Zwischen Umwelt und Umsatz: Matratzenrecycling in Europa zeigt Ansätze
Das europäische Matratzenrecycling muss verbessert werden. Darin sind sich Politik und Praktiker einig. Gesucht werden sowohl umweltschonende wie kostengünstige Lösungen. Zurzeit präsentiert sich das europäische Matratzenrecycling aber noch als Sammelsurium an Konzepten.
Man muss sich von der Vorstellung verabschieden, dass das Recycling von Matratzen die manuelle sortenreine Zerlegung in ihre verschiedenen Bestandteile bedeutet. Vielmehr wird sich die Industrie zunehmend um sowohl umweltschonende wie kostengünstige beziehungsweise lohnende Lösungen bemühen. Die Entwicklung der letzten Jahre zeigt Trends, wie die jährlich geschätzten 35 bis 40 Millionen ausrangierter Matratzen in Europa entsorgt werden könn(t)en. Allerdings geht die Entwicklung in den europäischen Mitgliedstaaten weder einig noch eilig vonstatten.
Deutschland: Betreiber-Organisation gegründet
In Deutschland müssen 8,27 Millionen Matratzen pro Jahr entsorgt werden. Doch weniger als fünf Prozent der 165.400 Tonnen können überhaupt recycelt werden. 36 Prozent einer Matratze – möglichst sortenrein gewonnener Polyurethan-Schaum – lassen sich durch Depolymerisation beziehungsweise Solvolyse zu Polyolen verarbeiten und somit stofflich verwerten. Allerdings warnte schon 2021 Europur, die Europäische Vereinigung der PUR-Schaumstoffblock-Hersteller, davor, dass die Nachfrage nach PUR-Rebonding-Produkten in der EU begrenzt und durch EPR-basierte Sammel- und Recyclingsysteme anderer EU-Länder gesättigt sei.
Dennoch arbeitete die BASF 2022 zusammen mit Neveon an einem Rücknahmessystem von Polyurethan-Weichschaum durch nass-chemisches Recycling. Das Projekt nannte sich Remattress. Nach Darstellung von Neveon gelang es der BASF, erstmals im Tonnenmaßstab Repolyol vollständig aus Altmatratzen herzustellen. Und Neveon verarbeitete dieses Repolyol zu hochwertigen Blockschaumstoffen mit 80 Prozent Recyclinganteil in der Polyol-Komponente und produzierte nach eigenen Angaben damit eine hohe Stückzahl an vollwertigen Matratzen. Zurzeit ist die Domain remattress.de nicht vergeben. Neveon arbeitet aktuell zusammen mit anderen Unternehmen in der Österreichischen Matratzen Allianz.
Parallel dazu will sich der Fachverband Matratzen-Industrie mit der Gründung einer Producer Responsibility Organisation namens Matratzen-Recycling Deutschland (MRD) eine solide Grundlage für die erweiterte Herstellerverantwortung für Matratzen in Deutschland schaffen. Die Betreiber-Organisation geht aus einer Initiative des Matratzenverbands hervor, in dem über 70 Prozent der Hersteller organisiert sind. MRD soll nachhaltig an der Einführung eines verpflichtenden Systems der Erweiterten Herstellerverantwortung für Matratzen in Deutschland beteiligt sein und das System verantwortlich betreiben.
Österreich: Auf Allianz gesetzt
Die Österreichische Matratzen Allianz (ÖMA) wurde im September 2024 auf Initiative der Unternehmen Neveon, Betten Eberharter und des Startups MATR mit 16 Gründungsmitgliedern entlang der gesamten Wertschöpfungskette als gemeinnütziger Verein gegründet. Gemeinsam wollen sie daran mitwirken, in Österreich und Europa die bestmöglichen Rahmenbedingungen für zirkuläre Geschäftsmodelle in der Matratzenbranche zu schaffen – um so Umwelt und Klima zu schonen und um heimischen Unternehmen eine starke Position auf den zirkulären Märkten der Zukunft zu bieten. Darüber hinaus gaben im Februar 2025 Neveon als Schaumstoffproduzent und -verarbeiter und das Kreislaufwirtschaftsunternehmen Brantner green solutions die Gründung von Österreichs erstem Matratzenrecycling-Unternehmen mit dem Namen LOOP-it. bekannt. Damit sollen laut dem Report „Zirkuläre Matratzen“ 150.000 Tonnen CO2-Emissionen durch Neukauf sowie 25.000 Tonnen CO2-durch Verbrennung vermieden werden. Die Initiative geht auf ein 2023 durchgeführtes Programm des Climate Lab für zirkuläre Matratzen im Auftrag des österreichischen Klimaschutzministeriums zurück.
