Im Recyclingsektor auf EU-Kurs: Schweiz legt Umweltbericht für 2018 vor

Mit 715 Kilogramm an Abfällen pro Person und Jahr zählt die Schweiz zu den Ländern mit den höchsten Siedlungsabfall­aufkommen weltweit; die Recyclingquote liegt bei 52 Prozent. Über Hintergründe und Veränderungsmöglichkeiten im Recyclingsektor gibt der jüngst erschienene Bericht „Umwelt Schweiz 2018“ Auskunft.

Der hohe Rohstoffverbrauch ist in einem hohen Pro-Kopf-Einkommen und dem damit verbundenen, umfangreichen Konsum der Schweizer begründet. Rund drei Viertel der Rohstoffe und die bei ihrer Produktion anfallende Umweltbelastung entstehen allerdings im Ausland. Die Schweiz zeichnet für etwa 80 bis 90 Millionen Tonnen an Abfällen verantwortlich. Den Löwenanteil an der Schweizer Abfallmenge machen zu 67 Prozent unverschmutzte Aushub- und Ausbruchmaterialien (57 Millionen Tonnen) sowie 19 Prozent Rückbaumaterialien (16,8 Millionen Tonnen) aus. An dritter Stelle stehen mit sieben Prozent die Siedlungsabfälle (6,1 Millionen Tonnen), gefolgt von biogenen Abfällen (5,7 Millionen Tonnen) und Sonderabfällen (2,3 Millionen Tonnen).

Insgesamt 375 Kilogramm pro Einwohner

An mineralischen Bauabfällen generiert die Schweiz sechs Millionen Tonnen an Betonabbruch, 5,4 Millionen Tonnen an Straßenaufbruch wie Sand und Kies, 2,5 Millionen Tonnen an Ausbauasphalt, 2,4 Millionen Tonnen an Mischabbruch aus Mauerwerk sowie 500.000 Tonnen an Resten wie Holz, Metalle, Glas und Gips. Rund 70 Prozent der Rückbaumaterialien werden als Sekundärrohstoffe verwertet, während circa 75 Prozent des Aushub- und Ausbruchmaterials als Auffüllung von beispielsweise Kiesgruben oder Terrainveränderungen dienen. Die restlichen 30 Prozent an Rückbaumaterialien – rund fünf Millionen Tonnen – landen auf Deponien oder in Verbrennungsanlagen.

Von den 6,1 Millionen Tonnen an Siedlungsabfällen wurden 2016 mit 3,174 Millionen Tonnen rund 52 Prozent separat gesammelt und stofflich verwertet. Die Abfallproduktion beläuft sich auf insgesamt 375 Kilogramm pro Einwohner und besteht hauptsächlich aus biogenen Abfällen (154 kg), Altpapier (151 kg) und Altglas (40,5 kg). Die Menge der verbrannten Siedlungsabfälle blieb im Laufe der vergangenen Jahre stabil, während sich die Recyclingquote auf 52 Prozent im Jahr 2016 erhöhte.

Eine sehr gute Infrastruktur

Nach Einschätzung des Umweltberichts stellt die Verbrennung und Deponierung von Siedlungsabfällen keine große Umweltbelastung mehr dar; jedoch wird angesichts ihrer hohen Menge an verbrauchten Ressourcen der gegenwärtige Zustand als schlecht und die Entwicklung als unbefriedigend angesehen. Hingegen konnte die Schweizer Recyclingquote in den letzten 20 Jahren verdoppelt und können 50 Prozent der Siedlungsabfälle separat gesammelt werden. Trotz möglicher weiterer Steigerungen bei Organik, Kunststoffen oder Batterien werden Zustand und Entwicklung in diesem Sektor als gut beziehungsweise positiv eingestuft. Den Angaben nach soll das Verursacherprinzip weitgehend umgesetzt worden sein; die Entsorgung der Siedlungsabfälle stellen eine Grund- und eine Sackgebühr sicher.

