Neue Vorschriften für Design, Wiederverwendung und Recycling im Automobilsektor
Am 9. September 2025 hat das Europäische Parlament in Straßburg Vorschläge zur Kreislaufwirtschaft angenommen, „die den Lebenszyklus eines Fahrzeugs vom Entwurf bis zur Entsorgung abdecken“.
Der Text zielt darauf ab, den Übergang des Automobilsektors zu einer Kreislaufwirtschaft zu fördern. Dafür sollen die Umweltschäden aus Herstellung und Behandlung von Altfahrzeugen verringert werden. Wichtiges Ziel ist es auch, die Nachhaltigkeit der Automobilrecyclingindustrie in Europa zu stärken. Ausnahmen gelten für Fahrzeuge, die für die Streitkräfte, den Zivilschutz, die Feuerwehr und die Rettungsdienste konzipiert und gebaut wurden, sowie Fahrzeuge von historischem und besonderem kulturellen Interesse und Spezialfahrzeuge.
Neue Fahrzeuge sollten so konstruiert sein, dass möglichst viele Teile und Komponenten leicht ausgebaut werden können, um sie, soweit technisch möglich, zu ersetzen, wiederzuverwenden, zu recyceln, wiederaufzuarbeiten oder zu überholen. Die Europaabgeordneten wollen, dass der in jedem neuen Fahrzeugtyp verwendete Kunststoff innerhalb von sechs Jahren nach Inkrafttreten der Vorschriften mindestens 20 Prozent recycelten Kunststoff enthält. Sie möchten außerdem, dass die Hersteller innerhalb von zehn Jahren nach Inkrafttreten der Vorschriften ein Ziel von mindestens 25 Prozent recyceltem Kunststoff erreichen, sofern ausreichend Recyclingmaterial zu angemessenen Preisen verfügbar ist. Darüber hinaus fordern sie, dass die Kommission nach einer Machbarkeitsstudie Ziele für recycelten Stahl und Aluminium sowie deren Legierungen festlegt.
Drei Jahre nach Inkrafttreten der neuen Vorschriften würde für Hersteller eine erweiterte Herstellerverantwortung gelten. Hersteller müssten dann die Kosten für die Sammlung und Behandlung von Fahrzeugen übernehmen, die das Ende ihrer „Lebensdauer“ erreicht haben. Die Europaabgeordneten wollen dafür auch eine bessere Unterscheidung zwischen Gebrauchtfahrzeugen und Altfahrzeugen. Für Altfahrzeuge gäbe es dem Vorschlag entsprechend dann auch ein Ausfuhrverbot.
Gefahr der Untergrabung
Für die FEAD enthält die Position des Europäischen Parlaments zur vorgeschlagenen Altfahrzeugverordnung (ELVR) positive Schritte wie die Anerkennung der zentralen Rolle der zugelassenen Behandlungsanlagen (ATF) und die Entwicklung hin zu einer inklusiveren Governance-Struktur für Systeme der erweiterten Herstellerverantwortung (EPR).
Der Verband unterstützt die klare Unterscheidung zwischen Abfallentsorgungsorganisationen (ATF) und Sammelstellen. Dabei sind die ATF die einzigen Stellen, die zur Ausstellung von Verwertungszertifikaten befugt sind. Hersteller oder PROs müssen Verträge mit ATFs abschließen, um ihren Verpflichtungen aus der Herstellerverantwortung nachzukommen. Darüber hinaus habe das Europäische Parlament zu Recht anerkannt, dass die gesamte Recyclingkette – einschließlich der Abfallentsorgungsunternehmen – in Herstellerverantwortungsorganisationen (PROs) vertreten sein muss, um Transparenz und fairen Wettbewerb zu gewährleisten.
Kritisiert werden die schwächeren Mindestziele für den Recyclinganteil von Kunststoffen (Senkung des Mindestziels für den Recyclinganteil von Kunststoffen auf 20 Prozent und Reduzierung des Ziels für den geschlossenen Kreislauf auf 15 Prozent), der verlängerte Zeitrahmen (Verlängerung der Frist für das Erreichen des Mindestrecyclinganteils von 25 Prozent von 72 auf 120 Monate) und die Einbeziehung von Kunststoffabfällen aus der Vorproduktion in den Mindestrecyclinganteil. Die Zulassung von bis zu 50 Prozent Recyclinganteil birgt aus Sicht der FEAD die Gefahr, die Kreislaufwirtschaft zu untergraben.
Paolo Campanella, Generalsekretär der FEAD: „Europa kann es sich nicht leisten, seine Kreislaufziele zu schwächen. Die Senkung des Mindestanteils an recyceltem Kunststoff und die Einführung von Kunststoffabfällen aus der Zeit vor dem Gebrauch untergraben den eigentlichen Zweck dieser Verordnung und bremsen Investitionen in das Recycling von Altfahrzeugen. Der Trilog muss robuste und verbindliche Ziele aufrechterhalten und jegliche Ausweichklauseln vermeiden, die die Kreislaufwirtschaft untergraben.“
Die FEAD fordert die Verhandlungsführer nachdrücklich auf, das Ziel von 25 Prozent recyceltem Kunststoff beizubehalten und innerhalb von 72 Monaten einen Kreislauf von 25 Prozent zu erreichen. Post-Consumer-Rezyklate sollten die einzige Grundlage für das Erreichen des Mindestziels an recyceltem Kunststoff bleiben. Die zentrale Rolle der ATFs müsse gewahrt und eine inklusive Governance in den EPR-Systemen sichergestellt werden.