Belgien: Verantwortung für Valumat
In Belgien sollen pro Jahr 1.100.800 Matratzen als Abfall anfallen, bei einem durchschnittlichen Gewicht von 20 Kilogramm also 22.016 Tonnen Abfall, hat die Vanheede Environment Group errechnet. Das Unternehmen, das auch in Luxemburg und Frankreich tätig ist, kümmert sich bei einem Durchsatz von 1.214.149 Tonnen an Abfällen pro Jahr und deren Upgrade auf 98,44 Prozent auch um einen (nicht genauer bezifferten) Teil der belgischen Altmatratzen.
In diesem Zusammenhang sah sich in Belgien eine Reihe von Matratzenproduzenten und -importeuren weder organisatorisch noch finanziell in der Lage, die Anforderungen der erweiterten Herstellerverantwortung zu erfüllen. Deshalb gründeten Fedustria (Textil-, Holz- umd Möbel-Industrie), Comeos (Handel und Dienstleistung) und Naven (Möbel) „Valumat“. In seiner Jahresbilanz für 2023 verzeichnete dieses Unternehmen für Belgien eine Sammlung von 642.888 Matratzen, wovon hauptsächlich rund 6.000 Tonnen auf Wertstoffhöfen und rund 3.000 Tonnen auf Recyclinghöfen anfielen, wo auch sperrmüllähnliche Abfälle abgegeben werden konnten. Die Materialien gingen unter anderem zur speziellen Weiterbearbeitung an RetourMatras, Matras Recycling Europe, Veolia Environmental Services und Secondly.
Zusammen mit Valumat hat TripleR.io schrittweise seit 2024 einen digitalen Produktpass für Matratzen eingeführt – zusammen mit fünf großen belgischen Herstellern und drei aktiven Matratzenrecyclern, also Matras Recycling Europe, RetourMatras and Veolia.
Niederlande: 1,5 Millionen zu entsorgen
In den Niederlanden wurden bereits 2020 geschätzte 75 Prozent der Altmatratzen gesammelt und recycelt. Retour Matras – mit insgesamt sieben Werken auch im Vereinigten Königreich und Frankreich aktiv – meldete damals die Bearbeitung von einer Million Matratzen in seinen drei niederländischen Werken an. 2021 kam eine vierte Anlage hinzu.
Auf der aktuellen Webseite von Retour Matras ist von einer Kapazität von 1,5 Millionen Matratzen pro Jahr mit einer Recyclingquote von 100 Prozent die Rede. Mittlerweile verfügt das Unternehmen in den Niederlanden über Matratzenrecycling-Werke in Alphen aan den Rijn, Lelystad, Zeeland und in Etten-Leur, die über 80 Prozent des Materials – in der Hauptsache Schaum, Metall und Textilien – abscheiden. Polyurethan-Schaum wird zu Repolyol verarbeitet, einem wichtigen Baustein für Schaum in neuen Matratzen. RetourMatras verfügt über eine Kapazität, um alle 1,5 Millionen Matratzen zu recyceln, die aktuell jährlich in den Niederlanden entsorgt werden müssen. Im Jahr 2011 startete Auping sein eigenes Rücknahmesystem und will inzwischen darüber hinausgehen. Ein neues Recyclingverfahren wird für das Jahr 2026 vorbereitet, um benutzte kreislauffähige Matratzen rückzugewinnen und einen vollständig geschlossenen Kreislauf zu schaffen. Auch kooperierte Auping mit dem Matratzen- und Teppichhersteller Niaga, um einen vollständigen Recyclingkreislauf zu ermöglichen. Ein QR-Code auf den Niaga-Etikett auf der Matratze soll notwendige Informationen zu Rücknahme und Recycling geben.
Frankreich: „Keine Möbel mehr zu Abfall“
Im Jahr 2011 taten sich in Frankreich 24 Möbelhersteller und -Händler zusammen, um eine umweltfreundliche und Non-Profit-Organisation zu gründen. Das Motto von eco-mobilier: „Keine Möbel mehr zu Abfall“. 2013 begann das Unternehmen, gebrauchte Matratzen zu sammeln; 2019 kam so bereits eine Menge von 66.000 Tonnen zusammen. Allerdings war der Markt zur Abnahme des resultierenden Materials noch begrenzt.
Inzwischen ist Ecomaison, der Nachfolger von eco-mobilier, jedes Jahr für die Sammlung, Sortierung und das Recycling von 3,5 bis 4 Millionen ausgemusterter Matratzen zuständig, um – in enger Zusammenarbeit mit lokalen Behörden – 66.000 Tonnen an Metall, Schaum, Latex, Wolle und Textilien für Recycling oder die Energierückgewinnung zu sichern. Die Aufbereitung der Ecomaison-Materialien übernehmen sechs qualifizierte Demontagebetriebe, unter anderem RetourMatras.
