die Einführung von Recyclingquoten gehe genau in die richtige Richtung; es gebe auch Pilotprojekte mit Ansätzen für höhere Qualitäten. Zukünftig werde die Stahlrecycling-Industrie nicht nur hochwertige Schrotte, sondern ebensolche Rezyklate liefern; dafür seien weitere Studien notwendig.
Unternehmen brauchen Flexbilität
Was den freien weltweiten Handel anbelangt, sieht Andreas Schwendter den Critical Raw Material Act, der Schrott als kritischen Rohstoff einstuft, der Europa nicht mehr ohne weiteres verlassen darf, als „absolut kontraproduktiv“ an. Es gebe seit längerem einen riesigen Exportüberschuss an Schrott – in den letzten Jahren zwischen 13 bis 18 Millionen Tonnen. „Wir können zukünftig auch ohne jegliche Handelsbeschränkungen den Stahlwerken Schrott in ausreichender Qualität liefern“. Hingegen habe Protektionismus immer geschadet, und auch jetzt würde recycelter Stahl überreguliert und der Markt empfindlich beeinträchtigt. Das werde hierzulande Existenzen kosten. „Unsere Unternehmen brauchen die Flexibilität“. Hinter den Beschränkungen steckten rein wirtschaftliche Interessen, die weder durch Fakten gestützt seien noch der Umwelt zugute kommen. Hier sei „eine rote Linie“ erreicht.
Initiativ für batteriefreie Abfälle
Man kann beobachten, wie „relativ synchron mit dem In-Verkehr-Bringen von Lithium-Ionen-Batterien die Anzahl von Bränden in Recyclinganlagen zunimmt“, unterstrich BDSV-Vizepräsident Stephan Karle. Das Problem sei nicht der gefährliche Umgang mit Abfällen in den Recyclinganlagen, sondern die nicht korrekte Erfassung von Elektro(nik)-Schrotten; die Quote liege bei unter 30 Prozent. Zwar seien die Gesetze und Regelungen klar, doch herrsche ein völliges Vollzugsdefizit. Das führe zu bundesweiten Verstößen, während Batterien in allen Abfallströmen zu finden seien. Die BDSV co-finanziert eine entsprechende Studie und arbeitet in einer Verbände-Initiative mit, die sich für batteriefreie Abfälle einsetzen will – es sei eine Mammutaufgabe, die umwelt- und gesundheitsgefährdenden Stoffe aus den Abfallströmen zu entfernen.
Ausbildungsinitiative gestartet
Dass der Bedarf an Fachkräften in der Stahlrecyclingbranche immer schwieriger zu decken ist, will der Verband mit einer Ausbildungsinitiative zur Unterstützung ihrer Mitgliedsunternehmen ändern. Dabei können Ausbildungsbetriebe über einen digitalen Azubimarktplatz niedrigschwellige Blitzbewerbungen von interessierten Jugendlichen direkt in ihr Postfach erhalten. Ab dem 15. November 2023 ist es für Mitgliedsunternehmen der BDSV möglich, Arbeitgeberprofile anzulegen und Ausbildungsplätze zu veröffentlichen. Ab dem 2. Januar 2024 startet die BDSV-Ausbildungsinitiative offiziell und soll dann auch für interessierte Jugendliche erreichbar sein.
(Erschienen im EU-Recycling Magazin 11/2023, Seite 30, Foto: Anass Saki)