Österreich: Auf dem besten Weg, aber noch verbesserungsfähig
„Österreich ist Recycling-Musterland.“ Das stellte letztes Jahr die EU-Kommission in ihrem „Frühwarnbericht“ fest und bescheinigte der Alpenrepublik, zu jenem Drittel der EU-Staaten zu gehören, die „auf dem besten Weg sind, die Zielvorgaben für 2025 zu erreichen“.
Im Jahr 2021 fielen in Österreich 77,38 Millionen Tonnen Abfälle an. Die größten Anteile stellten Aushubmaterialien und Abfälle aus dem Bauwesen mit circa 46,1 Millionen Tonnen beziehungsweise 12,5 Millionen Tonnen dar. Neben diesen Materialien, die mit 59,6 beziehungsweise 16,1 Prozent zu Buche schlugen, machten Siedlungsabfälle mit 7,5 Millionen Tonnen rund 9,6 Prozent am Gesamtaufkommen aus. Sie erreichten eine Recyclingquote von 62,5 Prozent.
2020 entfielen von den Siedlungsabfällen 32 Prozent auf gemischte Siedlungsabfälle, etwa sechs Prozent bestanden aus Sperrmüll, drei Prozent bzw. 15.200 Tonnen waren getrennt gesammelte Problemstoffe, Elektro- und Elektronikaltgeräte sowie Altbatterien und Altakkumulatoren. Etwa 25 Prozent entfielen auf biogene Abfälle und Grünabfälle. Bei einem Prozent handelte es sich um Straßenkehricht. Den größten Anteil stellten mit 3,36 Millionen Tonnen die getrennt gesammelten Altstoffe dar, bei denen die Abfallfraktion Altpapier, Drucksorten und Verpackungen mit 41,7 Prozent den größten Anteil ausmachte, gefolgt von Altmetallen mit 21,4 Prozent und Altholz mit 13,4 Prozent.
Rund ein Drittel recycelt
Was die Abfälle ohne Aushubmaterialien betrifft, so ergibt sich daraus für das Jahr 2021 eine Deponierungsquote von acht Prozent und eine Verfüllungsrate von zwei Prozent. Thermische Behandlungen kamen in 14 Prozent zur Anwendung, während das Recycling eine Quote von 67 Prozent erreichte. Inklusive Aushub- und Bauabfällen wurde in diesem Jahr die Gesamtmenge an Abfällen zu 38 Prozent deponiert, zu 16 Prozent verfüllt, zu sechs Prozent thermisch behandelt und zu rund einem Drittel recycelt.
Hinzu kommt, dass 2021 insgesamt rund 18 Prozent der gefährlichen Abfälle im Jahr 2021 im Inland oder im Ausland rezykliert werden konnten. 33 Prozent der gefährlichen Abfälle wurden so vorbehandelt, dass der Abfall keine schädlichen Eigenschaften mehr aufwies beziehungsweise ausgestuft werden konnte. An grenzüberschreitenden notifizierten Abfällen wurden 2020 insgesamt rund 947.900 Tonnen ex- und circa 1.129.300 Tonnen importiert. Von den Exporten wurden 99,1 Prozent, von den Importen 92,5 Prozent stofflich oder thermisch verwertet.
