EU-Green Deal: Experten fordern zum Handeln auf

Bei der Jahrestagung des Verbands Österreichischer Entsorgungsbetriebe (VOEB) am 2. und 3. September im steirischen Schladming berieten internationale Experten der Abfall- und Ressourcenwirtschaft über die aktuellen Herausforderungen der Branche, um die Vorgaben des EU-Green Deals zu erreichen.

Gefordert wurde der rasche Ausbau politischer Rahmenbedingungen auf nationaler und europäischer Ebene, um die Ziele des Green Deals zu erreichen. In Österreich sei die Vereinheitlichung der Abfallsammlung, die Einführung eines Batteriepfands, umfassende Aufklärungskampagnen und die gezielte Förderung innovativer Betriebe dringend notwendig. Produkthersteller sollten durch EU-Vorgaben von Mindesteinsatzquoten von Rezyklaten stärker in die Pflicht genommen werden.

„Die Zeit drängt“
Auf nationaler Ebene drängt man auf eine Vereinheitlichung der Abfall-Sammelsysteme zur Erreichung der EU-Recyclingquoten, eine Aufklärung und Sensibilisierung von jüngeren Bevölkerungsschichten, die Einführung neuer Recycling-Lehrberufe sowie die Beschleunigung von Genehmigungsverfahren. Zudem fordern die Abfallexperten die Europäische Kommission auf, die Recyclingquoten von Lithiumbatterien zu erhöhen beziehungsweise dies mit der europaweiten Einführung eines Batteriepfands zu unterstützen. Auch soll die Energiegewinnung durch Verbrennung nicht recycelbarer Abfälle in der Europäischen Union als umweltverträgliche Tätigkeit rechtlich abgesichert werden.

Gabriele Jüly, Präsidentin des VOEB: „Die Zeit drängt. Wir müssen rasch handeln, damit das Auslaufmodell lineare Wirtschaft durch eine nachhaltige Kreislaufwirtschaft ersetzt wird. Die EU hat mit ihrem Green Deal die nationalen Regierungen unter Zugzwang gebracht; diese müssen nun endlich die dringend notwendigen Rahmenbedingungen schaffen. Denn die Recyclingbranche ist das wichtigste Bindeglied der Circular Economy.“

Forderung nach Batteriepfand
Zur Erreichung der europäischen Sammel- und Recyclingquoten fordert der VOEB die Vereinheitlichung der österreichischen Sammelsysteme im Bereich der Leicht- und Metallverpackungen. „Bei Metallen, Papier und Glas haben wir in Österreich hohe Recyclingquoten zu verzeichnen und damit die EU-Ziele bis 2030 bereits erreicht beziehungsweise überschritten. Bei den PET-Flaschen sowie beim Kunststoff gibt es aber noch Aufholbedarf.“

Des Weiteren fordert Jüly eine Erhöhung der Recyclingquoten für Lithiumbatterien von derzeit 45 auf 65 Prozent bis 2025. In der gesamten EU landen jährlich knapp 225 Millionen Stück im Restmüll; allein in Österreich sind es 1,4 Millionen. Entsteht beim Entsorgungsprozess Reibung oder Hitze, können sie sich entzünden und Brände verursachen. Dies birgt hohe Risiken und bringt enorme Kosten mit sich.

Jüly: „Alleine in der Steiermark verursachten durch Batterien ausgelöste Brände in den letzten fünf Jahren einen Schaden von 30 Millionen Euro. Wir können den Zusammenhang zwischen der steigenden Anzahl von Lithiumbatterien im Restmüll und den Bränden bei Entsorgungsbetrieben eindeutig belegen.“ Für die Abfall- und Ressourcenwirtschaft sei diese Entwicklung existenzbedrohend: „Nun sind Politik und Verwaltung gefordert, Verantwortung zu übernehmen und entsprechende Rahmenbedingungen für mehr Sicherheit zu fixieren.“

Aufholbedarf bei unter 30-Jährigen
Alexander Bernhuber (Abgeordneter EU-Parlament, ÖVP und Mitglied des EU-Umweltausschusses) empfindet die Forderung nach einem Batteriepfand als spannenden Ansatz, um höhere Recyclingquoten zu erreichen und Brände in Entsorgungsbetrieben zu unterbinden. Gleichzeitig muss dieses Thema breit und mit allen relevanten Stellen europaweit diskutiert werden. Er plädiert generell für mehr Aufklärung und Sensibilisierung von jüngeren Bevölkerungsschichten.

„Die Zukunft der Kreislaufwirtschaft ist untrennbar mit den Konsum- und Lebensweisen der Bevölkerung verbunden. Wir wissen aus aktuellen Studien, dass vor allem bei den unter 30-Jährigen das Bewusstsein hinsichtlich der richtigen Mülltrennung eher schwach ausgeprägt ist – hier müssen wir besser informieren, wie wichtig Mülltrennung ist“, schließt Bernhuber.

Peter Kurth (FEAD- und BDE-Präsident) verweist auf die Notwendigkeit, Produkthersteller stärker in die Pflicht zu nehmen: „Die Vorgaben von Quoten richten sich zumeist nur an Entsorger. In Zeiten, in denen Kreislaufwirtschaft mehr und mehr Produktpolitik sein muss, ist es unabdingbar, auch Mindesteinsatzquoten von Rezyklaten festzulegen.“ Kurth hebt die Bedeutung starker nationaler Verbände wie des BDE und der VOEB sowie die Tätigkeiten des europäischen Verbands FEAD auf internationaler Basis hervor: „Unsere Branche wandelt sich. Früher haben wir Abfälle gesammelt, heute sind wir darüber hinaus auch Rohstofflieferant.“

In diesem Zusammenhang fordert Kurth aber auch, die Energiegewinnung aus der Verbrennung von nicht recycelbaren Abfällen rechtlich anzuerkennen und beispielsweise in der Taxonomie zu berücksichtigen. Außerdem plädiert er für einen „Schengen-Raum für die Abfallwirtschaft“, da die grenzüberschreitende Abfallverbringung derzeit bürokratisch sehr aufwändig ist und Abläufe bis zu zwölf Monate dauern können.

Sammelsysteme vereinheitlichen: Aus 13 mach 1
Carmen Jeitler-Cincelli (Abgeordnete NR, ÖVP und Mitglied des Umweltausschusses) spricht sich für die Einführung einheitlicher Abfall-Sammelsysteme in ganz Österreich aus, um etwaige Hürden zu reduzieren und somit Sammel- und Recyclingmengen zu erhöhen: „In Österreich gibt es derzeit 13 verschiedene Systeme, um Plastikflaschen, Leichtverpackungen oder Dosen zu sammeln. Das ist angesichts innovativer technologischer Trennverfahren nicht mehr zeitgemäß. Denn aus der Praxis ist längst bekannt: Je einfacher und einheitlicher die Ausgestaltung von Sammelsystemen, desto besser das Sammelverhalten und desto höher die Mengen.“

(Erschienen im EU-Recycling Magazin 10/2021, Seite 6, Foto: pixabay.com)