Von der Theorie in die Praxis: Warum Recyclingfähigkeit den Realitätstest bestehen muss

PPWR und Verbraucherdruck stellen Verpackungen auf den Prüfstand. Unternehmen stehen vor der Herausforderung, Verpackungslösungen zu finden, die sowohl praktikabel sind als auch den steigenden Nachhaltigkeitsanforderungen der EU entsprechen.

Es ist nicht immer drin, was draufsteht – das gilt auch für Verpackungen. „Nachhaltig“ heißt nicht zwangsläufig recyclingfähig. Zwar gelten faserbasierte Materialien als umweltverträgliche Alternative zu Kunststoff, doch Klebstoffe, Beschichtungen und Materialkombinationen können das Recycling erschweren. Gleichzeitig wird der Druck bei Unternehmen durch neue gesetzliche Vorgaben erhöht. Doch wie lässt sich die Recy­clingfähigkeit sicherstellen? Der Schlüssel liegt in intelligenter Materialwahl, durchdachtem Design – und zuverlässigen Prüfverfahren, die schon in der Entwicklungsphase über Erfolg oder Misserfolg entscheiden. Die Kreislaufwirtschaft ist zum Leitgedanken einer nachhaltigeren Verpackungsindustrie geworden, in der vor allem faserbasierte Verpackungen wie Papier, Karton und Pappe an Bedeutung gewinnen. Sie sind biobasiert, weit verbreitet und weisen hohe Recy­clingquoten auf, sind aber nicht per se die optimale Lösung. Fehlende Barriereeigenschaften, etwa gegen Feuchtigkeit, Fett oder Sauerstoff, schränken ihre Einsatzmöglichkeiten ein, und Materialkombinationen wie Kunststoff- oder Aluminiumbeschichtungen, die für den Produktschutz notwendig sind, können die Recyclingfähigkeit vermindern. Unternehmen stehen vor der Herausforderung, Verpackungslösungen zu finden, die sowohl praktikabel sind als auch den steigenden Nachhaltigkeitsanforderungen der EU entsprechen.

Herausforderungen und Chancen
Recyclingfähigkeit ist längst kein reines Umweltargument mehr – was einst als freiwilliges Nachhaltigkeitsziel galt, wird durch neue Regulierungen zur Pflicht. Die Packaging and Packaging Waste Regulation (PPWR) der EU setzt klare Maßstäbe: Verpackungen werden in Recyclingfähigkeitsklassen (A, B, C) eingeteilt. Ab 2030 dürfen nur noch solche Verpackungen in Verkehr gebracht werden, die zu mindestens zu 70 Prozent recyclingfähig sind. Bis 2038 steigt diese Anforderung auf 80 Prozent.

Im ersten Schritt des Prüfverfahrens zur
Recyclingfähigkeit werden drei mal drei
Zentimeter große Quadrate aus dem faserbasierten Probenmaterial ausgeschnitten

Wie diese Prozentsätze ermittelt werden, ist noch nicht eindeutig definiert und sorgt für Unsicherheit bei den Unternehmen. Klar ist jedoch: Wer sich frühzeitig auf diese Anforderungen einstellt, vermeidet nicht nur regulatorische Risiken, sondern sichert sich auch einen entscheidenden Marktvorteil. Denn neben dem Gesetzgeber wächst auch der Druck aus der Wirtschaft selbst. Handelsunternehmen wie DM, Aldi oder Tesco haben bereits eigene Anforderungen an die Recyclingfähigkeit von Verpackungen eingeführt. Gleichzeitig honoriert der Kapitalmarkt nachhaltige Verpackungslösungen: Unternehmen mit hoher Recyclingfähigkeit verbessern ihr ESG-Rating, erleichtern sich den Zugang zu Investitionen und erhöhen ihre Attraktivität für Kunden, die sich bewusst für nachhaltige Produkte entscheiden.

Doch die beste Recyclingfähigkeit nützt nichts, wenn theoretisch verwertbare Verpackungen in der Praxis nicht im richtigen Recyclingpfad landen oder vom Verbraucher nicht richtig entsorgt werden. Dennoch ist es Aufgabe der Verpackungshersteller, ihre Produkte so zu gestalten, dass sie mit den bestehenden Recyclingverfahren kompatibel sind. Angesichts dieser Herausforderungen gewinnt der Einsatz zuverlässiger Prüfverfahren zur Recyclingfähigkeit zunehmend an Bedeutung. Auf diese sollte bereits in der frühen Entwicklungsphase zurückgegriffen werden. Denn hier entscheidet sich unter anderem, welche Klebstoffe und Beschichtungen gewählt werden – und ob diese später den Kreislauf ins Stocken bringen.

Recycling beginnt bei der Rezeptur
Klebstoffe und Beschichtungen sind unverzichtbare Bestandteile von Verpackungen. Sie sorgen für Stabilität, können das Einsatzgewicht des Verpackungsmaterials reduzieren und verleihen vor allem faserbasierten Materialien die notwendigen Barriereeigenschaften gegen äußere Einflüsse. Doch was für die Qualität des verpackten Produktes gut ist, kann im Recyclingstrom schnell zum Störfaktor werden.

