Deutschlands Mittelstand auf dem Weg zur Kreislaufwirtschaft
Das VDI ZRE – Kompetenzzentrum für zirkuläre Wirtschaft und Ressourceneffizienz – untersuchte, inwieweit Maßnahmen der Kreislaufwirtschaft und Ressourceneffizienz in deutschen Unternehmen verankert sind. Ein Beitrag von Dr. Martin Hirschnitz-Garbers.
Eine zirkuläre Wirtschaft zu stärken, „[…] den Wert von Produkten, Stoffen und Ressourcen innerhalb der Wirtschaft so lange wie möglich zu erhalten und möglichst wenig Abfall zu erzeugen […]“(1) , ist seit dem ersten Aktionsplan der EU für die Kreislaufwirtschaft vom Dezember 2015 ein wichtiges umweltpolitisches Ziel. Der EU Green Deal (Dezember 2019) und der zweite Aktionsplan für die Kreislaufwirtschaft (März 2020) führten die Bedeutung der Kreislaufwirtschaft als EU-Ziel fort und ergänzten, den Anteil kreislauforientiert verwendeter Materialien von 11,2 Prozent im Jahr 2020 bis 2030 zu verdoppeln. Dieses Ziel scheint aktuell jedoch nicht greifbar.(2) Der Draghi-Bericht zur Zukunft der europäischen Wettbewerbsfähigkeit (3) schlussfolgert bezüglich der Umsetzung der Kreislaufwirtschaft, dass die EU das Potenzial ihrer heimischen Ressourcen besser nutzen und dafür ein echter Binnenmarkt für Kreislaufwirtschaft geschaffen werden müsse.
Das greift der Clean Industrial Deal der amtierenden EU-Kommission als Priorität und wirtschaftliche Triebkraft auf, indem er einen Rechtsakt zur Beschleunigung der zirkulären Transition für das Jahr 2026 und das Ziel von 24 Prozent Anteil kreislauforientiert verwendeter Materialien bis 2030 vorsieht.(4) In ähnlicher Weise zielt auch die Nationale Kreislaufwirtschaftsstrategie (NKWS) der Deutschen Bundesregierung darauf ab, Stoffkreisläufe zu schließen und die Versorgungssicherheit zu erhöhen, um Klima- und Umweltschutz zu betreiben und die Wettbewerbsfähigkeit und Innovationskraft des Wirtschaftsstandorts Deutschland zu stärken.
Inwieweit Maßnahmen der Kreislaufwirtschaft (KW) und Ressourceneffizienz (RE) in deutschen Unternehmen verankert sind, untersuchte das VDI ZRE im Rahmen einer empirischen Studie zum Thema „Status quo der Ressourceneffizienz und Kreislaufwirtschaft im Mittelstand“ – und bietet damit ein Stimmungsbild einer international verflochtenen Volkswirtschaft innerhalb der EU.
Studienergebnisse kompakt
Im Sommer 2024 wurden mehr als 1.000 Entscheidungstragende von KMU und mittelständischen Unternehmen bis 1.000 Mitarbeitenden des verarbeitenden Gewerbes in Deutschland telefonisch interviewt. KMU stehen aufgrund ihrer hohen volkswirtschaftlichen Bedeutung im Fokus, insbesondere mit Blick auf ihren Anteil am Unternehmensbestand sowie an den abhängig Beschäftigten. Gegenstand der Erhebung war unter anderem der Stellenwert von KW und RE im Unternehmen, aber auch Treiber und Hemmnisse sowie Unterstützungsbedarfe zur Maßnahmenumsetzung in Unternehmen.

Abbildung 1: Stellenwert von Maßnahmen der KW (links) und RE (rechts) im Unternehmen (n = 1.002) (5)
Stellenwert von Maßnahmen
Die Ergebnisse zeigen, dass Unternehmen insbesondere auf operativer beziehungsweise innerbetrieblicher Ebene Maßnahmen der KW und RE umsetzen, während überbetriebliche und Geschäftsmodell-bezogene Aktivitäten noch selten sind.
Treiber und Hemmnisse
Die Ergebnisse der Befragung zeigten: Das stärkste Hemmnis besteht in einer möglichen Gefährdung der Prozesssicherheit und/oder der Produktqualität, gefolgt von hemmenden gesetzlichen und bürokratischen Rahmenbedingungen. Konkret werden hier unter anderem bestehende Sicherheitsanforderungen wie beispielsweise in der Lebensmittelsicherheit adressiert: Kunststoffrezyklate dürfen hier nur in wenigen Ausnahmen im direkten Kontakt zu Lebensmitteln eingesetzt werden.(6)
Zugleich sind gesetzliche Vorgaben und deren Einhaltung in der Wahrnehmung der Befragten die relevantesten Treiber für die Umsetzung von KW und RE im Unternehmen – mit deutlichem Abstand vor Faktoren wie Wettbewerbsfähigkeit, Kosteneinsparpotenzialen und Kunden-Anforderungen.

