Schrottmarktbericht Juli 2025: Schwindende Mengen, schwindende Margen – bei miserabler Stahlproduktion im ersten Halbjahr
Bis zum Jahr 2028 wächst nach einer neuen Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) die Fachkräftelücke in Deutschland auf 768.000 unbesetzte Stellen an. In den Metallberufen wird die Beschäftigung voraussichtlich um -14 Prozent oder 161.000 Stellen deutlich sinken. Dennoch bleibt bei den Berufen im Metallbau und der spanenden Metallverarbeitung eine Fachkräftelücke von 7.400 bzw. 5.300 unbesetzten Arbeitsstellen.
Da es nicht genügend Nachwuchs gibt, können diese Arbeitsplätze – besonders durch freiwerdende Stellen der sogenannten Baby-Boomer – nicht besetzt werden. Die Produktion im Verarbeitenden Gewerbe hat sich nach dem deutlichen Rückgang im April wieder erholt. Allerdings zeigte der Lkw-Maut-Fahrleistungsindex – ein Frühindikator für die Industrieproduktion – für Juni eine Abschwächung. Auch Auftragseingänge bleiben im Verarbeitenden Gewerbe vor dem Hintergrund der weiterhin hohen handels- und geopolitischen Unsicherheiten sehr volatil.
Einige deutsche Werke führten im Juli ihre jährlichen Wartungs- und Instandhaltungsarbeiten in ihrer Sommerpause durch. Schrottbedarfe fielen daher niedriger aus als im Vormonat. Stahlwerkseinkäufer konnten ihre Schrottpreise nach unten drücken. Geringe Zukaufmengen ermöglichten Preisreduzierungen von bis -10 €/t bis -15 €/t. Der Markt hat sich vollständig zu einem Käufermarkt gedreht, bei dem die Verbraucher die Preise diktierten. Die Absatzchancen für Fertigstahlprodukte sind nicht besonders gut. Die Stahlnachfrage fiel deutlich geringer aus und Stahlwerksvertreter argumentierten, dass Schrottpreise um 10 €/t bis 20 €/t zu hoch seien.
Allgemein zeigen sich die strukturellen Probleme der Stahlindustrie in den unlängst veröffentlichten Produktionsdaten der Rohstahlerzeugung. Im ersten Halbjahr 2025 sank die Rohstahlerzeugung um -11,6 Prozent auf lediglich 17,1 Mio. Tonnen. Diese Produktionsmengen sind umso besorgniserregender, da diese nach einem überaus schwachen Jahr 2024 erfolgen. Stahlunternehmen leiden besonders unter der schwachen Inlandsnachfrage, diese liegt – hochgerechnet auf das Gesamtjahr 2025 – mit rund 29 Mio. Tonnen auf einem historischen Tiefstand.
Schrott in den Regionen
Die nördlich gelegenen Stahlwerke kauften mit Preisabschlägen von -15 €/t ein. Ein Werk soll seine Abschläge etwas höher veranschlagt und die Preis um -15 €/t bis -20 €/t gesenkt haben. Im Osten reduzierte ein Werk Schrottpreise um -15 €/t; Späne, angesichts der etwas schlechteren regionalen Verfügbarkeit, um lediglich -10 €/t. Allgemein lagen Preiskorrekturen zwischen -10 €/t und -15 €/t. Ein westlich gelegenes Werk kaufte zunächst Altmengen zu unveränderten Preisen ein und startet die neue Einkaufskampagne mit -15 €/t. Im Südwesten kündigte ein Werk normale Schrottbedarfe an, senkte seine Einkaufspreise marktgerecht zunächst um -10 €/t später sogar um -15 €/t. Im Bereich der Saar stellte sich die Stahlproduktion nach wie vor als schwierig dar. Schrottzukäufe fanden quasi kaum statt. Im Süden kaufte ein Stahlwerk mit Preisen von -10 €/t ein und glich sich so dem nahe gelegenen österreichischen Markt an.