Ein dichtes Anlagen-Netz
Österreich hält ein dichtes Netz von Vorbehandlungs- sowie Verwertungs- und Beseitigungsanlagen vor, wie der Statusbericht 2023 des Bundesministeriums für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie meldet. So standen 2021 rund 3.400 Anlagen zur Abfallverwertung und -beseitigung sowie zur Vorbehandlung zur Verfügung. Neben 1.170 Deponien gab es 941 Behandlungsanlagen für mineralische Bau- und Abbruchabfälle, 79 Einrichtungen zur Vorbereitung von Wiederverwendung, weitere rund 300 Sortier- und Aufbereitungsanlagen zur Vorbehandlung, 175 Recyclinganlagen und Anlagen zur sonstigen stofflichen Altstoff-Verwertung, 60 thermische Behandlungsanlagen, 14 Behandlungsanlagen für schadstoffbelastete Böden sowie 14 mechanisch-biologische, 162 Biogas- und 410 Kompostieranlagen. Hinzu kommen 47 chemisch-physikalische Abfallbehandlungsanlagen mit einer Kapazität von etwas über einer Million Tonnen pro Jahr. Durch diesen österreichischen Anlagenpark wurden im Jahr 2021 unter anderem 4.312 Tonnen Textilien, 9.200 Tonnen Elektrogeräte und rund 2.500 Tonnen Möbel und Haushaltsgeräte zur Wiederverwendung vorbereitet. Nach Angaben des Umweltbundesamtes machte im gleichen Zeitraum die Behandlung gebrauchter Artikel insgesamt rund 142.000 Tonnen aus: „Mit rund 41 Prozent fallen Möbel am meisten ins Gewicht, gefolgt von sonstigen Produkten (26 Prozent), wozu z. B. Bücher oder CDs zählen, und Textilien (20 Prozent).“
Private und gesetzliche Interessen
„Die private Abfallwirtschaft beschäftigt direkt über 27.000 Personen und indirekt über 43.000 Personen und bearbeitet mehr als drei Viertel des in Österreich anfallenden Abfalls in 1.100 High-Tech-Anlagen mit einem jährlichen Umsatz von 4,0 Mrd. Euro“, gibt der VOEB – Verband Österreichischer Entsorgungsbetriebe auf seiner Webseite bekannt. Mit rund 250 Mitgliedsunternehmen repräsentiert der Verband nach eigener Einschätzung – gemessen an Umsatz bzw. Beschäftigtenzahl – zwei Drittel der kommerziellen Abfallwirtschaftsbetriebe des Landes. Das Mitgliederverzeichnis des Österreichischen Baustoff-Recycling-Verbandes listete im Herbst 2023 über 70 Firmen und über 80 Recyclinganlagen für Baustoffe auf. Die gesetzliche Interessenvertretung im Bereich der Abfall- bzw. Abwasserwirtschaft übernimmt in der Wirtschaftskammer Österreich der Fachverband Entsorgungs- und Ressourcenmanagement. Mit Stand Ende 2023 gehörten ihm 7.749 Mitgliedsbetriebe an, wobei kleine und mittlere Unternehmen mit bis zu 249 Beschäftigten rund zwei Drittel der Mitglieder stellten. In der Hauptsache sind hier kommunale Räumdienste (4.123 Unternehmen) und Entrümpler (1.506) sowie Abfallsammler und -behandler (1.170) inkorporiert. Altölsammler (17), thermische Verwerter (8), Erzeuger von Ersatzbrennstoffen (5) und Klärschlammbehandler (5) sind in der Minderheit.
Zu den größten Entsorgungsunternehmen in Österreich zählten 2022 nach Darstellung von Statista die Altstoff Recycling Austria AG mit einem Umsatz von 227 Mio. Euro, die Müller-Guttenbrunn GmbH mit 276 Mio. Euro, die Brandtner Gruppe GmbH mit 307 Mio. Euro, die Saubermacher Dienstleistungs-AG mit 425 Mio. Euro sowie FCC Austria Abfall Service AG mit 597 Mio. Euro. Spitzenreiter ist die Loacker Recycling GmbH mit 1.094 Mio. Euro.
Größenabhängig: Fachkräftemangel
Allerdings steigt laut ARA-Studie der Fachkräftemangel mit zunehmender Unternehmensgröße: Mehr als zwei Drittel der Firmen sollen Schwierigkeiten haben, geeignete Fachkräfte im Bereich Green Jobs zu finden. Für große Unternehmen (bis zu 50 Mitarbeitende) sind es beinahe sogar drei Viertel (73 Prozent), bei kleineren (mit bis zu neun Mitarbeitenden) ist ein Drittel (33 Prozent) mit dem Fachkräftemangel konfrontiert. Größere Unternehmen neigen deshalb mehr dazu, hier vor allem bei externen Dienstleistern Hilfestellungen zu suchen.
Auf dem besten Weg für 2025
„Österreich ist auf dem besten Weg, die Ziele für 2025 für die Vorbereitung auf die Wiederverwendung und das Recycling von Siedlungsabfällen und für das Recycling von Verpackungsabfällen sowie das Ziel für 2035 für die Deponierung von Siedlungsabfällen zu erreichen“, fasst der sogenannte EU-Frühwarnbericht mit Rückgriff auf Daten von 2020 zusammen. Die dafür notwendige Recyclingquote bei Siedlungsabfällen von 55 Prozent übertrifft Österreich mit 62,2 Prozent bereits jetzt, während allerdings die Quote beim Verpackungsmüll mit 63,7 Prozent leicht unterhalb der gesetzten Sollmarke liegt. Auch erreicht die Deponierungsquote für Siedlungsabfälle von 1,8 Prozent die erforderlichen zehn Prozent bei Weitem nicht. Die Messlatte wird zudem durch eine zu hohe Abfallverbrennungsquote (35,7 statt 27 Prozent) und eine zu niedrige Wiederverwertungsquote bei Kunststoffverpackungen (25,3 anstelle 50 Prozent) gerissen.
