Die unerträgliche Komplexität der Recycling-Definition

Die Definition von Recycling ist „unerträglich vielschichtig“, beklagt Kalle Saarimaa, Geschäftsführer von Tana Oy, einem finnischen Unternehmen, das Deponieverdichter und Recyclingmaschinen herstellt. Er stellt sich die Frage, was unter Recycling verstanden wird und wie es adäquat gemessen werden kann.

Auf der gesellschaftlichen Ebene wird Recycling – je nach geographischer Lage – auf verschiedene Arten gemessen. In der EU wurde die Recyclingquote berechnet nach dem Aufkommen von Material (also Abfällen), das fürs Recycling gesammelt wird, nicht nach der Materialmenge, die tatsächlich recycelt wird. Es besteht ein entscheidender Unterschied, ob man das gesammelte oder das recycelte Material misst. Auf den ersten Blick erscheint es sinnvoll, die Materialmenge zu erfassen, die tatsächlich recycelt anstelle gesammelt wird. So könnte die tatsächliche Recyclingquote kalkuliert werden, die zusätzliche nützliche Informationen liefert.

Allerdings sind damit viele Probleme verbunden. Das eine besteht darin, dass die Reinheit des eingehenden Materials merklich variiert. Beispielsweise könnten getrennt gesammelte Kunststoffabfälle Lebensmittelreste, Aufkleber und unsauber getrennten Abfall enthalten. Das Material könnte auch während der Sammlung nass geworden sein und einen hohen Wassergehalt aufweisen. Nach erfolgtem Recycling erreicht nur das tatsächlich recycelbare Material den Kreislauf, da Unsauberkeiten und Überschusswasser während des Prozesses entfernt wurden. Das heißt, dass zum Beispiel von 100 Prozent gesammeltem Kunststoff nur rund 80 Prozent wirklich Kunststoff sind.

Momentane Berechnungsmethoden
Typischerweise ist es möglich, eventuell von diesen 80 Prozent – je nach Abfallart – 50 bis 90 Prozent zu recyceln. Nicht jeder Reststoff kann mithilfe der bestehenden Technologien rückgewonnen werden. Im Jahr 2022 nahm die EU die Gelegenheit wahr und verpflichtete Recycler, über den während des Recyclingprozesses entstandenen Abfall zu berichten. Obwohl das Ziel davon ist, die EU der Messung von Recyclingmaterial näher zu bringen, existieren dabei viele Hintertürchen, da der Vorgang nicht überwacht wird und „Abfall“ nicht präzise definiert ist: „Es macht einen großen Unterschied, ob das Material schließlich in ähnlicher Weise wie ursprünglich genutzt wird oder als eines mit geringerem Wert.“

Wenn beispielsweise ursprünglich als Kleidung genutzte Textilabfälle als Bodenmatten oder Lumpen enden, ist das nicht der nachhaltigste Weg, um das besagte Material zu nutzen. In manchen Fällen wird sogar Material, das auf der Deponie landet, als recycelt erachtet. Macht es deshalb etwas aus, wenn das Material als wertvolles Produkt endet, aber weniger recycelte Rohstoffe enthält, oder ist es wichtiger, die maximale Menge an Material zu weniger wertigen Produkten zu recyceln? Die momentanen Berechnungsmethoden berücksichtigen diese Unterschiede nicht. An diesen Beispielen lässt sich erkennen, dass ein klarer und informativer Weg, um Recycling zu messen, keineswegs einfach ist.

Gegenwärtige Definitionen unzureichend
Wie Recycling definiert wird, steuert maßgeblich die Investitionen der Unternehmen und die Auswahl, die der Gesetzgeber trifft, denn das Erreichen der Recyclingquoten ist verpflichtend für die EU-Mitgliedstaaten. Wenn die Festlegung die Unternehmen dahin führt, in das Erreichen einer hoch kalkulierten Recyclingrate zu investieren, die in Wahrheit erlaubt, dass Material in der Energierückgewinnung oder auf Deponien endet, wird sich der Übergang in eine Kreislaufwirtschaft verlangsamen.

Die Abfallverbrennung ist ein gutes Beispiel: Eine Menge Material wird bereits aus der Asche für sinnvolle Zwecke recycelt, doch das kann mit den gegenwärtigen Definitionen nicht der Recyclingquote zugerechnet werden, da der in Frage kommende Abfall ursprünglich nicht ins Recycling, sondern in die Verbrennung geschickt wurde. Kunststoffe, die aus dem Kohlendioxid bestehen, das während der Verbrennung anfällt, würden auf die gleiche Art und Weise behandelt, auch wenn sie zukünftig einen ausgezeichneten Pfad zur Produktion von Kunststoff ohne fabrikneues Rohmaterial bieten. Andererseits könnten Sammlung und Transport von Kunststoffen nach Asien als komplett recycelt gewertet werden, obwohl bekannt ist, dass ein großer Teil dieser Kunststoffe im Meer endet und nicht in der Material-Zirkulation. Die Definition der EU für Recycling führt uns in erster Linie zum Sortieren und Sammeln von Abfällen, nicht zum tatsächlichen Recyceln.

Hohe Quote, geringe Zirkulation
Ein anderes gutes Beispiel kommt aus den Vereinigten Staaten: In einigen der Staaten, die das Recycling fördern, wird der Abfall anstelle direkt auf die Deponie zu Recyclingzwecken versandt und eine Zielquote zur Abfallbehandlung für die Recyclingeinrichtungen festgelegt. Jedoch berücksichtigt die Zielquote keineswegs die unterschiedlichen Endnutzungen des Materials. Grundsätzlich kann die Anlage eine Recyclingrate von über 70 Prozent erreichen, während das meiste Material auf der Deponie landet. In den USA zählt als Recycling, das Material zu zerkleinern und in Deponiestrukturen und Zwischenschichten zu nutzen. Auf diese Weise lässt sich eine hohe Recyclingquote melden, obwohl in der Realität der Abfall auf einer Deponie landet und nicht in der Stoffzirkulation. Das Ergebnis: Multinationale Unternehmen können berichten, dass ihr Abfall auf keiner Deponie endet, während in Wahrheit die überwältigende Mehrheit dorthin verbracht wird – da das in den USA nicht unter die Definition von Deponierung fällt.

Alle Materialien einbeziehen
„Die Art und Weise, in der Recycling definiert ist, steuert die Investitionen in der Kreislaufwirtschaft und hat deshalb signifikante Auswirkungen auf den tatsächlichen Anstieg der Zirkularität von Materialien“. Dementsprechend wäre ein Arbeitsbegriff, der vergleichbare Messungen ermöglicht, der Schlüssel. Wie die oben gezeigten Beispiele verdeutlichen, ist jedoch die Formulierung einer solchen Definition nicht so einfach, wie es auf den ersten Blick erscheint. Kalle Saarimaa hat auch dafür keine umfassende Lösung. Trotzdem hält er es zumindest für wichtig, alle die Materialien in die Recyclingquote einzubeziehen, die (inklusive dem Beispiel der Nebenprodukte der Abfallverbrennung) wirklich recycelt werden.

tana.fi

(Erschienen im EU-Recycling Magazin 02/2024, Seite 10, Abb.: Peggy und Marco Lachmann-Anke / pixabay.com)