„Recyclingfähigkeit ist kein Zufallsprodukt – sie muss gezielt mitgedacht und geprüft werden“, betont Philippe Blank, Head of Circular Economy bei Henkel. „Insbesondere Klebstoffe und Beschichtungen müssen so entwickelt werden, dass sie einerseits funktionale Anforderungen erfüllen und sich andererseits problemlos aus dem Faserstrom entfernen oder nahtlos in neue Papierprodukte integrieren lassen.“ Manche herkömmlichen Klebstoffe und Beschichtungen lassen sich beim Recycling nur schwer von den Papierfasern trennen. Ein Beispiel sind funktionale Beschichtungen: Eine Kunststofffolie oder eine Aluminiumschicht verbessert zwar die Haltbarkeit und Widerstandsfähigkeit von Verpackungen, kann aber auch verhindern, dass sich die Papierfasern im Recyclingprozess vollständig lösen.

Um dieser Herausforderung zu begegnen, arbeiten Klebstoffhersteller wie Henkel Adhesive Technologies gezielt an recyclingfähigen Klebstoffen und Beschichtungen, die Schutz und Stabilität bieten, ohne die Faserausbeute im Recycling zu beeinträchtigen. Mit speziellen Formulierungen lassen sich funktionale Schichten erzeugen, die sich im Recyclingprozess leichter entfernen lassen. Im Henkel Packaging Recyclab, dem hauseigenen Prüflabor für faserbasierte Packmittel in Düsseldorf, wird die Recyclingfähigkeit der Formulierungen unter Laborbedingungen getestet und kann so gezielt weiterentwickelt werden.

Der Weg von der Theorie zur Praxis
Prüfverfahren sind komplex, aufwändig und oft nicht standardisiert. Unterschiedliche Märkte und Industrien setzen auf unterschiedliche Methoden, und die Recyclinginfrastruktur variiert stark. In Europa hat sich das Cepi/4evergreen-Prüfprotokoll, das faserbasierte Verpackungen im Labormaßstab aufbereitet, durchgesetzt, welches unter anderem eine maximale Ausschussquote von 20 Prozent vorschreibt. Auch gibt es die CHI-Prüfmethode, die von dem unabhängigen Institut cyclos-HTP (CHI) entwickelt wurde. Diese geht einen Schritt weiter, indem sie zusätzlich die Sortierfähigkeit der Verpackung prüft und weitere Zerfaserungszeiten analysiert – im Einklang mit den Anforderungen der PPWR an eine realistische Bewertung der Recyclingfähigkeit.

Ein wichtiger Verarbeitungsschritt bei der Bewertung der Recyclingfähigkeit von faserbasierten Verpackungen ist die Auflösung des ofengetrockneten Probenmaterials in Leitungswasser

Dank einer Kooperation zwischen Henkel und CHI können Verpackungen im Henkel Packaging Recyclab in Düsseldorf nicht nur nach dem Cepi-Protokoll, sondern auch nach der CHI-Methodik geprüft werden. Die Ergebnisse können dann von CHI als Zertifikat für den europäischen Markt ausgestellt werden. Dazu setzt CHI einen unabhängigen, vereidigten Sachverstänfigen ein, der dieser Zertifizierung Rechtsgültigkeit verleiht. Besonders interessant für Unternehmen sind auch Schnelltests, die bereits in frühen Entwicklungsphasen mit geringem Aufwand Hinweise darauf geben, ob eine Verpackung die regulatorischen Anforderungen erfüllt.

Nachhaltigkeit beginnt beim Design
Nachhaltige Verpackungen entstehen nicht zufällig, sondern sind das Ergebnis einer durchdachten Strategie. Wird bereits in der Entwicklungsphase sichergestellt, dass eine Verpackung nach Gebrauch in den Stoffkreislauf zurückgeführt werden kann, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass sie sowohl gesetzliche Anforderungen als auch die Vorgaben der Recyclinginfrastruktur erfüllt. Voraussetzung für das Prinzip „Design-for-Recycling“ ist ein enger Austausch zwischen den Akteuren in der Industrie – von Verpackungsherstellern über Markenartikler bis zu Recyclingunternehmen.

Gleichzeitig treiben Unternehmen wie Henkel die Forschung und Entwicklung neuer Materialien voran, um nachhaltige Verpackungslösungen weiter zu optimieren. Barriereschichten, die Kunststofffolien ersetzen, und Klebstoffe werden kontinuierlich weiterentwickelt, um sie im Recyclingprozess leichter austragen zu können.

Der Druck zur Veränderung wächst
Die Zukunft der Verpackungsindustrie ist untrennbar mit der Recyclingfähigkeit ihrer Produkte verbunden. Verpackungen, die sich nicht recyceln lassen, werden zunehmend vom Markt verdrängt, sei es durch gesetzliche Vorgaben, durch große Handelsketten oder durch die steigenden Erwartungen der Verbraucher.

Unternehmen, die sich frühzeitig mit der PPWR und den Prinzipien des Design-for-Recycling auseinandersetzen, sichern sich nicht nur einen Wettbewerbsvorteil, sondern vermeiden langfristig auch Strafzahlungen sowie den Ausschluss vom Markt ab 2030 aufgrund von Abweichungen von den Vorgaben der europäischen Verpackungsverordnung. Die Zusammenarbeit mit spezialisierten Prüflaboren, wie dem Henkel Packaging Recyclab oder dem Institut cyclos-HTP (CHI), bietet Unternehmen die Möglichkeit, ihre Verpackungen nach anerkannten Standards auf Recyclingfähigkeit prüfen zu lassen und gezielt zu optimieren.

Quelle: Henkel Adhesive Technologies, henkel.com

(Erschienen im EU-Recycling Magazin 10/2025, Seite 34 -Fachbeitrag-, Fotos: Henkel)