Klärschlammverwertung: Gefahr der Überkapazität sowie niedrige Preise setzen den Markt unter Druck

8. Auflage der Potenzialstudie „Klärschlammverwertung in Deutschland“: Mit neuen Auswertungsmethoden und -inhalten zu Kapazitäten, Gestehungskosten und Preisen untersucht waste:research, eine Marke des Trend- und Marktforschungsinstituts trend:research, die möglichen Konsequenzen für die Branche.

Aufgrund der Gefahr einer bevorstehenden Überkapazität am Markt entwickelt sich der Bau von neuen Klärschlammmonoverbrennungsanlagen weiterhin zu einem Wettrennen um die verbliebenen Mengen. Aktuelle Krisen sowie die Inflation verschärfen die Situation weiterhin, da unter anderem dadurch die Gestehungskosten der Bauprojekte stark gestiegen sind.

Die bereits im vergangenen Jahrzehnt erkennbare rückläufige Tendenz des Klärschlammaufkommens in Deutschland setzt sich fort: In den vergangenen Jahren ist das Klärschlammaufkommen in Deutschland von 1,74 Millionen Tonnen Trockensubstanz (TS) im Jahr 2018 auf 1,7 Millionen Tonnen TS im Jahr 2022 leicht gesunken – bei deutlich steigender Bevölkerungszahl. Aufgrund von Maßnahmen im Zusammenhang mit der Covid-19-Pandemie sanken im Jahr 2021 die Abwassermengen und somit im Verlauf auch die Klärschlamm-Mengen. Nordrhein-Westfalen, Bayern und Baden-Württemberg verfügen dabei weiterhin über die größten Klärschlammaufkommen. Zusammen erzeugen diese drei Bundesländer rund die Hälfte des in Deutschland anfallenden Klärschlamms.

Thermische Verwertung steigt weiter an
Während das Klärschlammaufkommen insgesamt leicht rückläufig ist, steigt – im Wesentlichen aufgrund der rechtlichen Rahmenbedingungen – die thermische Verwertung von Klärschlamm an: Die Monoverbrennung erhöhte sich in Deutschland von 2015 bis 2019 um knapp 20 Prozent auf 515.000 Tonnen TS und dann bis zum Jahr 2022 mit 647.000 Tonnen TS um weitere 25 Prozent. Der Anteil der Monoverbrennung als Entsorgungsweg für Klärschlämme beträgt in Deutschland rund 31 Prozent, während die Mitverbrennung in unter anderem Kohlekraft- und Zementwerken aktuell knapp 47 Prozent ausmacht. In beiden Fällen ist ein leichtes Wachstum zu verzeichnen, während die Entsorgung in der Landwirtschaft weiter abnimmt und inzwischen auf einen Anteil von 13 Prozent gefallen ist.

Neben dem Neubau von Monoverbrennungsanlagen werden zunehmend auch bestehende Anlagen verändert beziehungsweise Standorte genutzt, vor allem auch durch den starken Trend zur Nutzung von biogenen Brennstoffen für die Wärme- und Stromversorgung („fuel switch“). Die Vorteile bei einem An- oder Umbau sind unter anderem Synergien bei Bau und Betrieb, zum Beispiel die Mitnutzung vorhandener Infrastruktur sowie die theoretisch geringeren Investitions- und Betriebskosten. Diese Entwicklungen auf dem Wärme- und Strommarkt, getrieben durch die aktuellen Krisen sowie die strategische Ausrichtung einiger Marktteilnehmer, führten zu einem teilweise extremen Preiseinbruch bei entwässerten und getrockneten Klärschlämmen – sogar in Einzelfällen bis hin zur Zuzahlung.

„Wettrennen“ um Verträge
Trotz des leicht sinkenden Klärschlammaufkommens und der hohen verfügbaren Kapazitäten bei der Mitverbrennung werden viele Bauprojekte von Monoverbrennungsanlagen initiiert. Der Bau von neuen Klärschlammmonoverbrennungsanlagen gleicht daher weiterhin einer Art „Wettrennen“. Die Anlagen, die als erstes die benötigten Kapazitäten anbieten, haben Chancen, die Verträge zu erhalten und somit ihre Anlage auszulasten. Bei späterer Realisierung sinken die Chancen, ausreichend regionale Mengen zu akquirieren – und bei überregionalen Aufträgen senken die steigenden Transportkosten aufgrund hoher Energiepreise, steigender Mautgebühren, Kraftfahrermangel usw. deren Rentabilität. Ausnahmen vom „Wettrennen“ sind teilweise kommunale Anlagen, die durch regionale Argumente und Spezifika punkten können und ihre Mengen durch Vereinbarungen – zum Beispiel in einem Zweckverband – absichern. Diese bleiben allerdings hinsichtlich der sinkenden Marktpreise weitgehend außen vor.

Für die Projekte in Planung gilt, dass die Gestehungskosten – also die Kosten (CapEx und OpEx) für den Neu-, An- oder Umbau von Monoverbrennungsanlagen – weiter gestiegen sind und auch in den kommenden Jahren voraussichtlich weiter steigen werden.

Unvorhersehbare Umstände
Die Gründe hierfür liegen in den aktuellen Krisen, den derzeit allgemein steigenden Preisen (insbesondere bei Bau-, Material- und Personalkosten) und gestiegenen Zinsen. Auch höhere rechtliche Anforderungen und eine hohe Nachfrage nach (Brenn-)Stoffen, die die örtliche Fernwärmeversorgung sichern und damit zur Autarkie beitragen, beeinflussen die Projekte. Durch diese größtenteils unvorhersehbaren Umstände müssen die Bauprojekte nun unter völlig anderen Bedingungen als ursprünglich angenommen vollendet – oder eben nach sorgfältiger Evaluation doch eingestellt – werden.

 

Die 8. Auflage der waste:research-Potenzialstudie „Klärschlammverwertung in Deutschland“ untersucht den Markt bis 2040 unter Berücksichtigung dieser aktuellen Entwicklungen und stellt sowohl das Thema Überkapazitäten, Projektrealisierungen als auch die mittel- und langfristigen Preisprognosen aktualisiert dar.

Dabei betrachtet die Studie drei mögliche Szenarien: Im Szenario „Überkapazität Monoverbrennung“ wird von einem weiteren leichten Rückgang des regionalen Klärschlammaufkommens ausgegangen, wobei insbesondere durch den angenommenen Zubau an (Mono-)Verbrennungsanlagen Überkapazitäten entstehen. Im Szenario „Referenz“ steigt das Klärschlammaufkommen hingegen über die nächsten Jahre leicht, wodurch es zu geringeren Überkapazitäten kommt. Das Szenario „Nachfrage Mitverbrennung“ schlussendlich betrachtet die Marktsituation bei einem stagnierenden Klärschlammaufkommen und einem vergleichsweise hohen Anteil der Mitverbrennung.

Die Studie nutzt neue Auswertungs- und Analysemethoden sowie -darstellungen und ist ab sofort verfügbar.

wasteresearch.de

 

(Erschienen im EU-Recycling Magazin 02/2024, Seite 38, Foto: Hubert Jelinek)