Verwertungspotenzial noch nicht ausgeschöpft
Für den Umgang mit Kunststoffabfällen gibt die Europäische Union klare Ziele vor: Bis zum Jahr 2030 soll mehr als die Hälfte recycelt werden. Vor diesem Hintergrund hat das österreichische Umweltbundesamt das Kunststoffrecycling und die eingesetzten Sortier- und Recyclingtechniken in Österreich analysiert und vorhandene Hemmnisse und Treiber mit Anlagenbetreibern identifiziert. Seine Studie ergab: „Mit der bestehenden Anlagenstruktur und den derzeit finanziellen Rahmenbedingungen können die EU-Ziele nur schwer erreicht werden.“
Zwar befindet sich der technische Standard der Recyclinganlagen derzeit im europäischen Vergleich in einem guten Zustand, doch müsse bei Sortieranlagen nachgerüstet werden. Insgesamt ist das Potenzial zur Verwertung und zur Nutzung von Kunststoffabfällen noch nicht ausgeschöpft: Von den Kunststoffen, die in Abfällen enthalten sind, wurden 2018 circa 72 Prozent thermisch verwertet. Auch müssten Kunststoffabfälle teilweise importiert werden, damit das Recycling rentabel bleibt. Nach Ansicht des FCIO (Fachverband der Chemischen Industrie Österreichs) könnten durch Kreislaufführung von Kunststoffen in Österreich jährlich 2,4 Millionen Tonnen CO2 eingespart werden.
Nationale Planung steht
Österreich plant umfänglich. Seine nationale Kreislaufwirtschafts-Strategie sieht folgendes vor: Bis zum Jahr 2030 soll der inländische Materialverbrauch auf maximal 14 Tonnen pro Kopf und Jahr beschränkt werden, die Ressourcenproduktivität um 50 Prozent angehoben, die Zirkularitätsrate auf 18 Prozent gesteigert und der Konsum privater Haushalte um zehn Prozent gesenkt werden. Auch wollen sich nach Darstellung der Altstoff Recycling Austria (ARA) heimische Unternehmen noch stärker auf die Reduktion von Abfällen (94 Prozent), eine getrennte Sammlung (92 Prozent), die Forcierung von Wiederverwendung (89 Prozent) und auch den Einsatz von Recyclingmaterial (69 Prozent) fokussieren.
10,2 Milliarden Euro Investment nötig
Um ihre CO2-Emissionen bis 2050 auf nahezu Null zu senken, müsste die heimische Industrie bis dahin 10,2 Milliarden Euro investieren, schätzt eine Studie des Kreditversicherers Acredia und der Allianz Trade. Den Löwenanteil zur erfolgreichen Energiewende und zur Einhaltung der Klimaziele müsste die Zellstoff- und Papierindustrie mit 4,5 Milliarden Euro tragen, die Eisen- und Stahlindustrie mit 3,7 Milliarden Euro und die Zementindustrie mit einer Milliarde Euro. Laut einer Studie im Auftrag der ARA wollen sich die heimischen Unternehmen ohnehin noch stärker auf die Reduktion von Abfällen (94 Prozent), getrennte Sammlungen (92 Prozent), die Forcierung von Wiederverwendung (89 Prozent) wie auch den Einsatz von Recyclingmaterial (69 Prozent) fokussieren.
Gerade im Hinblick auf das EU-Kreislaufwirtschaftspaket gewinnen Rechts- und Investitionssicherheit sowie der Ersatz von Primärrohstoffen weiter an Bedeutung. 2022 plante bereits jedes zweite Unternehmen in Österreich, in Circular Economy zu investieren. Im Vergleich zum Jahr 2021 nutzen um 20 Prozent-Punkte mehr Unternehmen die Kreislaufwirtschaft, um zehn Prozent-Punkte mehr Betriebe haben bereits investiert, und auch der Anteil an den jeweiligen Gesamtinvestitionen ist um fünf Prozent-Punkte gestiegen.
(Erschienen im EU-Recycling Magazin 11/2024, Seite 10, Foto: sezerozger / stock.adobe.com)