ElektroG3 soll sicherheitsrelevante Verbesserungen und verbrauchernähere Sammelstrukturen bringen

Die Branche wartet mit Spannung auf die Neuerungen im geplanten ElektroG3 aus dem Bundesumweltministerium. Die Abteilungsleiterin des Bereichs Wasserwirtschaft und Ressourcenschutz des BMU, Dr. Regina Dube, stellte sich den Fragen des bvse-Referenten Andreas Habel.

Frau Dr. Dube, wo stehen wir aktuell bei der Sammelquote für Elektro(nik)geräte?
Die letzte Sammelquote, die wir nach Brüssel übermittelt haben, war die für das Jahr 2017. Sie betrug 45,08 Prozent. Aktuell bereitet das Umweltbundesamt die Daten für das Jahr 2018 auf.

Eine erste Informationskampagne der produktverantwortlichen Hersteller zur richtigen Entsorgung ist vor kurzem angelaufen. Aber werden die Hersteller durch die Novelle auch zur nachhaltigen Informationsarbeit verpflichtet?
Die BürgerInnen einheitlich, kontinuierlich und adressatengerecht zu informieren, ist entscheidend. Daher unterstützt die Bundesumweltministerin ausdrücklich die freiwillige Informationskampagne der Stiftung ear, die im vergangenen Jahr gestartet wurde. Das Besondere an dieser Kampagne ist, dass die Herstellerunternehmen sie gemeinschaftlich ausrichten und finanzieren. Dieser Gedanke soll sich künftig auch im Elektro- und Elektronikgerätegesetz wiederfinden: Wir wollen die produktverantwortlichen Hersteller verpflichten, die BürgerInnen gemeinschaftlich – und damit einheitlich –, wiedererkennbar sowie kontinuierlich zu informieren.

Dr. Regina Dube (Foto: IISD/ENB | Mike Muzurakis)

Würden nach dem ElektroG zertifizierte Betriebe ohne Drittbeauftragung direkt zur Annahme berechtigt, könnte dies zu einer Ausweitung des aktuellen Sammelnetzes führen. Wie bewerten Sie diesen Vorschlag?
Unser vorrangiges Ziel ist es, die Verdichtung des Sammelnetzes voranzutreiben, um damit die Rückgabe für die BürgerInnen zu vereinfachen. Alle Maßnahmen, die auf dieses Ziel einzahlen, sind enorm wichtig. Insofern erscheint es auch sinnvoll, den zertifizierten Erstbehandlungsanlagen die Möglichkeit zu geben, Elektroaltgeräte von den VerbraucherInnen zurückzunehmen.

Eine Einbindung von Lebensmitteldiscountern, aber auch großen Onlinehändlern – unter Abwägung aller Rahmenbedingungen – erscheint für den bvse zumutbar und in Anbetracht der Erfassungsmengen sogar notwendig. Was halten Sie davon?
Um das Sammelnetz zu verdichten, kommt den Geschäften, die von VerbraucherInnen regelmäßig aufgesucht werden, eine zentrale Rolle zu. Das Bundesumweltministerium plant, Einzelhandelsgeschäfte ab einer bestimmten Verkaufsfläche in die Rücknahmestrukturen einzubinden. Auf diese Weise können wir die Sammelquote erhöhen und wir überfordern nicht die kleinen Geschäfte in den Innenstädten. Denn diese verfügen oft nicht über die nötigen Lager- und Sammelkapazitäten, wie sie etwa große Geschäfte am Stadtrand haben. Das novellierte ElektroG soll zudem Regelungen enthalten, die die Rücknahme durch Onlinehändler verbessern. Hier geht es unter anderem darum, die VerbraucherInnen bereits beim Einkauf aktiv auf die Rückgabemöglichkeit hinzuweisen. Wir wollen auch bestehende Schlupflöcher schließen, auf deren Grundlage den Bürger­Innen bislang Kosten für den Transport der Elektroaltgeräte in Rechnung gestellt werden.

Das aktuelle ElektroG sieht vor, dass jeder entsorgungspflichtige Letztbesitzer die bei ihm entsorgten Mengen an die Gemeinsame Stelle zu melden hat. Der bvse nimmt an, dass in der Praxis die allermeisten gewerblichen Betriebe dieser Pflicht nicht nachkommen und auch keine Überprüfung durch die Behörden stattfindet. Die Erstbehandlungsanlagen erfassen die entsorgten B2B-Mengen jedoch ohnehin und wären auch bereit, die Mengenmeldung für die gewerblichen Kunden zu übernehmen. Ist für Sie eine solche Übertragung denkbar?
Der B2B-Bereich ist in der Tat ein „Sorgenkind“. Bislang macht er nur etwa vier Prozent der gesamten Rücknahmemenge aus. Die Zahl ist unter anderem so gering, weil die tatsächlichen Rücknahmemengen teilweise nicht an die Stiftung ear gemeldet werden. Die Lösung für dieses Problem ist das Bündeln von Mengenmitteilungen bei den Erstbehandlungsanlagen. Dies allein reicht aber nicht aus. Wir müssen künftig die produktverantwortlichen Hersteller stärker in die Pflicht nehmen: sowohl mit Blick auf die Information der gewerblichen Endnutzer zur richtigen Entsorgung der Altgeräte als auch dahingehend, dass sie Rücknahmekonzepte für ihre Altgeräte entwickeln müssen, bevor sie diese in Verkehr bringen.

