Carbontrans: Kunststoffabfälle + Braunkohle = Synthesegas
Kohlenstoffhaltige Abfälle wie Plastikmüll oder Reste aus der Biomasse-Bearbeitung werden teilweise noch immer verbrannt. Wie aus der Vergasung solcher Materialien und Braunkohle unter anderem neue Kunststoffe entstehen können, soll ein Forschungsprojekt namens Carbontrans herausfinden.
Dazu ist zunächst eine Versuchsanlage auf dem Gelände des Freiberger Instituts für Energieverfahrenstechnik und Chemieingenieurwesen vorgesehen. Sie soll die nötigen Daten liefern, um kohlenstoffhaltige Abfälle wie unter anderem Kunststoff- und Ozeanmüll in ein Synthesegas umzuwandeln. In Freiberg soll während einer Planungsphase von 2019 bis 2021 nachgewiesen werden, dass die Gewinnung eines qualitativ hochwertigen Synthesegases und ein effizienter und stabiler Dauerbetrieb eines entsprechenden Vergasungsreaktors möglich sind. Bei einem erfolgreichen Abschluss der Planungsphase ist die Umsetzungsphase des „Carbontrans“ genannten Pilotprojekts bis 2024 geplant. Dazu wird der Reaktor aus Freiberg abtransportiert und in eine bis dahin fertiggestellte Infrastruktur in Leuna (Sachsen-Anhalt) eingesetzt; zudem wird die Technologieplattform dann vollständig in den Stoff- und Energieverbund des dortigen Chemieparks integriert.
Zumischung von Trockenbraunkohle
Das zu gewinnende, flüssige Gas setzt sich hauptsächlich aus Wasserstoff und Kohlenstoffmonoxid zusammen und lässt sich als Rohstoff für die chemische Industrie in der Herstellung neuer Kunststoffe verwenden. Die größte technische Herausforderung besteht darin, aus den heterogenen Abfällen unter Zumischung von Trockenbraunkohle ein hochwertiges Synthesegas zu erzeugen. Die bisher für Kohle zur Verfügung stehende Anlagentechnik muss dafür grundlegend überarbeitet werden, um der Heterogenität der Einsatzstoff-Gemische und höchsten Umweltschutz-Standards einschließlich minimaler CO2-Emissionen gerecht zu werden.
Kern der späteren Konversionstechnik ist ein Reaktor, in dem die Ausgangsstoffe mit Sauerstoff und Wasserdampf unter Wärmeentwicklung bei Temperaturen von 1.000 Grad Celsius und darüber behandelt werden. Durch das Hinzufügen von Wasserstoff kann nach weiterer Aufbereitung und Aufreinigung ein synthetisiertes Gas gewonnen werden, das nahezu vollständig in Syntheseprodukte umgewandelt wird. Die Versorgung mit Wasserstoff und Sauerstoff soll in Leuna eine zurzeit entstehende Elektrolyseplattform sichern, die diese Elemente mittels Elektrolyse unter Einsatz von Strom aus erneuerbaren Energien erzeugt. „Was die Pilotanlage leistet, ist letztlich chemisches Recycling: Kohlenstoff wird nicht verbrannt, um dann als CO2 die Umwelt zu belasten, sondern für andere Stoffverbindungen genutzt“, verdeutlicht Professor Bernd Meyer, der Planungs- und Betriebs-Leiter des Freiburger Projekts.
Jährlich 25.000 Tonnen
Nach Darstellung des Fraunhofer-Instituts für Mikrostruktur von Werkstoffen und Systemen (IMWS) soll die Carbontrans-Pilotanlage jährlich 25.000 Tonnen kohlenstoffhaltiger Stoffe verarbeiten können. Die entstehenden Synthesegase können beispielsweise für die Erzeugung von Methanol genutzt werden oder über Fermentation in Ethanol, Aceton, organische Säuren oder andere Verbindungen für biotechnologische Anwendungen verwandelt werden.
Für Professor Armin Willingmann, Sachsen-Anhalts Minister für Wirtschaft, Wissenschaft und Digitalisierung, bietet das Projekt die Möglichkeit, „eine von Erdöl und Erdgas weitgehend unabhängige Rohstoffbasis für die energieintensive chemische Industrie zu erschließen und die in der Region vorhandene Braunkohle wertschöpfend und klimafreundlich zu nutzen.“ Auch erhofft er sich „eine neue Rohstoffbasis für die Chemieindustrie“. Professor Ralf B. Wehrspohn, Leiter des Fraunhofer IMWS, sieht Bedarf für die neue Technik: „Wir sehen eine große Nachfrage für diese Technologie auch in anderen Regionen, und zwar weltweit.“
Der Kostenrahmen des Projekts wird zunächst auf 30 Millionen Euro veranschlagt. Am Großprojekt sind unter anderem der Braunkohleförderer Mibrag, das Kohlechemieunternehmen Romonta sowie RWE Power beteiligt. Das sachsen-anhaltinische Kabinett plant eine Finanzierung bis 2024 in Höhe von 15 Millionen Euro; die Restsumme sollte aus Bundesmitteln beglichen werden.
Foto: TU Bergakademie Freiberg/IEC
(EU-Recycling 09/2018, Seite 33)