Markt für Klärschlammverwertung weiter unter Druck
Gefahr der Überkapazität und steigende Gestehungskosten.
Auf dem Markt für die Verwertung von Klärschlamm lastet durch zahlreiche Bauprojekte ein steigender Druck. Aufgrund der Gefahr einer bevorstehenden Überkapazität am Markt entwickelt sich der Bau von neuen Klärschlamm-Monoverbrennungsanlangen immer mehr zu einem Wettrennen um die verbliebenen Mengen. Der Ukrainekrieg und die Energiekrise verschärfen die Situation weiterhin, weil dadurch die Gestehungskosten der Bauprojekte stark gestiegen sind. In seiner aktuellen Studie untersucht waste:research, eine Marke des Trend- und Marktforschungsinstituts trend:research, die möglichen Konsequenzen für die Branche.
Im vergangenen Jahrzehnt ließ sich eine rückläufige Tendenz des Klärschlammaufkommens in Deutschland beobachten: Im Jahr 2016 fielen noch etwa 3,03 Millionen Tonnen Trockensubstanz (TS) Klärschlamm in öffentlichen und nicht öffentlichen (industriellen) Abwasserbehandlungsanlagen an. Im Vergleich zu 2007 bedeutet dies eine Abnahme von knapp 19 Prozent. Nordrhein-Westfalen, Bayern und Baden-Württemberg verfügen dabei aktuell über die größten Aufkommen. Zusammen erzeugen diese drei Bundesländer rund die Hälfte des in Deutschland anfallenden Klärschlamms.
Mitverbrennung von Klärschlamm steigt stark an
Während das Klärschlammaufkommen insgesamt rückläufig ist, steigt seine thermische Verwertung an: Die Monoverbrennung erhöhte sich durch den Zubau von Anlagen von etwa 432.500 Tonnen TS in 2015 auf circa 515.000 Tonnen TS im Jahr 2019. Dies entspricht einem Zuwachs von knapp 20 Prozent – innerhalb von vier Jahren. Neben dem Neubau von Monoverbrennungsanlagen („greenfield“) werden zunehmend auch bestehende Anlagen umgebaut beziehungsweise Standorte genutzt („brownfield“). Die Vorteile bei einem An- oder Umbau sind vielfältige Synergien bei Bau und Betrieb, unter anderem die Mitnutzung vorhandener Infrastruktur sowie die theoretisch geringeren Investitions- und Betriebskosten. Nachteile resultieren daraus, dass die bestehenden Anlagen nur selten genauso passen, dass sie in der Praxis nutzbar sind, das vorhandene Personal oft nicht für Monoverbrennung qualifiziert ist und unvorhergesehene Hürden den Umbau teurer als geplant werden lassen können.
Die Mitverbrennung von Klärschlamm ist in den letzten Jahren noch deutlich stärker als die Monoverbrennung gestiegen: Während die Mitverbrennung in 2015 noch 446.900 Tonnen TS betrug, stieg sie bis 2019 um 76 Prozent auf 787.000 Tonnen TS an. Die Mitverbrennung erfolgte in Kohlekraftwerken (ca. 354.000 Tonnen TS pro Jahr), Zementwerken (ca. 300.000 Tonnen TS pro Jahr) und Müllverbrennungsanlagen (ca. 76.700 Tonnen TS pro Jahr). Die Mitverbrennungskapazitäten der Kohlekraftwerke werden durch den Kohleausstieg zukünftig wegfallen; sowohl die Zementwerke mit insgesamt 678.000 Tonnen TS pro Jahr und die Müllverbrennungsanlagen mit 150.000 Tonnen TS pro Jahr verfügen noch über weitere Kapazitäten, die bisher nicht ausgeschöpft wurden.
Auch die Nutzung von Biomasseanlagen (Altholzkraftwerken) ist denkbar, sofern die rechtlichen Grundlagen hierfür angepasst werden – aktuell verbietet die EEG-Förderung diesen Anlagen noch die Mitverbrennung von Klärschlamm. In Betracht kämen daher insbesondere Anlagen, die bereits aus der EEG-Förderung ausgestiegen sind und die Anforderungen nach der 17. BImschV erfüllen. Voraussetzung ist in den meisten Fällen aber die Sicherstellung der Rückgewinnung des Phosphats.
„Wettrennen“ um Verträge bei steigenden Gestehungskosten
Trotz des sinkenden Klärschlammaufkommens und der hohen verfügbaren Kapazitäten bei der Mitverbrennung wurden in den letzten Jahren viele Bauprojekte von Monoverbrennungsanlagen initiiert. Der Bau von neuen derartigen Anlagen gleicht daher mittlerweile einer Art „Wettrennen“. Die Anlagen, die als erstes die benötigten Kapazitäten anbieten, haben Chancen, die Verträge zu erhalten und ausgelastet zu sein. Bei späterer Realisierung sinken die Chancen, ausreichende regionale Mengen zu akquirieren, und bei überregionalen Aufträgen senken die steigenden Transportkosten aufgrund hoher Energiepreise und Kraftfahrermangel deren Rentabilität. Ausnahme des Wettrennens sind gegebenenfalls kommunale Anlagen, die ihre Mengen durch Vereinbarungen – zum Beispiel in einem Zweckverband – absichern. Diese werden dann allerdings auch nicht in den Genuss sinkender Preise kommen.
Für die Projekte in Planung gilt, dass die Gestehungskosten, also die Kosten für den Neu-, An- oder Umbau von Monoverbrennungsanlagen, in den kommenden Jahren voraussichtlich weiter steigen werden. Die Gründe hierfür liegen im Ukrainekrieg, der Energiekrise, den derzeit allgemein ansteigenden Preisen und den Zinserhöhungen. Auch höhere Anforderungen (z. B. Genehmigungsthemen wie in Delfzijl) und eine hohe Nachfrage nach (Brenn-)Stoffen, die die Fernwärmeversorgung sichern und damit zur Autarkie beitragen, beeinflussen die Projekte. Durch diese größtenteils unvorhersehbaren Umstände müssen die Bauprojekte nun unter völlig anderen Bedingungen als ursprünglich angenommen vollendet werden.
waste:research-Studie ab sofort verfügbar
Die neue, 7. Auflage der waste:research-Potenzialstudie „Klärschlammverbrennung: Mit- und Monoverbrennung in Deutschland“ untersucht den Markt bis 2040 unter Berücksichtigung dieser aktuellen Entwicklungen und stellt sowohl die Themen Überkapazitäten und Projektrealisierungen als auch die mittel- und langfristigen Preisprognosen dar.
Dabei betrachtet die Studie drei mögliche Szenarien: Im Szenario „Überkapazität“ wird von einem weiteren Rückgang des regionalen Klärschlammaufkommens ausgegangen, wobei insbesondere durch den aktuell hohen Zubau an (Mono-)Verbrennungsanlagen Überkapazitäten entstehen. Im Szenario „Referenz“ steigt das Klärschlammaufkommen hingegen über die nächsten Jahre leicht, wodurch es zu geringeren Überkapazitäten kommt. Das Szenario „Mitverbrennung“ schlussendlich betrachtet die Marktsituation bei einem stagnierenden Klärschlammaufkommen und einem vergleichsweise hohen Anteil der Mitverbrennung.
Die Studie „Klärschlammverbrennung: Mit- und Monoverbrennung in Deutschland“ von waste:research umfasst über 720 Seiten (inkl. über 50 ausführliche Projektprofile) und ist ab sofort verfügbar.
(Erschienen im EU-Recycling Magazin 01/2023, Seite 48, Foto: Horst / stock.adobe.com)