Laut Umweltbundesamt gehen jährlich schätzungsweise 150.000 Tonnen an Altgeräten dem hiesigen Wirtschaftskreislauf verloren. Hier würden strengere Vorgaben und Kontrollen der Exporteure helfen. Wird es im ElektroG3 über die Beweislastumkehr hinaus weitere Anforderungen geben?
Die Bestimmungen im ElektroG zum Export von Elektroaltgeräten basieren auf den strengen Vorgaben im Europarecht, die 1:1 umgesetzt wurden. Deren Vollzug liegt in der Zuständigkeit der Länder. Die Zollbehörden und das Bundesamt für Güterverkehr wirken daran gemäß Abfallverbringungsgesetz mit. Ob weitere Verschärfungen notwendig sind, bleibt der weiteren Prüfung vorbehalten und ist vor dem Hintergrund des Europarechts zu sehen.

Wird das ElektroG weitergehende Regelungen für die Vorbereitung zur Wiederverwendung – also etwa zugunsten Langlebigkeit und Reparierbarkeit – enthalten?
Elektroaltgeräte sollen möglichst lange genutzt werden. Mit der Novelle sollen die bestehenden Regelungen des ElektroG für die Vorbereitung zur Wiederverwendung von Altgeräten und ihrer Bestandteile erweitert werden. Es geht darum, zertifizierten Akteuren einen frühestmöglichen Zugriff auf geeignete Altgeräte zu ermöglichen. Diese Akteure sollen kontrollierten Zugang zu Sammelmengen unter klar definierten Bedingungen erhalten. Es bedarf hier eines Gesamtkonzepts, das das erforderliche Monitoring der Mengen sicherstellt und welches verhindert, dass Altgeräte in illegalen Kanälen verschwinden.

Was erwartet der bvse vom neuen ElektroG3?
Deutschland wird die von der WEEE für das Jahr 2019 vorgegebene Sammelquote von 65 Prozent der im Durchschnitt in den zurückliegenden drei Jahren verkauften Neugeräte nicht erreichen. Das liegt unter anderem daran, dass insbesondere Kleingeräte noch zu häufig über den Restabfall entsorgt werden. Nach Ansicht des bvse muss dieser Umweltaspekt beim Bürger noch gestärkt werden, unter anderem durch intensive Informationsarbeit seitens der produktverantwortlichen Hersteller.

Was die Erfassung über das vorhandene Netz kommunaler Wertstoffhöfe selbst anlangt, hat sich diese aus Sicht des bvse grundsätzlich bewährt. Doch habe man auch in Gebietskörperschaften, in denen zusätzlich privat betriebene und zugelassene Annahmestellen für Altgeräte tätig sind, gute Erfahrungen mit der Sammlung gemacht. Diese Betriebe heben sich oft durch sehr kundenfreundliche Annahmezeiten ab und bieten zusätzlichen Service. Die Berechtigung solcher zertifizierten Betriebe ohne Drittbeauftragung könnte zu einer Ausweitung des aktuellen Sammelnetzes führen. Darüber hinaus sprechen lange Öffnungszeiten und eine hohe Kunden- beziehungsweise Besucherfrequenz auch für eine Einbindung von Lebensmitteldiscountern und großen Onlinehändlern.

Es besteht eine Meldepflicht für jeden entsorgungspflichtigen Letztbesitzer von Elektroaltgeräten. Nach Darstellung des bvse wird dieser Pflicht vielfach nicht nachgekommen, und auch die Behörden überprüfen zu wenig. Hier könnte die Einbeziehung von Erstbehandlungsanlagen, die die entsorgten B2B-Mengen ohnehin erfassen, zur Erhöhung der Sammelmenge beitragen.
Damit Altgeräte dem hiesigen Wirtschaftskreislauf nicht verloren gehen, sind nach Ansicht des bvse strengere Vorgaben und Kontrollen der Exporteure vorzusehen. Freilich beginnt die Kreislaufwirtschaft nicht erst mit der Abfallentsorgung, sondern mit der Gestaltung der Produkte hinsichtlich Langlebigkeit, Reparierbarkeit und Vorbereitung zur Wiederverwendung. Dem Prinzip der geteilten Produktverantwortung steht der bvse allerdings kritisch gegenüber. Durch die neue Zusammenstellung der Sammelgruppen würden Optierungen zurückgehen und die Werthaltigkeit der Altgeräte abnehmen. Das könnte zu Einnahmeverlusten bei Gebietskörperschaften und zu verringerter Neigung zu Investitionen in Sammlungsqualität und -infrastruktur führen.

