UK-Reifenverwerter unter Zugzwang
Rund 50 Millionen Altreifen fallen pro Jahr im Vereinigten Königreich an. Offiziellen Angaben zufolge wird etwa die Hälfte davon nach Indien verbracht, um dort legal recycelt zu werden – angeblich. Doch im März diesen Jahres deckten die Journalisten der Source Material-Gruppe und ein BBC-Dokumentarfilm auf, dass in Indien Altreifen seit Jahren in die Pyrolyse wandern. Das Material dient somit der illegalen Gewinnung von Schwarzmasse, Stahl und Öl. Andere Exporte enden als Zuschlagstoffe in der Zementindustrie der Türkei oder Marokkos.
Anfang September 2025 ging die Tyre Recovery Association (kurz: TRA), der britische Verband der Reifenverwerter, auf die Barrikaden. Die Organisation gab eine eindringliche Warnung heraus, wonach die britische Reifenrecyclingbranche einen ähnlichen Zusammenbruch wie die Kunststoffbranche erleben könnte. Der Marktdruck habe kürzlich zu einer Reihe von Schließungen von Kunststoff-Recyclinganlagen im Vereinigten Königreich geführt. Kenner der Kunststoffindustrie würden als Grund für die Schließungen einen Mangel an Wettbewerbsgleichheit nennen – ein Kernproblem, das auch die bedeutende, aber unzureichend genutzte Verarbeitungskapazität für Altreifen im Vereinigten Königreich untergrabe. Das Vereinigte Königreich exportiere derzeit schätzungsweise 1.000 Tonnen kompletter Altreifen pro Tag, von denen ein Großteil für die unkontrollierte und oft illegale Verarbeitung im Ausland bestimmt sei.
Schlafwandeln in der Krise
Peter Taylor OBE, Generalsekretär der Tyre Recovery Association, brachte es auf denPunkt: „Die jüngsten Nachrichten über die Schließung großer Kunststoffrecyclinganlagen sind ein Warnsignal für die gesamte britische Recyclingbranche. Wie einer der leitenden Manager von Biffa zu Recht sagte, werden diese Standorte geschlossen, weil es keine gleichen Wettbewerbsbedingungen gibt. Das ist genau das identische Problem, mit dem auch unsere Branche konfrontiert ist. Wir schlafwandeln in eine Krise, in der Arbeitsplätze und inländische Kapazitäten im Vereinigten Königreich zugunsten billiger Exporte unserer Umweltprobleme geopfert werden.“
Wie Peter Taylor weiter erklärte, habe die TRA einen Aktionsplan „Road to Reform“ der Umweltbehörde vorgelegt, der fünf klare Stufen zur Verbesserung der Überprüfung und der Durchsetzung bestehender Vorschriften enthält. Auch stehe die Technologie zur Schaffung einer digitalen Produktkette, die sicherstellt, dass unsere Abfälle erfasst werden, bereits zur Verfügung. Man sei sehr daran interessiert, dass die überfälligen Reformen in Kraft treten und die vom Minister für Abfallwirtschaft versprochenen Maßnahmen ergriffen werden, „bevor das gleiche Schicksal, das die Kunststoffindustrie ereilt hat, auch unsere Mitglieder trifft”.
Verstärkte Kontrollen angekündigt
Die BBC zitiert einen Mitarbeiter der Umweltbehörde, die offenbar in Zugzwang geraten war: „Wir konnten nicht bestätigen, dass die exportierten Altreifen ihre Bestimmungsorte in Indien erreichen. Auch fehle es an ausreichend verlässlichen Informationen über deren ordnungsgemäße Verarbeitung.“ Da die Behörde verpflichtet sei, Exporte von Abfällen zu verbieten, wenn die Gefahr bestehe, dass diese nicht umweltgerecht entsorgt würden, würden ab dem 1. Oktober verstärkte Kontrollen für Reifenexporte eingeführt. Dann müssten Reifenexporteure nachweisen, dass ihre Abfälle umweltgerecht verwertet werden.
Tatsächlich veröffentlichte die britische Umweltbehörde am 1. Oktober neue Richtlinien zur Durchsetzung der Exportbestimmungen. Die offizielle Informationsbroschüre der Umweltbehörde über verstärkte Kontrolle für die Industrie führte zwei spezifische Anforderungen an Exportunternehmen ein:
1) Rückverfolgbarkeitsinformationen, einschließlich des Formulars aus Anhang VII, müssen der Umweltbehörde sowohl vor als auch nach dem Versand zur Verfügung gestellt werden. Dies müsse belegen, dass die beabsichtigte Abfalllieferung gemäß Anhang VII am Bestimmungsort ankommt und gegebenenfalls durch weitere Belege ergänzt werden muss.
2) Informationen, die belegen, dass die Altreifen umweltgerecht und nach Standards des Umwelt- und Gesundheitsschutzes, die im Wesentlichen den Standards im Vereinigten Königreich entsprechen, verwertet werden.
Neue Exportregeln
Die britische Verband der Reifenverwerter begrüßte die Ankündigung neuer Regeln für den Export von Altreifen aus Großbritannien. Dies sei ein weiterer Schritt in ihren langjährigen Bestrebungen, zumal die Neuerungen dem Fünf-Punkte-Aktionsplan der TRA, der „Road to Reform“, sehr ähnlich seien. Dieser fünfstufige Aktionsplan „Road to Reform“ empfiehlt Folgendes:
1. Aktualisierung der Technologie gemäß Anhang VII, Einführung obligatorischer geomarkierter Nachweise: Einsatz moderner Technologie zur Verbesserung des Verifizierungsprozesses gemäß Anhang VII.
2. Digitale Produktkette: Einführung einiger einfacher Kontrollen als Vorstufezur digitalen Abfallverfolgung mit einer überprüfbaren Produktkette für alle Altreifenlieferungen.
3. Querverweise, Compliance und schwarze Listen: Unter Ausnutzung ihrer Befugnisse muss die Umweltbehörde Strafen für alle Parteien festlegen, die unvollständige oder gefälschte Unterlagen eingereicht haben.
4. Verbundene Daten und Transparenz: Ein einfaches zentrales digitales Portal wird der Umweltbehörde und ihren internationalen Partnern gebündelte Live-Datenfeeds zur Verfügung stellen. Dies wird die Transparenz verbessern und es den Regulierungsbehörden ermöglichen, Altreifentransporte effektiver und kostengünstiger zu gestalten.
5. Durchsetzung standortspezifischer Vorschriften: Aktive Umsetzung der bestehenden Richtlinie, wonach eine Pyrolyseanlage importierte Reifen per Gesetz nicht annehmen darf. Eine verstärkte Überprüfung ist entscheidend um nachzuweisen, dass die Reifen in einer zugelassenen und „umweltgerecht bewirtschafteten” Verwertungsanlage ankommen und für keine illegalen Pyrolysezwecke umgeleitet werden.
(Erschienen im EU-Recycling Magazin 12/2025, Seite 14, Foto: Untha)