Tabelle 1: Top 5 der relevantesten Treiber (links) und Hemmnisse (rechts) für die Umsetzung von Maßnahmen in Unternehmen (n = 1.002) (7)
Unterstützungsbedarfe
Ein weiterer Teil der VDI ZRE-Studie umfasste die Frage nach Unterstützungsbedarfen, die KMU für die Umsetzung von Maßnahmen sehen. So sind insbesondere Angebote zur Qualifizierung von Fachkräften sowie finanzielle Unterstützung und Förderprogramme gewünscht. Kostenfreier Zugang zu Datenbanken zählt neben unentgeltlichen Informations- und Beratungsangeboten zu den Top 5, ebenso wie der Abbau von Bürokratie und neue steuerliche Abschreibungsmöglichkeiten für Investitionen. Vor diesem Hintergrund scheinen finanzielle Mittel und Angebote zur Qualifikation von Mitarbeitenden der Schlüssel zur Umsetzung von KW und RE in Unternehmen zu sein. Diese Ressourcen zu stärken beziehungsweise durch bürokratiearme rechtliche Regelungen zu schonen, stellt somit eine essenzielle Unterstützung von Seiten der Politik für Unternehmen dar.

Tabelle 2: Top 5 der geäußerten Unterstützungsbedarfe für die Umsetzung von Maßnahmen in Unternehmen (n = 1.002) (8)
Bedeutung für Europa
Auch auf EU-Ebene bilden KMU das Rückgrat der Wirtschaft: 99,8 Prozent der Unternehmen des nichtfinanziellen Unternehmenssektors in der EU sind KMU. Sie beschäftigen nahezu zwei Drittel der hier Erwerbstätigen und tragen wesentlich zu Beschäftigung und Wertschöpfung bei (9). Ansätze der KW sind auch für KMU in der EU ein wichtiges Thema: 48 Prozent der in einer Eurobarometer-Umfrage befragten KMU setzen bereits Materialien oder Abfälle durch Recycling in ihren Unternehmen erneut ein (10). Ähnlich den Befunden der VDI ZRE-Studie sehen auch KMU in der EU untenstehende Hemmnisse und Unterstützungsbedarfe für ressourceneffiziente und zirkuläre Ansätze als relevant an.
Die Ergebnisse der VDI ZRE-Studie liefern so ein weiteres Stimmungsbild: Kreislaufwirtschaft bietet für KMU ökonomische Chancen und Potenziale, ist gleichzeitig aber auch mit Herausforderungen behaftet, bei denen politische Unterstützung Abhilfe schaffen kann. Strategische und rechtliche Entwicklungen auf EU-Ebene greifen beispielsweise die Themen „Marktschaffung“ und „Verbesserung der Kooperation entlang von Wertschöpfungsketten für zirkuläre Produkte und Rohstoffe“ auf, unter anderem über den für Ende 2026 geplanten EU Circular Economy Act (12). Aber auch Bürokratieentlastungen für KMU werden im Zuge des Omnibus-Pakets(13) zu Vereinfachungen von CSRD, EU-Taxonomie-Verordnung und CSDDD diskutiert.
Mit Blick auf finanzielle Unterstützung scheint noch Bedarf zu bestehen, niederschwellige und schnell anwendbare Angebote für KMU aufzulegen, die auch Investitionen in Anlagenauf- und -ausbau ermöglichen. Daneben wendet sich auch die EU-Ebene zunehmend der Frage zu, welches Wissen und welche Kapazitäten kurz- und mittelfristig aufgebaut werden müssen, um einem EU-Binnenmarkt für zirkuläre Produkte und Rohstoffe langfristige Wirksamkeit zu verschaffen.(14)
Es zeigt sich: Der Wirtschaft stehen noch zahlreiche Aufgaben im Bereich der zirkulären Transformation bevor. Doch die Ergebnisse und Befunde verdeutlichen, dass auf nationaler wie auf europäischer Ebene ein Momentum besteht, um wirtschaftliche, ökologische und soziale Potenziale der Kreislaufwirtschaft zu erschließen.
Autor: Dr. Martin Hirschnitz-Garbers, Berater Ressourceneffizienz, Kreislaufwirtschaft beim Zentrum Ressourceneffizienz in der VDI Technologiezentrum GmbH
(Erschienen im EU-Recycling Magazin 09/2025, Seite 10 – Gastbeitrag, Foto: MSV, KI-generiert, Grafiken/Tabelle: VDI ZRE (VDI Technologiezentrum GmbH)