Ziele aufgeweicht
Nach Auffassung des bvse drohen die vom Parlament eingebrachten Änderungen, die ursprünglichen Ziele der Kommission – eine Stärkung der Kreislaufwirtschaft im Automobilsektor – erheblich zu unterlaufen. „Statt die Kreislaufwirtschaft wirklich voranzubringen, besteht die Gefahr, dass wichtige Ziele aufgeweicht werden“, warnt bvse-Hauptgeschäftsführer Eric Rehbock. „Die Recyclingquoten werden abgesenkt, Definitionen erweitert und zentrale Kontrollmechanismen verwässert. Damit werden die Anreize, Post-Consumer-Kunststoffe aus Altfahrzeugen tatsächlich wieder in den Kreislauf zurückzuführen, deutlich geschwächt.“
Besonders kritisch sieht der bvse die Absenkung der Rezyklateinsatzquoten für Kunststoffe sowie die Möglichkeit, diese zur Hälfte mit Produktionsabfällen zu erfüllen. Produktionsabfälle seien technisch leichter zu recyceln und am Markt problemlos verfügbar, während Post-Consumer-Kunststoffe aus Altfahrzeugen nach wie vor schwer absetzbar seien. „Wenn Hersteller die Quoten mit Produktionsabfällen erfüllen können, entfällt der Druck, Fahrzeuge recyclinggerecht zu konstruieren und Post-Consumer-Materialien zurückzuführen“, betont der Verband. „Damit wird das eigentliche Ziel der ELV-Richtlinie verfehlt.“
Spiegelklausel zwingend erforderlich
Um Wettbewerbsverzerrungen zu verhindern, fordert der bvse nachdrücklich die Aufnahme einer Spiegelklausel: Rezyklate aus Drittstaaten dürften nur dann auf die Quote angerechnet werden, wenn sie denselben Anforderungen und Nachweispflichten unterliegen wie innerhalb der EU. „Freiwillige Selbsterklärungen oder unverbindliche Zusagen sind völlig unzureichend“, stellt der Verband klar. „Nur durch unabhängige Prüfungen und festgelegte Auditierungen nach europäischem Standard kann Betrug und Marktverzerrung vorgebeugt werden.“
Auch bei der erweiterten Herstellerverantwortung sieht der bvse gravierende Mängel. Die Autoverwerter sollten nicht in Verträge mit den Autoherstellern gezwungen werden. Sie sollten auch ohne Verträge einen finanziellen Ausgleich für die gesetzlich vorgeschriebene Demontage von Fahrzeugteilen erhalten. Dies gilt insbesondere für Komponenten, für die es keinen Markt gibt. Nach wie vor bestehe die Gefahr, dass die Kosten für nicht verwertbare Fahrzeugteile vollständig auf die Autoverwerter abgewälzt werden. „Statt die Autoverwerter finanziell zu entlasten und die Hersteller in die Pflicht zu nehmen, wird ihre Marktstellung weiter geschwächt“, kritisiert der Verband. Mittelständische Autoverwerter könnten so in ihrer Existenz bedroht werden.
Eine „angemessene Vertretung“ der Verwerter in den Strukturen der Herstellerorganisationen, wie sie das Parlament vorsieht, bezeichnet der bvse als völlig unzureichend. Ohne paritätische Mitbestimmung der Recyclingwirtschaft sei eine echte Beteiligung der Verwerter nicht gewährleistet.
Stärkere Kontrolle über den Verbleib
Ein weiteres Kernanliegen des bvse ist die Nachverfolgbarkeit von Altfahrzeugen. Die geplante Beschränkung der Kontrolle auf Exportvorgänge hält der Verband für untauglich: „Damit bleibt weiterhin offen, was mit im Inland abgemeldeten Fahrzeugen geschieht. Dies öffnet illegalen Strukturen Tür und Tor.“ Nur durch strengere Vorgaben bei der Abmeldung, die Nutzung des digitalen Verwertungsnachweises sowie klare Pflichten für Halter bei vorübergehender Stilllegung könne eine wirksame Kontrolle sichergestellt werden. Andernfalls würden legale und zertifizierte Autoverwerter weiterhin durch illegale Anbieter verdrängt, die sich nicht an gesetzliche Vorgaben halten.
Wettbewerbsverzerrungen befürchtet
Der bvse kommt zu dem Schluss, dass die Vorschläge des Europäischen Parlaments insgesamt nicht geeignet sind, die Kreislaufwirtschaft im Automobilsektor nachhaltig zu fördern. Stattdessen drohen Wettbewerbsverzerrungen, eine Schwächung der Autoverwerter und eine Verwässerung der ursprünglichen Ziele. „Wir appellieren eindringlich an den Gesetzgeber, die ambitionierten Vorgaben der Kommission nicht aufzuweichen“, schließt Eric Rehbock. „Nur wenn die Hersteller konsequent verpflichtet werden, Post-Consumer-Rezyklate in neuen Fahrzeugen einzusetzen und die Marktbedingungen fair ausgestaltet sind, kann die Altfahrzeugverordnung ihren Beitrag zu einer funktionierenden Kreislaufwirtschaft leisten.“ Nächste Schritte: Da der Europäische Rat seinen Standpunkt bereits Anfang des Sommers angenommen hat, werden die interinstitutionellen Verhandlungen voraussichtlich rasch beginnen.
(Erschienen im EU-Recycling Magazin 10/2025, Seite 6, Foto: MSV, KI-generiert)