Schrott in den Nachbarländern
In Frankreich kauften Stahlwerke nur geringe Schrottmengen zu. Insgesamt sanken Schrottpreise um bis zu -25 €/t. Die Werke werden vornehmlich im August ihre Wartungs- und Instandhaltungsarbeiten verrichten, sodass in diesem Monat keine nennenswerten Bedarfe bestehen werden. In Luxemburg nahmen Stahlwerkseinkäufer unterschiedliche Preisabstufungen vor. Shredderschrotte lagen bei -25 €/t, während Scherenschrotte bei -20 €/t lagen. Übrige Schrottsorten wurden mit Preisabschlägen von -15 €/t bewertet. Im luxemburgischen Elektrostahlwerk AreclorMittal Belval wird ein neuer Elektroofen in Betrieb genommen, weshalb die Schrottbedarfe voraussichtlich bis Mitte September vermutlich nur die Hälfte der sonst üblichen Menge betragen. Verbraucher aus Österreich senkten Schrottpreise allgemein um -10 €/t. In Italien berichten Marktteilnehmer von bevorstehenden Sommerstillständen im August. Der Materialzulauf ist ausgewogen und den Schrottmarkt stuften Marktteilnehmer als sehr ruhigen Markt ein. Werkseinkäufer nahmen Preisabschläge von -10 €/t vor. In Polen sanken die Einkaufspreise für Schrotte um -7 €/t bis -8 €/t. Der Preisunterschied zwischen den leichteren Schrottqualitäten und den Premiumqualitäten schmolz dahin, bedingt durch die schwache polnische Nachfrage nach Fertigmaterialien und einem stabilen inländischen Zukauf für den Exportbedarf.
Schrottmarkt international
In den ersten Julitagen zeigten sich türkische Stahlproduzenten auf dem internationalen Schrottmarkt. Mehrere Geschäfte wurden auf unterschiedlichem Niveau abgeschlossen, insgesamt herrschte eine gefestigte Stimmung. Ein britischer Schrottexporteur verkaufte zum ersten Mal seit mehreren Monaten eine Ladung HMS 1/2 (80:20) zu 335 $/t sowie Shredder und Bonusmaterial zu 355 $/t CFR an ein türkisches Werk aus der Region Marmara.
Nachdem einige Schrottverkäufe abgeschlossen wurden, legte sich der Markt in der dritten Juliwoche. Türkische Schrottkäufer zogen sich vom internationalen Markt zurück und richteten ihr Augenmerk auf die sich anbahnenden Rückgänge auf dem Fertigstahlmarkt. Türkische Stahlproduzenten gerieten in den vergangen Wochen noch stärker unter Druck, da Rohstoffpreise, wie Schrotte und Knüppel, anstiegen. Dies veranlasste die Produzenten, trotz schwacher Nachfrage, die Preise für ihre Stahlprodukte zu erhöhen. Bis zum 18. Juli sollen insgesamt 20 Schrottladungen verkauft worden sein. Nach Angabe von Marktexperten waren zu diesem Zeitpunkt noch mindestens 10 weitere Verkäufe notwendig, um die geringen Knüppelankünfte auszugleichen.
Sowohl europäische als auch US-Verkäufer sind in ihren Möglichkeiten, zu reduzierten Preisen zu verkaufen, stark eingeschränkt. Große Besorgnis bei den US-Schrotthändlern besteht in den angestiegenen Frachtpreisen, die von der US-Ostküste zu südtürkischen Werken bereits 40 $/t erreichten, und der Zurückhaltung brasilianischer Roheisenlieferungen durch höhere Zollabgaben ab dem 1. August. Dies kurbelt vermutlich die inländische US-Schrottnachfrage weiter an und dürfte zu höheren Preisen führen. EUVerkäufer haben währenddessen mit der Stärkung des Euro gegenüber dem US-Dollar, langsamen Materialzuflüssen zu den Hafenplätzen und der saisonal erschwerten Logistik zu kämpfen.
Ausblick
Der Monat August wird weiterhin geprägt sein von Sommerstillständen und Werksschließungen. Notwendige Wartungs- und Reparaturarbeiten werden durchgeführt, um die Anlangen fit für die weitere Produktion zu machen. Die Bedarfsseite wird daher verhalten ausfallen. Schrottmengen aus den Entfallstellen fallen in der Sommerferienzeit nur begrenzt an. Viele Marktteilnehmer berichten von wenig euphorischen Aussichten für den kommenden Monat. Die Auftragslage bleibt weiterhin schlecht, geringe Schrottmengen und geringe Bedarfe führen zu einem erhöhten Druck im Schrotthandel. Schwindende Mengen und schwindende Margen führen im Schrotthandel zu einer genauen Marktanalyse und Abwägung, ob Schrotte zu den im Markt gegebenen neuen Konditionen verkauft werden können.
Hoffnungsträger bei der Stahlnachfrage ist die Baubranche, die langsam wieder in ein ruhigeres Fahrwasser kommt, so berichten Marktteilnehmer.
Redaktionsschluss 24.07.2025, Johannes Hanke, bvse (Alle Zahlen ohne Gewähr), Foto: O. Kürth