 

Brände in Recyclinganlagen, ausgelöst durch defekte Lithium-Akkus, verursachen Schäden, die schnell in Millionenhöhe liegen. Die Branche fordert eine viel bessere Separierung an den Erfassungsstellen, mehr Informationsarbeit über die richtigen Entsorgungswege für Akkus und sogar die Annahme batteriebetriebener Altgeräte durch Fachpersonal. Sieht das ElektroG3 entsprechende Maßnahmen zur besseren Separierung bei der Erfassung vor?
Durch Lithium-Akkus verursachte Brände sind ein sehr ernstzunehmendes Problem, zu dessen Lösung es des Engagements aller Beteiligten bedarf. Im Wesentlichen geht es darum, die bestehenden rechtlichen Regelungen konsequent in die Praxis umzusetzen. Die entnehmbaren Batterien müssen bei der Erfassung von den Altgeräten getrennt werden. Geräte, bei denen dies nicht möglich ist, müssen in den entsprechenden Gitterboxen gesammelt werden. Dabei haben die Mitarbeitenden der kommunalen Wertstoffhöfen eine Schlüsselrolle: Sie können die VerbraucherInnen aktiv darüber informieren, dass – wo möglich – die Batterien zu entnehmen sind. Außerdem wäre es wünschenswert, wenn die Mitarbeitenden auf den Wertstoffhöfen die BürgerInnen dabei unterstützen, Batterien und Elektroaltgeräte richtig zu sortieren. Für beide Aufgaben haben sich zum Beispiel sogenannte Thekenmodelle bewährt. Grundsätzlich ist es wichtig, dass die Mitarbeitenden der Wertstoffhöfe sich der Risiken einer falschen Erfassung bewusst sind und sie entsprechend geschult sind. Wir begrüßen ausdrücklich, dass die Kommunen und die Hersteller noch in der ersten Hälfte dieses Jahres ihre Mitarbeitenden in den Wertstoffhöfen weiterbilden wollen. Es ist gut, dass der bvse sie bei diesen Schulungen unterstützt.

Wird der neue Entwurf weiterhin auf das Prinzip der geteilten Produktverantwortung setzen? Unseres Erachtens wird die neue Zusammenstellung der Sammelgruppen auf der Grundlage des Open-Scope 2018 weiter dazu führen, dass Optierungen zurückgehen und auch die Werthaltigkeit in den Altgeräten abnimmt.
Hersteller und Kommunen haben im vergangenen Jahr deutlich gemacht, dass sie an dem Prinzip der geteilten Produktverantwortung festhalten wollen. Es spricht viel dafür, weiterhin auf dem Prinzip der geteilten Produktverantwortung aufzubauen.

Dann wäre da noch die Behandlungsverordnung. Soll diese gleichzeitig mit dem Referentenentwurf zum ElektroG vorgelegt werden? Und wird sie die jetzige Anlage 4 des ElektroG ersetzen?
Ziel des Bundesumweltministeriums ist es nach wie vor, die bestehenden Anforderungen an die Behandlung von Elektroaltgeräten fortzuentwickeln und hierfür eine eigene Verordnung zu schaffen. Grundlage dazu sind die umfangreichen Empfehlungen des Umweltbundesamts, die im Rahmen eines Konsultationsprozesses entwickelt wurden, an dem der bvse sehr konstruktiv mitgewirkt hat. Da ein unmittelbarer, inhaltlicher Zusammenhang zwischen ElektroG und der Behandlungsverordnung besteht, sollen die entsprechenden Rechtssetzungsverfahren parallel stattfinden.

Wie sieht der vorstellbare Zeitplan des Novellierungsverfahrens aus?
Sowohl das novellierte ElektroG als auch die Behandlungsverordnung sollen noch in dieser Legislaturperiode verabschiedet werden. Dafür ist es erforderlich, dass noch vor der parlamentarischen Sommerpause in diesem Jahr ein entsprechender Entwurf vorgelegt und mit allen beteiligten Kreisen diskutiert wird, um im Anschluss das Rechtssetzungsverfahren auf den Weg zu bringen.

Herzlichen Dank für das Gespräch!

Quelle: bvse

(EU-Recycling 05/2020, Seite 6, Foto: Harald Heinritz / abfallbild.de)