Im Sommer 2020 unterzeichneten Eco-mobilier und Dow einen Vertrag, wonach der französische Recycler post-consumer Polyurethan-Schaum für Dows Renuva Matratzen Recycling-Programm zur Produktion von Polyol zu liefern hat. (Das Renuva-Programm zielt auf die Verarbeitung von 200.000 Matratzen pro Jahr.) Und im Mai 2025 gab Retour Matras bekannt, dass es in Zusammenarbeit mit Ingka Investments – die Ingka Gruppe ist der größte Ikea-Händler – seine erste Matratzenrecycling-Anlage in Frankreich eröffnet hat. Ausgerüstet mit neuester Technologie, soll sie im ersten Jahr über eine Kapazität für 125.000 Matratzen und langfristig für 750.000 Matratzen zur Verfügung stehen.
UK: TFR wird Ikea-Partner
Im Juli 2019 legte der „End of Life Mattress Report“, herausgegeben von der britischen National Bed Federation, offen, dass im Jahr 2017 im Vereinigten Königreich insgesamt 7,3 Millionen gebrauchter Matratzen anfielen, von denen 0,6 Millionen wiederverwendet wurden, 40 Prozent auf Deponien landeten, man weitere 40 Prozent energetisch nutzte, ein Prozent aufgearbeitet und 19 Prozent recycelt wurden. Am recyceltem Material wurden 50 bis 80 Prozent rückgewonnen, während geschätzte 20 bis 50 Prozent zur Energiegewinnung dienten. Von 2012 bis 2017 stieg die Recyclingquote für Matratzen von zehn auf 19 Prozent.
Eine Liste der wichtigsten Matratzenentsorger kommt auf 15 Treffer, doch das aktuelle Register der anerkannten Matratzenrecycling-Betriebe umfasst nur die drei Unternehmen Circom in den Midlands, Matt UK, seit 2008 einer von Londons führenden Recycling- und Abfallwirtschafts-Spezialisten, der sich als größten und altgedienten Matratzen-Recycler des Vereinigten Königreichs einschätzt, und The Furniture Recycling Group, kurz FRG.
Die größte Entwicklung dürfte die FRG durchlaufen haben. Im Dezember 2010 gründete sich eine Gesellschaft namens EOL Recycling und wurde aktiv. In kurzer Zeit entwickelte sich das EOL Recycling-Team zur TFR-Gruppe, einem Unternehmen, das 12.000 Matratzen pro Woche recycelt – seit der Einführung insgesamt über 3,5 Millionen Matratzen. Die TFR-Gruppe rettet gegenwärtig 8,17 Prozent aller britischen Matratzen vor der Deponie. Seit 2012 sind 30.000 Tonnen an Material zurück in die Wirtschaft geflossen. 2020 eröffnete die Gruppe den Standort Bolton, der größere Kapazität erlaubt, um Dienste anzubieten: Die Marke von drei Millionen vor der Deponie geretteter Matratzen war erreicht.
2021 öffnete die Gesellschaft ihre Türen für eine vierte Anlage: ein Verjüngungs-Zentrum. Im darauffolgenden Jahr übernahm RetourMatras – im Mitbesitz von Ingka Investments, dem Investment-Zweig der Ingka-Gruppe, dem größten Ikea-Händler – die TFR-Gruppe. Die Investitionen ermöglichen dem Unternehmen, seine Demontagekapazitäten zu verdreifachen – auf 1,5 Millionen Matratzen pro Jahr. Eine Partnerschaft mit Suez führte zu einem zusätzlichen Recycling von über 277.000 Matratzen mit einer Materialquote von 85 Prozent.
Im November 2023 gab Ikea den Start eines neuen Matratzen-Rückbau- und Recycling-Programms in Zusammenarbeit mit der TFG-Gruppe bekannt, um UK-Kunden „einen günstigen Weg anzubieten, um ihre alten Matratzen zu recyceln“, die andernfalls zu Abfall geworden wären. TFR ist nun anerkannter „Ikea-Partner“ als „der führende Matratzen-Recycling- und Kreislaufwirtschafts-Spezialist“. Der aktuelle Report zu ausgedienten Matratzen im Vereinigten Köngreich von September 2020 zeigt eine Zahl von annähernd sieben Millionen. Er verdeutlicht, dass sich Sammlungs-Verluste immer noch auf 76 Prozent summieren. Hinzu kommen zusätzliche zehn Prozent Verlust durch Wiederaufbereitung, sodass von den 24 Prozent an Material, die ins Recycling gehen, lediglich 14 Prozent tatsächlich rückgewonnen werden.