Die Schweiz verfügt über eine sehr gute Infrastruktur zur Abfallentsorgung. 30 Kehrichtverbrennungsanlagen (KVA) sorgen für die energetische Verwertung von Abfällen und ermöglichen die Rückgewinnung von Metallen. Thermische und materielle Abfallverwertung betreiben auch Zementwerke und Anlagen der chemischen Industrie. Mehr als 350 Biogas- und Kompostierungsanlagen befassen sich gemeinsam mit rund 60 Biomassekraftwerken mit der stofflichen und energetischen Verwertung von Bioabfällen. Spezielle Verbrennungsanlagen und chemisch-physikalische Verfahren stehen zur Bearbeitung von Sonderabfällen bereit. Die Deponien entsprechen dem Stand der Technik und werden größtenteils mit Aushub und Rückbaumaterialien in Höhe von knapp 20 Millionen Tonnen pro Jahr verfüllt.

Durch EU-Entwicklungen beeinflusst

Die Schweiz ist an die europäische Abfallgesetzgebung nicht gebunden, wird aber nach eigener Einschätzung im Umgang mit Abfällen und Rohstoffen auch durch die Entwicklungen auf dem Kontinent – insbesondere das EU-Kreislaufwirtschaftspaket – beeinflusst. Abfallvermeidung, Schließung von Stoffkreisläufen sowie Gewinnung und Rückführung von Sekundärrohstoffen stehen daher ebenso auf der Agenda wie eine von Bund, Kantonen und Wirtschaft geplante Abfallvermeidungsstrategie. So sollen beispielsweise die rund 10.000 Tonnen Phosphor reduziert werden, die die Schweiz jährlich einführt. Es ist vorgesehen, ab dem Jahr 2026 Phosphor aus Abwasser, Klärschlamm und Aschen rückzugewinnen, zu Recyclingdünger zu verarbeiten und damit den Bedarf an Phosphat im eigenen Land zu decken.

Weitere Aufgaben erwarten die Schweiz auf dem Gebiet der mit Abfällen belasteten Standorte. Die rund 38.000 Standorte sind in öffentlich zugänglichen Katastern erfasst. Rund 16.000 gelten als untersuchungsbedürftig; rund 10.000 wurden bereits inspiziert und klassiert. Etwa zehn Prozent der Standorte gelten als sogenannte Altlasten, von denen mittlerweile 1.000 – darunter die drei großen Sondermülldeponien in Monthey, Bonfol und Kölliken – saniert wurden. Zustand und Entwicklung im Bereich untersuchungsbedürftiger Standorte bewertet der Umweltbericht als gut beziehungsweise positiv, jene auf dem Gebiet der Altlastensanierung als mittelmäßig beziehungsweise positiv.

Für den gesamten Produkt-Lebenszyklus

Handlungsbedarf hält die Schweiz nicht nur bei der direkten Abfallvermeidung für erforderlich, sondern stuft auch Maßnahmen über den gesamten Produkt-Lebenszyklus als dringlich ein. Hierzu zählen unter anderem Ökodesign, richtige Verwendung oder auch Reparierfähigkeit und Langlebigkeit von Produkten. Zudem will die Berner Regierung die Akzeptanz insbesondere im Bausektor durch entsprechende Regelwerke, zusätzliche Informationen und freiwillige Branchenlösungen erhöhen. Der Blick auf zukünftige Entwicklungen im Abfallsektor – Stichwort Nanoabfälle – sollte geschärft und ebenso die Möglichkeiten der Digitalisierung für die Kreislaufwirtschaft ausgeschöpft werden. Der Bericht des Bundesrates „Umwelt Schweiz 2018“ kann unter www.bafu.admin.ch/dam/bafu/de/dokumente/allgemein/uz-umwelt-zustand/umwelt-schweiz-2018.pdf.download.pdf/Umweltbericht2018_D.pdf heruntergeladen werden.

Foto: O. Kürth

(EU-Recycling 04/2019, Seite 34)

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