Schrott: Wege zu höherer Wertschöpfung

Beim 13. Forum Schrott, das der bvse-Bundesverband Sekundärrohstoffe und Entsorgung e.V. am 8. November in Frankfurt veranstaltete, erhielten die Anwesenden Tipps, wie sie durch eine bedarfsgerechte Schrottsortierung die Materialqualität verbessern können.

Fast alle deutschen Stahlwerke – aber auch manche Gießereien – haben Probleme mit Zinn-Grenzwertüberschreitungen, informierte Armin Schröder von der zur Georgsmarienhütte Unternehmensgruppe gehörenden GMH Recycling GmbH in Osnabrück. Zinn (Sn), das sehr weiche Schwermetall mit niedrigem Schmelzpunkt, sei ein stärkerer Stahlschädling als Kupfer, da es bei der Weiterverarbeitung zu Rissen im Material führen kann. Außerdem begünstige das silbrige oder graue Metall die Bildung von unerwünschten Seigerungen im Stahl (Entmischung der Legierungselemente während der Erstarrung der Schmelze), was die Homogenität des Stahls beeinträchtigt. Negativ wirkten sich auch weitere Nebeneffekte aus, so der Experte.

Armin Schröder (Foto:bvse)

In der Georgsmarienhütte führten beispielsweise schon 40 Kilogramm Zinn pro Charge im Umfang von 200 Tonnen (Abstichgewicht + Sumpf) zu Überschreitungen des Grenzwertes von 0,020 Prozent. Die Zinn-Grundbelastung eines normalen Schrottsorten-Mixes beträgt Schröders Angaben zufolge zwischen 16 und fast 40 Kilogramm. Während in der deutschen Stahlschrottsortenliste keine Angaben im Hinblick auf Zinn existierten, seien in der Europäischen Sortenliste (1995) niedrige Grenzwerte für dieses Metall veröffentlicht. So darf Altschrott der Spezifikation E 3 lediglich bis zu 0,010 Prozent Zinn enthalten; ähnlich niedrige Werte gelten für Shredderschrott E 40 (bis 0,020 Prozent), Stahlspäne E 5 M (bis 0,030 Prozent) und Schrott mit hohem Gehalt an Reststoffen EHRB (bis 0,030 Prozent). Als Quelle für die Zinn-Verunreinigungen hat die GMH Recycling GmbH unter anderem Bronze (besteht zu 60 Prozent aus Kupfer sowie bis zu 22 Prozent aus Zinn; Bleibronze enthält auch Blei), Rotguss (Legierung auf Kupferbasis unter anderem mit Zinn, Zink, Blei und Nickel) und Messing (eine Kupferlegierung mit Zink, der je nach Einsatzzweck zum Beispiel Zinn, Zink und andere Metalle hinzugefügt werden) identifiziert. Wie der Fachmann betonte, heben sich Kupfer und seine Legierungen deutlich vom Stahlschrott ab und lassen sich bei der Eingangskontrolle ausschleusen. Außerdem gebe es für Kupferlegierungen lukrativere Absatzmöglichkeiten als ein Stahlwerk.

Eine weitere Zinn-Quelle sind zwar auch Weißblech- beziehungsweise Dosenschrotte (die zum Schutz vor Korrosion mit einer dünnen Zinnschicht überzogen sind und sich gut identifizieren lassen), aber diese Sorten sind laut Schröder nicht die Hauptursache für die Zinn-Probleme der Stahlwerke. Das sind vornehmlich Gleitlager für Dieselmotoren oder Maschinen, deren Werkstoffe (wie Bronze, Messing-Legierungen, Sinterbronze, Aluminium-Zinn-Kupferlegierungen) oft auf eine Stahlschicht aufgetragen werden. „Nach unserem Kenntnisstand schreiben alle Gleitlagerhersteller ihre Schrotte so aus, dass jeder Schrotthändler genau weiß, was er erhält“, informierte Armin Schröder, der auch auf den möglichen Zinn-Eintrag durch Blechabfälle (E 8), Späne und die Stahlschrottsorte E 3 hinwies. Was die Verwertung zinnhaltiger Schrotte angeht, so nutzt die Firma Metallo Belgium N.V. unter anderem beschichtete Stahlbleche, um Kupferkathoden sowie Zinn- und Bleibarren zu produzieren. „Es wird eine dauerhafte Herausforderung für den verantwortungsbewussten Handel bleiben, zinnhaltige Schrotte aus den Stoffströmen in Richtung Stahlwerke und Gießereien fernzuhalten“, sagte Armin Schröder.