Irland: drei Unternehmen, 84.000 Matratzen
In Irland wird Matratzenrecycling durch verschiedene Dienste angeboten, unter anderem spezielle Recyclinggesellschaften und Händler, die Sammlung und Recycling-Optionen offerieren, falls neue Möbel gekauft werden. Laut Information von Community Resources Network Ireland sind EcoMattress Recycling und Bounce Back Recycling die prominentesten Recyclingdienste, welche Sammlung und Rückgabe-Möglichkeiten für Matratzen und Möbel anbieten. Auch einige Händler wie Harvey Norman und Dreams sichern Recyclingdienste zu, wenn neue Matratzen gekauft werden. In solchen Fällen kann Ikea „eine Sammlung arrangieren“.
Hauptsächlich drei Unternehmen bieten Matratzen-Entsorgung an: Furniture Recycling Ltd (Mattress Recycling) in Longford bringt es auf eine steigerbare Kapazität von 2.500 Matratzen pro Woche und behandelt tatsächlich etwa 500. Eco-Mattress Recycling in Dublin bearbeitet 600 bis 700 Stück pro Woche und könnte 1.000 realisieren. Und Bounce Back Recycling in Galway erhält rund 450 Matratzen pro Woche und könnte expandieren. Insgesamt – so wird geschätzt – bearbeiten die drei Unternehmen aktuell 84.000 Matratzen und erreichen damit eine Demontagequote für Irland von elf bis 17 Prozent (die EU-Rate liegt bei 14, die für Schottland bei etwa zehn Prozent).
Italien: Zwei Konsortien konstituiert
In Italien fällt seit Jahresbeginn 2022 der Umgang mit Textilabfällen unter die EPR-Regulierung. Soweit bekannt, haben sich seitdem zwei Konsortien konstituiert und zum Ziel gesetzt, die Behandlung von Textilabfällen hinsichtlich Recycling und Wiederverwendung zu fördern. „Unser zentraler Bezug sind Unternehmen, die zurzeit aufgerufen sind, eine aktive Rolle im Kontext der Kreislaufwirtschaft zu spielen und sich so einstellen auf die EPR, die zunehmend ein Standard zum Umweltschutz wird“, erklärte Giancarlo Dezio, Präsident von Ecoremat and Ecotessili. Ecoremat ist ein Konsortium im Rahmen des Ecolight-Systems, das sich auf die Behandlung von Matratzen und gepolsterten Möbeln spezialisiert hat. Ecotessili ist ein Konsortium für Sammlung und Recycling von Textilien. Bislang besteht Matratzenrecycling in Italien aus einer Kombination aus kommunalen Sammeldiensten, spezialisierten Sammelzentren und privater Initiative.
Spanien: 45.000 überflüssige Matratzen
Auch in Spanien existiert – soweit bekannt – keine landesweite Initiative oder kein spezifisches Programm für das Recycling von Matratzen. 2014 begann zumindest Recicolchon in der Provinz Madrid mit Rücknahme und umweltverträglicher Entsorgung von Matratzen, arbeitete dabei mit autorisierten Spediteuren zusammen und handelte mit gebrauchtem Schaumstoff und Latex. Die Anlage nahm Matratzen aller Art aus Schaumstoff, Federkern, Latex oder auch Wolle von der gesamten Iberischen Halbinsel an. Als Abfallentsorger stellte das Unternehmen außerdem eine umweltgerechte Lieferbescheinigung aus. (Ob das Unternehmen weiterhin existiert, lässt sich nicht erfahren.) Noch werden nach Aussage von Sintac Recycling in Spanien schätzungsweise mehr als 1,5 Millionen Matratzen pro Jahr deponiert.
Etliche sollten 2022 speziell behandelt werden. Denn damals hatte sich im Vergnügungspark eco Aqua in Santa Pola an der Costa Blanca ein Stapel von 45.000 nicht mehr gebrauchten Matratzen angesammelt. Und – um die Worte von Loreto Serrano, dem Bürgermeister des Parks, zu zitieren – „der EcoPark drohte zu kollabieren“. Die Entsorgungslösung bestand darin, die Matratzen-Ladung über 100 Kilometer nach Ontinyent in die Provinz Valencia zu verfrachten. Dort könne eine weltweit patentierte Technologie eine Matratze innerhalb einer Minute recyceln – durch Einsatz von Wasserdruck, um alle Bestandteile rückzugewinnen – und sie in den industriellen Prozess zurückbringen. Für Loreto Serrano war das ein „ökologisches Recycling-System“. Die Aktion des Vergnügungsparks eco Aqua war auf acht Monate angelegt. Eine Erfolgsmeldung wurde nicht veröffentlicht.
(Erschienen im EU-Recycling Magazin 08/2025, Seite 28, Foto: RetourMatras)