KI-Assistenzsystem für die Papierindustrie

Das INGEDE-Symposium 2025 im Februar in München bot wieder ein spannendes Programm rund um die Themen Deinking und Papierrecycling. Hanna Schwandt von der Leipa Group GmbH und Felix Hake von der Consultingtalents AG stellten hierbei das Projekt „KIBAPap“ vor.

Die Ressourcen- und Energieintensität der Prozessindustrie in Deutschland erfordert in den nächsten Jahren entscheidende Innovationssprünge, sowohl hinsichtlich des ökologischen Fußabdrucks als auch der Produk­tionseffizienz. Dabei hat Deutschlands Papierindustrie als Teil der Prozessindustrie mit der kontinuierlichen Steigerung der Altpapier-Einsatzquote in den letzten Jahren große Erfolge in der Nachhaltigkeit erzielt. Dennoch bleibt die Herstellung von Papier, mit Altpapier als wichtigstem Rohstoff, ein sehr ressourcenintensiver Prozess.

Im Zentrum des vom BMWK geförderten Verbundprojekts „KIBAPap“ (Laufzeit: Juli 2023 bis Juni 2026; Leitung: Prof. Dr. rer. nat. Jürgen Belle, Hochschule München) steht die Entwicklung eines KI-basierten Bedienerassistenzsystems im Wertstoffkreislauf Papier. Erarbeitet werden Beiträge zur Digitalisierung dieses Kreislaufs, zur Erhöhung der Effizienz der Produktionsprozesse und zur signifikanten Einsparung von Ressourcen. Projektpartner sind: Fraunhofer-Gesellschaft zur Förderung der angewandten Forschung, Universität Siegen, RWTH Aachen, Consultingtalents AG, Leipa Group GmbH, Propakma GmbH sowie die Veolia Umweltservice GmbH.

Situativ angepasst
Das Ziel des Teilvorhabens der Hochschule München ist die sichere Skalierbarkeit eines KI-basierten Assistenzsystems für Bediener einer Papiermaschine. Dies soll mit umfangreichen Versuchen an ihr, Gesprächen mit den Maschinenbedienern sowie ergänzenden Laboruntersuchungen erreicht werden. Die Untersuchungen erstrecken sich von der Analyse der Altpapierqualität vor der Sortierung über die Stoffaufbereitung bis hin zur Interpretation von Online-Messungen der Fasermorphologie an der Papiermaschine im Vergleich zum produzierten Papier. Ein besonderer Fokus wird auf den Einfluss der Faserqualität und des Aschegehalts auf die Pressenentwässerung gelegt, denn ein Prozent Trockengehaltssteigerung an dieser Stelle in der Papiermaschine bedeutet eine circa vierprozentige Senkung der anschließend nötigen Trocknungsenergie. Das Assistenzsystem an der Maschine soll situativ angepasst auf unterschiedliche Altpapierqualitäten aus der Sortierung reagieren. Im Ergebnis steht die Digitalisierung des Wertstoffkreislaufes Papier, eine Erhöhung der Prozesseffizienz und ein signifikanter Beitrag zur Einsparung von Ressourcen, insbesondere Energie.

Vernetzt und nutzbar gemacht
Zur Unterstützung der Papierproduktion werden anfallende Datenmengen für die Prozesssteuerung und -optimierung vernetzt und nutzbar gemacht. Denn die Maschinenbediener müssen verschiedene Systeme beherrschen, und die Deutung der Daten ist auch für Experten nicht immer eindeutig. Schwankungen im Produktionsprozess, die auf variierende Qualitäten des Eingangsmaterials zurückzuführen sind, erschweren die Kontrolle des Prozesses zusätzlich. Darüber hinaus können einige Qualitätsparameter nicht inline gemessen, sondern erst nach der Produktion im Labor bestimmt werden. Während die Entscheidungshoheit bei den Bedienern der Maschine bleibt, überwacht das KI-Assistenzsystem die Produktionsprozesse und erkennt frühzeitig Qualitätsprobleme sowie Abweichungen vom optimalen Maschinenlauf. Hinweise werden dann situationsgerecht an den Maschinenbediener ausgegeben und Wissen abteilungsübergreifend verfügbar gemacht. Im Rahmen von „KIBAPap“ und aufbauend auf den Ergebnissen des Projekts „ODiWiP“ entwickeln die Forschenden mit „Maddox“ ein Bedienerassistenzsystem für den Produktionsalltag im Kontext Papier. In diesem Assistenzsystem laufen die Informationen aus den verschiedenen Produktionssystemen wie zum Beispiel dem Prozessleitsystem oder der Maschinensteuerung zusammen und werden dort aufgabenorientiert gebündelt und präsentiert. Das System ermöglicht eine digitale Speicherung des „Produktionswissens“ und eine bedarfsgerechte Unterstützung der Maschinenbediener bei der Situationsanalyse und nachhaltigen Lösungsfindung.

Ein tieferes Prozessverständnis aufbauen
Basierend auf einem KI-Modell präsentiert das Assistenzsystem dem Bedienpersonal ausgewählte und zur Situation passende Lösungsangebote in Form von Wissenskarten. Die Maschinenbedienenden können ein tieferes Prozessverständnis aufbauen, schneller und gezielter auf Störsituationen reagieren und diese nachhaltig beheben. Das Erfahrungswissen wird durch das Assistenzsystem im Unternehmen geteilt und auch im Unternehmen gehalten, wenn Mitarbeitende das Unternehmen verlassen. Das gespeicherte Produktionswissen kann zudem dynamisch an sich verändernde Rahmenbedingungen im Prozess, wie etwa Umbauten an der Anlage, angepasst werden.

Um das Assistenzsystem für den industriellen Einsatz zu optimieren, muss eine einfache Übertragbarkeit des Systems ermöglicht werden. Dazu soll das Assistenzsystem nicht spezifisch auf eine Papiermaschine zugeschnitten sein, sondern möglichst generisch an vielen Papiermaschinen zum Einsatz kommen können. Dort, wo Anpassungen unumgänglich sind, wird die Einführungszeit auf ein Minimum reduziert, indem zum Beispiel schon generiertes Wissen im Assistenzsystem hinterlegt ist und die Machine-Learning-Modelle weitgehend übertragbar gestaltet werden. So lässt sich das Bedienerassistenzsystem schnell und wirtschaftlich auf neue Papiermaschinen übertragen und steht allen Papierfabriken zur Verfügung.

hm.edu, ivv.fraunhofer.de

(Erschienen im EU-Recycling Magazin 05/2025, Seite 16, Foto: Leipa Group GmbH / Fraunhofer IVV)