Rückgewinnung werthaltiger Metalle

„Passen Industrie 4.0 und Schrottaufbereitung zusammen?“, fragte Heiner Guschall, Geschäftsführer der Sicon GmbH in Hilchenbach, und beantwortete dies in seinem Vortrag zu diesem Thema. Das Konzept „Greensteel“ des Unternehmens diene dazu, die Schrottqualität zu regulieren, um sicherzustellen, dass Schrott ein wesentlicher Rohstoff in der Kreislaufwirtschaft bleibe. Ziel sei es, die Effizienz von Elektrolichtbogenöfen (Electric Arc Furnace – EAF) bei geringeren Kosten und Umweltbelastungen zu verbessern und neue Absatzpotenziale für die Schrottrecyclingindustrie zu schaffen. In diesem Zusammenhang wies er darauf hin, dass die Unternehmen des Schrotthandels und der Stahlindustrie unterschiedliche Erwartungshaltungen haben. Während ein Stahlwerk den Sekundärrohstoff Schrott meist auf Basis eines Budgets kaufe, müsse der Händler die bestmögliche Marge zwischen An- und Verkauf realisieren, wobei der Weltmarkt den lokalen Markt beeinflusst. Außerdem werde eine höhere Schrottqualität normalerweise nicht honoriert.

Heiner Guschall (Foto: bvse)

Nach Ansicht von Heiner Guschall lohnt es sich, den Schrott zu reinigen. Werden beispielsweise Späne von – magnetischen – Verschmutzungen befreit, erhöhe sich die Produktionssicherheit des Stahlwerks. Noch größer ist der Vorteil im Shredderschrott: ein höherer Kupfergehalt – der in Stahlwerken Probleme bereitet, was in der Folge zur Verwendung anderer Schrottsorten führen könnte – bedeute für den Schrotthandel nicht realisierte Metallerlöse durch Kupferschrott. Eine Separation des Kupferanteils führe zu einer Win-Win-Situation für Schrottaufbereiter und Stahlwerke, zumal für den Metallerzeuger das Prozessrisiko durch den Einsatz von Shredderschrott sinkt und sich Kostenvorteile unter anderem durch kürzere Schmelzzeiten sowie den geringeren Verbrauch von Energie und Elek­troden einstellen. Unter dem Stichwort „Scrap Tuning“ hat das Hilchenbacher Unternehmen ein System entwickelt, das Kupfer und andere NE-Metalle abtrennt, Verunreinigungen wie Staub, Schmutz und Kunststoffe entfernt sowie eine Online-Analyse und Auswertung der Qualität realisiert. Die durch die Überprüfung der Zusammensetzung gewonnenen Daten tragen nach den Angaben zur Optimierung der Anlage bei und lassen sich auch für die Wartungsplanung und den strategischen Einkauf nutzen.

Scherenschrott ist ebenfalls durch stark schwankende Verunreinigungen charakterisiert, informierte der Sicon-Geschäftsführer. Stahlwerke hätten ermittelt, dass der Anteil an Dreck und anderen Abfällen bis zu zehn Prozent betrage. Um die Qualität des Stahlschrotts gezielt zu verbessern, werde der Schrott weiter aufbereitet und gereinigt, wobei das firmeneigene Konzept des „HMS Cleaning“ (HMS = Heavy Melting Scrap) durch die Aussortierung der noch vorhandenen NE-Metalle den Fe-Gehalt erhöht. Auch hier ergeben sich sowohl für den Verkäufer als auch für den Käufer Vorteile: Während der Schrottrecycler in die Lage versetzt wird, werthaltige Metalle zurückzugewinnen, verbessert sich im Stahlwerk die Effizienz des Schmelzprozesses.

Wie Heiner Guschall weiter hervorhob, bietet die Online-Schrottanalyse den Vorteil, dass beim Schrott die ständige Kontrolle der chemischen Parameter wie auch des Schüttgewichts ermöglicht wird. Auf diese Weise könne das Stahlwerk die Beschickung des Schrottkorbes optimieren beziehungsweise den Schrott kontinuierlich dem Schmelzprozess zuführen. Gleichzeitig sei bis zur Anlieferung im Stahlwerk Transparenz hergestellt. Eine Online-Analyse eigne sich ebenfalls für andere Anwendungen, wobei auch der Einsatz bei Scherenschrott trotz Einschränkungen möglich sei.

Brigitte Weber

Foto: O. Kürth

(EU-Recycling 12/2018, Seite 36)